25.000 Betroffene

Brexit: Unsichere Zeiten für Auslandsösterreicher

Wirtschaft
22.03.2017 06:18

Noch keine große Sorge, aber doch eine gewisse Unsicherheit beherrscht die Aussicht der rund 25.000 Auslandsösterreicher in Großbritannien auf den Brexit. "Man geht schon davon aus, dass die EU-Bürger das Recht bekommen, hierzubleiben", sagt Bernhard Niesner, ein österreichischer Unternehmer in London. "Alles andere wäre Irrsinn, aber es muss endlich garantiert werden." Die EU-Bürger befürchten jedenfalls, zum Verhandlungsjoker zwischen Brüssel und London zu werden.

Niesner leitet das Start-up Busuu, eine interaktive Sprachlern-Community mit 65 Millionen Nutzern, 50 Mitarbeitern und Sitz in London. Er spürt bereits Auswirkungen, obwohl der EU-Austritt Großbritanniens erst am 29. März offiziell beantragt wird. Schon jetzt sei es "schwieriger geworden, europäische Mitarbeiter zu finden, weil keiner garantieren kann, wie es weitergeht". Anheuern könnte der Firmenchef womöglich bald Mitarbeiter aus dem Finanzsektor: "Banken werden absiedeln", prophezeit er.

Der Union Jack vor dem Parlamentsgebäude in London (Bild: AFP)
Der Union Jack vor dem Parlamentsgebäude in London

Zahl der ausländischen Studenten dramatisch zurückgegangen
Auch Liliane Gergely, eine Lektorin am University College London, spürt die Unsicherheit vor dem Brexit in ihrem Alltag. Die Zahl der ausländischen Studierenden an dem College sei dramatisch zurückgegangen. Früher habe der Anteil der EU-Ausländer mehr als 50 Prozent ausgemacht, erzählt sie der Austria Presse Agentur bei einem Empfang in der österreichischen Botschaft in London. Die nichtbritischen Studenten fürchten, dass die Studiengebühren nach dem Brexit für sie schmerzhaft steigen.

Gergely überlegt nun so wie viele der rund 25.000 Auslandsösterreicher, wie es weitergeht. Eine Doppelstaatsbürgerschaft sei leider nicht möglich, sagt die Lektorin. Britin zu werden, ist auch nicht so einfach. Das Formular zur Beantragung des Daueraufenthalts, das vor einem Jahr noch 26 Seiten lang war, umfasse mittlerweile 85 Seiten, erzählt die Lektorin. Und sie berichtet von einem Bekannten, der wegen eines kleinen Fehlers beim Ausfüllen dieses Konvoluts einen Bescheid mit der Aufforderung bekommen hat, das Land zu verlassen.

(Bild: thinkstockphotos.de, krone.at-Grafik)

"Wir leben in unsicheren Zeiten", bestätigt der Architekt Norbert Kurcz, der schon seit dem Jahr 2000 in London angesiedelt ist. Er ist unsicher, ob die EU selbst bei den Verhandlungen mit London auf einen grünen Zweig kommt. Die EU-Staaten verfolgen unterschiedliche Interessen, und manche wollen vielleicht gar keine guten Handelsbeziehungen mit Großbritannien, meint er.

Kurz: "Wissen nicht, wie die ganze Sache ausgeht"
"Das Schlimmste für die EU wäre, sich hier auseinanderdividieren zu lassen", sagt Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP), der am Montag und Dienstag auf Besuch in London war. Er zeigt sich zuversichtlich, dass eine Einigkeit unter den EU-27 gelingen werde. Kurz gibt aber zu: "Nicht nur wir wissen nicht, wie die ganze Sache ausgeht", den Briten gehe es ebenso.

Die Briten würden sehr gut vorbereitet in die Verhandlungen gehen, berichten Insider. Der Austrittsantrag werde konkret und umfangreich. Großbritannien will mit der EU nicht nur über den Abschied verhandeln, sondern auch gleich das zukünftige Verhältnis regeln, wohingegen die EU die Gespräche vorerst auf den Brexit und die "Scheidungskosten" beschränken will.

Brüssel möchte London nicht zu sehr entgegenkommen, hieß es. Die Aussicht auf einen EU-Austritt sollte nicht attraktiver als eine Mitgliedschaft erscheinen. "Hier soll ein Exempel statuiert werden", formuliert es Gergely. Aber auch das Vereinigte Königreich "pokert jetzt ein bisschen", sagt der Unternehmer Niesner.

Handshake: Außenminister Sebastian Kurz traf in London seinen britischen Kollegen Boris Johnson. (Bild: APA/AUSSENMINISTERIUM/DRAGAN TATIC)
Handshake: Außenminister Sebastian Kurz traf in London seinen britischen Kollegen Boris Johnson.

Viele befürchten, dass nun die rund 3,5 Millionen EU-Bürger in Großbritannien sowie die 1,5 Millionen Briten in den anderen EU-Ländern zu "bargaining chips" werden. "Menschen dürfen niemals Faustpfand sein", sagt Minister Kurz und verkündet: "Ich bin überzeugt, dass jeder, der hier einige Jahre gelebt und gearbeitet hat, auch weiterhin wie bisher hier leben und arbeiten wird können."

Jeder seiner Gesprächspartner - und das waren unter anderem Außenminister Boris Johnson, Finanzminister Philip Hammond sowie Brexit-Minister David Davis - habe ihm glaubwürdig versichert, dass er "massives Interesse" daran habe, das Thema des rechtlichen Status der EU-Bürger "schnell zu lösen". Sollten sich aber Landsleute überlegen, nach Österreich zurückgehen, seien sie hier ebenfalls "sehr willkommen", so Kurz.

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