Türken bespitzelt
Schweizer Kebab-Unternehmer spioniert für Erdogan
Der Präsident des Schweizer Ablegers der Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD) soll die größte Staatskrise der vergangenen Jahre zwischen der Schweiz und der Türkei ausgelöst haben. Der Mann - er ist angeblich "groß im Kebab-Geschäft" - soll unter anderem im Dezember während einer Erdogan-kritischen Lesung an der Uni Zürich systematisch Teilnehmer fotografiert und die Fotos in die Türkei weitergeleitet haben. Die Schweizer Bundesanwaltschaft leitete Mitte März sogar ein Strafverfahren ein.
Mehrere Personen hätten der "Sonntagszeitung" bestätigt, dass es der Unternehmer S. gewesen sei, der die Bilder geschossen habe, die "später mit regierungsnahen Kreisen in der Türkei" geteilt worden seien. YouTube-Videos würden beweisen, dass S. in der Aula der Universität gewesen sei, in der ein regierungskritischer türkischer Journalist geehrt wurde. Laut einem Journalisten, der sich an der Stelle S.' bei der Zeitung gemeldet habe, wollte S. nur die Lesung an sich für türkische Medien dokumentieren. Im Jänner sollen die Teilnehmer eines Seminars zum Thema "Völkermord an den Armeniern" fotografiert worden sein.
Die Universität könnte wegen Spionage Anzeige erstatten, will dies dem Bericht zufolge aber nicht tun. Der Rektor kündigte aber Maßnahmen an, um solche Bespitzelungen künftig zu unterbinden.
Die Schweizer Bundesanwaltschaft leitete Mitte März ein Strafverfahren wegen des Verdachts ein, dass Mitglieder der türkischen Gemeinde ausspioniert worden waren. Es gebe "konkrete Verdachtsmomente" für ein Ausspionieren von Türken in der Schweiz durch einen "politischen Nachrichtendienst", bestätigte die Bundesanwaltschaft gegenüber der Nachrichtenagentur AFP. Weitere Details zu den Ermittlungen und zu den betroffenen Organisationen und Menschen wollte die Behörde nicht machen.
Miteigentümer eines Halal-Schlachthofes
S. lebt der "Sonntagszeitung" zufolge seit mehr als 15 Jahren in der Schweiz. 2003 habe er einen kleinen Kebabladen eröffnet. Inzwischen gehöre ihm mit einem türkischen und zwei Schweizer Kollegen ein Schlachthof, der religionskonform geschlachtetes Fleisch ins ganze Land liefere. Auch politisch sei S. engagiert: Seit der Gründung des Schweizer UETD-Ablegers im Jahr 2012 sei er dessen Präsident. Zwar behauptet der Verein, er sei politisch unabhängig, doch zu den Feierlichkeiten anlässlich des zehnjährigen Bestehens der UETD in Deutschland reiste sogar der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan an.
Spionagevorwürfe auch in Deutschland
Auch in Deutschland gibt es derzeit Vorwürfe der Spionage gegen Türken. Mehreren Imamen der Türkisch-Islamischen Union (Ditib) wird vorgeworfen, im Auftrag der türkischen Regierung in Deutschland mutmaßliche Gegner von Erdogan ausspioniert zu haben.
Pilz: "Illegales Spitzelnetz der Erdogan-Stasi unterbinden!"
Der grüne Abgeordnete Peter Pilz hatte Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) vor Kurzem vorgehalten, anders als Deutschland keine Anstalten zu machen, das "illegale Spitzelnetz der Erdogan-Stasi" in Österreich zu unterbinden. Sein Ressort würde Vorwürfe gegen die türkischen Vereine ATIB und UETD wegen möglicher Spitzeltätigkeit nur unwillig nachgehe. Sobotka versicherte dagegen im Innenausschuss, das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung habe umfassende Ermittlungen aufgenommen.
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.