"Krone"-Interview

KISS: “Auf der Bühne zu stehen ist wie Sex”

Musik
03.04.2017 12:29

Seit mehr als vier Dekaden begeistern die US-Rocklegenden KISS ihre Fans mit feurigen Bühnenshows und ausgefeiltem Band-Marketing. Am 21. Mai kommt das Hit-Quartett endlich wieder in die Wiener Stadthalle. Wir haben uns mit Frontmann und "Bandzunge" Gene Simmons über das immer noch lodernde Feuer, den Sex auf der Bühne, Fitnesstipps für Mittsechziger und natürlich Wiener Schnitzel unterhalten.

(Bild: kmm)

"Krone": Gene, der KISS-Express hält am 21. Mai wieder einmal in der Wiener Stadthalle. Worauf dürfen wir uns freuen und wird es neue Showelemente geben?
Gene Simmons: Wir bringen neue Effekte und spielen auch Songs, die die Menschen noch nicht gehört haben. Die größte Herausforderung für Amerikas Nummer eins in punkto Goldauszeichnungen aller Zeiten in allen Kategorien ist die Tatsache, dass wir aus vielen Songs in 44 Jahren Bandgeschichte wählen können. Wenn wir also eine Setlist zusammenstellen, ist es immer ein Kampf zwischen den Klassikern und manch selteneren Nummern. Aber seien wir ehrlich - wenn du ein Konzert der Rolling Stones besuchst und Mick Jagger entscheidet sich dafür, drei Songs vom aktuellsten Album zu spielen, ist das nicht der Zeitpunkt, an dem sich alle hinsetzen? Ich verspreche aber, dass wir auch ein paar Songs unserer neuesten Alben "Sonic Boom" und "Monster" spielen werden.

Du warst schon oft gern gesehener Gast in Wien und Österreich allgemein. Worauf freust du dich schon jetzt besonders?
Die Frauen bei euch sind spektakulär schön. Irgendwas muss da mit eurem Grundwasser oder eurer Milch sein. Und spätabends, wenn mich keiner mehr beachtet, dann suche ich wieder ein paar kleine Wiener Restaurants auf, um Gulaschsuppe und Wiener Schnitzel zu essen. Dazu ein kühles Holstein-Bier und Palatschinken als Nachtisch.

Es wird schon länger über ein weiteres KISS-Studioalbum gemunkelt. Wie ist die aktuelle Lage aus deiner derzeitigen Sicht?
Irgendwann in der Zukunft wird es eines geben, derzeit ist aber nichts in Planung. Wir sind derzeit zu stark damit beschäftigt, die ganze Welt zu betouren. Vor drei Tagen haben wir im Superdome in New Orleans gespielt. Das ist das größte Stadion in ganz Nordamerika. Wir waren dort die Könige des Mardi Gras. Unsere Terminkalender sind so voll, dass es derzeit aber nicht dazu kommen wird.

Arbeitet ihr so nebenbei an neuen Songs?
Wenn man mal außerhalb der Shows ein Instrument angreift, dann fließen immer neue Ideen heraus. Unlängst habe ich einen Song namens "Your Wish Is My Command" geschrieben. Darüber möchte ich später einmal sprechen. Ich veröffentliche Ende des Jahres noch ein Box-Set mit Songs, die die Leute da draußen noch nie gehört haben.

Ist es heute überhaupt noch zeitgemäß ganze Alben aufzunehmen?
Das große Problem sind nicht die Singles oder Alben, sondern Downloads und Filesharing. Für uns ist das weniger ein Problem, aber es trifft junge Bands. Da die Menschen Musik heute stehlen, können diese jungen Künstler kein Geld mehr verdienen, um damit zu überleben. Das ist sehr traurig. Von 1958 bis 1988 hattest du Elvis Presley, die Beatles, Jimi Hendrix, die Rolling Stones und all diese ewigen Ikonen. Sogar im Discobereich gab es mit Madonna, U2, Michael Jackson und Prince große Zugpferde. Doch 1988 begann die Downloadära und die großen Bands wurden ausgelöscht. Wer und wo sind denn die neuen Beatles?

