Landei auf hoher See! Seit 40 Jahren pendelt Karl zwischen Obersteiermark und Ozean. Das Protokoll eines Mannes, der Lust auf Meer hatte.
Ich war noch ein Bub, als ich zum ersten Mal Fernweh gehabt habe. Da war diese Sehnsucht, tief in mir drin. Ein Gefühl wie Magendrücken und Schmetterlinge im Bauch. Wie Liebeskummer und Verliebtsein zugleich.
Doch bis auf die Landkarten in meinem zerfledderten Schulatlas habe ich nichts gewusst von der Welt. Ich bin in den 50er-Jahren auf einem Hof in der Obersteiermark aufgewachsen. Mein Vater ist noch vor meiner Geburt gestorben. Das Geld war knapp. Keiner aus meinem Umfeld ist damals viel herumgekommen.
Schiffe hatten mich fasziniert, und das Meer
Nur Träumen, das war uns erlaubt. Schiffe hatten mich fasziniert, und das Meer. Beides kannte ich nicht. Bei Hochwasser bin ich immer mit dem Schweinetrog die Wiese runtergefahren. Ich habe mir vorgestellt, ich wäre ein Matrose auf hoher See. Nach der Schule bin ich dann zur Lehre nach Graz. In eine Autowerkstatt. Dort hat immer ein großgewachsener Herr sein Cabrio reparieren lassen. Alle haben ihn nur "den Seemann" genannt. Er hat auf einem Schiff gearbeitet und ist oft monatelang in der Weltgeschichte herumgeschippert.
Nach meiner Gesellenprüfung habe ich ihn gefragt, wie man zu einem Job wie dem seinen kommt. Er hat mir daraufhin die Adresse von Hapag-Lloyd in Hamburg gegeben. Seiner Reederei. In dem Brief, den ich geschrieben habe, stand nur ein Satz: "Ich heiße Karl Kaufmann und möchte zur See fahren." Keine Woche später hatte ich schon eine Antwort. Ich war eingestellt - nur ein Gesundheitsattest sollte ich den Herrschaften vorlegen.
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Ich habe damals sofort gekündigt und bin zum Arzt gerannt. Danach habe ich den Zagreb-Express nach Hamburg-Altona genommen. Von dort ist es nur ein Katzensprung zum Hafen. Am 13. April 1977 ist ein Frachtschiff Richtung Amerika ausgelaufen. Mit an Bord: Ich! Karl Kaufmann, ein Bauernbursche aus der Obersteiermark. Ich war als Maschinenhelfer eingeteilt und verantwortlich, dass sich die Schiffsschraube richtig herumdreht.
In Texas bin ich zum ersten Mal an Land gegangen. Überall standen Polizisten herum, die wie John Wayne ausgesehen und zwei Pistolen gehalten haben. In jeder Hand eine. Freilich hatte ich ein mulmiges Gefühl. Vor meiner Mannschaft hätte ich das aber niemals zugegeben!
Schnaps und Mädchen: An dem Klischee ist was dran
Schnaps und leichte Mädchen - ehrlich gesagt ist an diesem Seefahrer-Klischee tatsächlich etwas dran. Früher zumindest. Heute geht es gesitteter zu. Bei mir sowieso. Denn ich habe vor 22 Jahren meine Frau auf einem Karibik-Frachter kennengelernt.
Wie einst der Seemann mit dem Cabrio, habe auch ich die Hälfte meines Lebens auf dem Wasser verbracht. Ich bin auf dem Amazonas durch den Regenwald gefahren und über den Panamakanal nach Neuseeland. Ich hatte Buckelwale vor der Nase, Krokodile und Affen. Und am Südpol Tausende Pinguine. Drei davon stehen heute ausgestopft in meinem Haus in Sankt Peter am Ottersbach.
Nur das Träumen, das darf man nicht verlernen!
Englisch, Spanisch, Malaysisch, Indonesisch, Portugiesisch, Italienisch - sogar in sechs Sprachen kann ich mich heute verständigen. Ich habe meine Geschichte erzählt, weil ich zeigen will: Die eigene Herkunft verdammt einen noch lange nicht zu einem Leben, das man nicht führen will. Nur das Träumen, das darf man nicht verlernen! Irgendwann kann man nach den Sternen greifen. So weit weg sind sie nämlich gar nicht.
TIPPS UND INFOS:
Brigitte Quint, Kronen Zeitung
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