"Säuberungen"
Geheimdienst: “Gülen-Anhänger nicht hinter Putsch”
Der Chef des deutschen Bundesnachrichtendienstes, Bruno Kahl, widerspricht der türkischen Regierung bei der Beurteilung des Putschversuchs vom Juli 2016. Er sehe keine Anzeichen dafür, dass die Bewegung des Predigers Fetullah Gülen hinter dem Putschversuch gesteckt habe, sagte er dem Hamburger Nachrichtenmagazin "Der Spiegel".
"Die Türkei hat auf den verschiedensten Ebenen versucht, uns davon zu überzeugen. Das ist ihr aber bislang nicht gelungen", sagte Kahl. Auch sei die Gülen-Bewegung nicht wie behauptet eine islamisch-extremistische oder gar terroristische Bewegung, sondern eine "zivile Vereinigung zur religiösen und säkularen Weiterbildung".
In der Türkei wäre es nach Einschätzung von Kahl auch ohne den Putschversuch vom Juli 2016 zu Massenentlassungen gekommen. "Was wir als Folge des Putsches gesehen haben, hätte sich - vielleicht nicht in der Tiefe und Radikalität - auch so ereignet", sagte der Chef des deutschen Auslandsgeheimdienstes.
"Putsch war willkommener Vorwand"
"Der Putsch war wohl nur ein willkommener Vorwand." Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte nach dem Putschversuch in der Türkei im Juli 2016 "Säuberungen" im Staatsapparat angekündigt. Zehntausende Menschen haben seither ihren Job verloren. "Der Putschversuch war nicht staatlich initiiert", sagte Kahl. "Bereits vor dem 15. Juli hatte eine große Säuberungswelle der Regierung begonnen. Deshalb dachten Teile des Militärs, sie sollten schnell putschen, bevor es auch sie erwischt. Aber es war zu spät, und sie sind mit weggesäubert worden."
Kahl warnte außerdem vor einer zunehmenden Bedrohung Deutschlands und Europas durch Russland. "Russland hat die Kampfkraft an der Westgrenze verdoppelt. Das kann man nicht alles als Defensive gegen den Westen beurteilen", sagte er. Es sei möglich, dass Russland versuchen werde, die deutsche Bundestagswahl zu beeinflussen. "Wir müssen zumindest damit rechnen, dass es passieren kann", sagte der Chef des deutschen Auslandsgeheimdienstes.
Erdogan-Sprecher: "Deutschland unterstützt Gülen"
Ein Sprecher Erdogans kritisierte die Aussagen Kahls am Sonntag. Diese seien ein weiterer Hinweis dafür, dass Deutschland die Bewegung um den in den USA lebenden Prediger Fethullah Gülen "unterstütze", sagte Ibrahim Kalin am Sonntag in einem Interview mit dem Sender CNN Türk.
Kalin warf Deutschland zudem wegen einer Kurden-Demo in Frankfurt Unterstützung der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK vor. In Frankfurt waren am Samstag mehrere tausend Kurden aus ganz Deutschland unter dem dem Motto "Nein zur Diktatur - Ja zu Demokratie und Freiheit" auf die Straße gegangen. Ziel war eine zentrale Kundgebung zum kurdischen Neujahrsfest Newroz. Kalin dagegen bezeichnete das Newroz-Fest als "Vorwand" für PKK-Propaganda.
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