Ist das der Grund, warum du - entgegen vieler anderer Musiker - gerne sagst, dass der Rock tot sei?
Der Rock ist nicht deshalb tot, weil es keine Talente geben würde. Es gibt viele großartige junge Bands, aber die Fans sind das Problem. Sie sind es gewohnt, dass sie die Musik gratis kriegen und nehmen den jungen Bands damit die Möglichkeit, die Musik Vollzeit zu machen. Alle müssen nebenbei in Jobs arbeiten und deshalb wird die Musik auch nicht mehr so gut. Du musst dich vollständig darauf fokussieren können.

Wie hat sich die Beziehung zwischen dir und Paul Stanley nach mittlerweile 43 Jahren bei KISS verändert?
Sie ist gleich wie immer. Wir widersprechen uns dauernd und streiten uns eigentlich wegen allem. Aber - bei den wichtigsten Themen sind wir uns immer einig. Respektiere die Fans, respektiere die Band und sorge dich um deine Familie. Wenn wir sagen, die Show beginnt um 21 Uhr, dann ist das auch so. Da ist kein Platz für dummen Drogen- oder Alkoholmissbrauch. Wir sind immer professionell. Alles andere ist nicht so wichtig. Wenn wir zwei ins Restaurant gehen, müssen wir uns auch nicht einig werden. Du bestellst Truthahn und Hummer, ich Wiener Schnitzel. Ist ja auch völlig egal.

Bei wichtigen Entscheidungen, denen Unstimmigkeiten voran gehen, müssen aber oft Entscheidungen getroffen werden. Hast du dann immer das letzte Wort?
Vielleicht.

Speziell in den 80er-Jahren hast du dich verstärkt auf die Schauspielerei konzentriert und Paul hat KISS über Wasser gehalten. Gab es damals Befürchtungen, KISS könne auseinanderbrechen?
Damals sah ich das nicht so, aber es stimmt schon. Je mehr Zeit du in eine Sache investierst, umso besser wird sie. Wir hatten mit "Revenge" dann Anfang der 90er wieder ein besseres Album, weil ich wieder voll in der Band war. Andererseits war ich wenig an "Creatures Of The Night" beteiligt und das Album war auch hervorragend. Musik ist eine seltsame Sache. Wenn die Zeit richtig ist, dann kann alles perfekt funktionieren. Musik funktioniert nicht nach einer Formel. Du kannst nichts ausfüllen oder nachmalen. Du sitzt immer vor einem leeren Blatt Papier und musst etwas Neues erschaffen. Manchmal ist es gut, manchmal eben weniger.

In erster Linie bist du ein respektierter und angesehener Geschäftsmann. Ist der Auftritt mit KISS live auf der Bühne immer noch das Highlight für dich, oder fühlst du dich in der Rolle des Geschäftsmannes wohler?
Auf der Bühne zu stehen ist immer noch das Wichtigste. Es ist wie Sex - du denkst nicht lange darüber nach, sondern machst es einfach. Man kann die zwei Sachen überhaupt nicht vergleichen. Derzeit bin ich gerade auf einem Businesssymposium in Kanada als Hauptsprecher und das macht mir Spaß. Ich schreibe zudem an einem neuem Buch namens "On Power", das wird der Nachfolger von "Me Inc.". Das Leben ist Business und das Business ist das Leben. An jedem neuen Tag, an dem du deine Augen öffnest, brauchst du Geld. Du musst essen, du musst wohnen, mit irgendetwas vorankommen. Alles kostet etwas, sogar wenn du nichts tust. Wenn du für dich selbst arbeitest und ein Unternehmen hast, dann ist da mehr im Spiel als bloß das Abbezahlen von Steuern. Man sollte ja auch etwas sparen, falls etwas passiert. Menschen sind wie Haie. Haie können niemals stillstehen, sie würden ertrinken. Sie müssen einfach immer schwimmen, um Luft zu kriegen und zu überleben. Das Business ist ähnlich, du musst immer in Bewegung bleiben.

Mit dem Vertrieb von Luftgitarrensaiten von KISS hast du dich im Marketing-Bereich einmal mehr selbst übertroffen. Gibt es noch andere Dinge, die du unbedingt auf den Markt bringen möchtest?
Ja, "Kisstianity", eine eigene Religion.

Saxon-Sänger Biff Byford hat mit dem Fachmagazin "Metal Hammer" einmal Heavy Metal als Religion eingeführt...
Heavy Metal ist ein eingeschränkter Begriff. Wir alle lieben die Rolling Stones, aber sie sind nicht Heavy Metal oder Rock. Wichtigste Regel: Limitiere dich nicht selbst. Benenne Dinge nicht beim Namen, sondern steh zu den Dingen, die du machst. Grunge war auch einmal ein sehr großes Wort, aber irgendwann starb die Bewegung und du warst als Band mit der bloßen Bezeichnung out. Dasselbe geschah auch schon öfters mit Pop. Deshalb: lass das bleiben. Wenn du Metallica magst, dann steh zur Band und nicht zum Namen des Genres dahinter. Die Rolling Stones, Metallica und die Beatles kommen aus drei verschiedenen Nischen, aber sie haben ein paar Sachen gemeinsam. Es gibt kein Playback, auf der Bühne siehst du keine hampelnden Disco-Jungs und sie spielen echte Gitarren.

Viele bezeichnen dich als den Donald Trump des Musikgeschäfts. Gefällt dir diese Bezeichnung?
Auf jeden Fall. Ich habe absolut kein Problem damit.

Abseits seiner streitbaren Tätigkeit als US-Präsident - ist er als Mann der Wirtschaft für dich ein Vorbild?
Ich hoffe, dachen Sinne weiterbringen. Wenn du ein Künstler, Autor oder Musiker bist und dein Werk gratis vergibst, ist es wertlos. Das sollte einfach niemand machen.

Du hast vorher kurz die physischen Aspekte einer KISS-Show angesprochen. Mit zunehmendem Alter wird es natürlich nicht einfacher, ein explosives 120-Minuten-Konzert zu liefern. Wie hältst du dich heute fit?
Ich trödle nicht herum und ernähre mich gut. Natürlich mag ich Kekse und Kuchen, aber ich bin oft im Fitnesscenter, schlafe ausreichend und trinke sehr viel Wasser. Am besten du machst einfach all die Sachen, die dir deine Mutter immer erzählt hat, denn sie hat garantiert recht damit. Bevor wir auf Tour gehen trainieren wir jeden Tag im Fitnesscenter.

Was ist dein absoluter Lieblingsteil einer KISS-Show?
Der Beginn. Kurz bevor wir die ersten Noten spielen, wenn du hörst, wie das Publikum durchdreht. Das ist ein unglaublich großes Gefühl, dort klopft dein Herz immer mindestens doppelt so schnell. Es ist so, wie wenn du kurz davor stehst, Sex zu haben. Wie bei allen Dingen im Leben liegt die größte Freude immer in der Jagd, und nicht am Erwischen selbst.

Gibt es irgendetwas in deinem Leben, wo du bereust, dass du dafür Geld investiert hast?
Gute Frage, aber ich würde sagen nein. Ich sorge mich nicht sonderlich um Dinge. Ich habe ein gutes Leben und ein schönes Haus, aber ich habe keine Yacht, kein Flugzeug oder solche Statussymbole. Darauf habe ich nie wirklich Wert gelegt und auch nie Geld dafür ausgegeben.

Am 21. Mai spielen KISS in der Wiener Stadthalle. Tickets erhalten Sie noch unter 01/588 85-100 oder unter www.ticketkrone.at.

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