"Krone"-Interview

Me & That Man: In Schwarz verbunden

Musik
18.04.2017 10:51

Adam Nergal Darski ist Frontmann der polnischen Black-Metal-Band Behemoth, John Porter ein aus England nach Polen emigrierter Singer/Songwriter. Beide unterscheidet nicht nur der Zugang zu ihrer Kunst, sondern auch eine Alterskluft von etwa 30 Jahren. Der kleinste gemeinsame Nenner ist ihr Nebenprojekt Me & That Man, mit dem sie gediegenen Country mit Neo-Folk und Dark-Wave-Anleihen verbinden. Vor ihrem Österreich-Debüt im Wiener B72 baten wir die beiden unterschiedlichen Hauptprotagonisten zum Gespräch, um über den Ursprung der Band, Gesangsunterricht, zerstörte Johnny Cash-Platten und Brutalität in der Ruhe zu reden.

(Bild: kmm)

"Krone": Nergal, John - die Legende besagt, dass ihr das Projekt Me & That Man gegründet habt, weil ihr eine polnische Version der legendären Highwaymen ins Leben rufen wolltet…
Nergal: Das ist richtig. Ein Typ namens Maciej Malenczuk wollte ein Country-Tribute-Album aufnehmen und dabei unter anderem den Highwaymen auf polnische Art und Weise huldigen. Ich habe dann John und die anderen Jungs gefragt und wir haben zu viert einen Song gesungen - das war vor etwa vier Jahren und der erste Startschuss für alles kommende in diese Richtung.

Ihr kommt aus komplett verschiedenen Welt, was die Musik betrifft. Gerade das hat euer Projekt wohl besonders attraktiv gemacht?
John Porter: Wir spielen beide Gitarre und singen auch beide. So unterschiedlich sind wir gar nicht. Die Grundsätze sind jedenfalls einmal dieselben.

Dennoch ist es nicht alltäglich, dass ein Black Metaller mit einem Singer/Songwriter zusammenarbeitet. Was ist der kleinste gemeinsame Nenner zwischen euch?
Nergal: Wir sind beide immer schwarz gekleidet. (lacht)
Porter: Wir haben den Leuten ordentlich vor den Kopf gestoßen, als wir begannen zusammenzuspielen. Als wir uns lange darüber unterhalten haben, welche Alben wir mögen und welche Künstler wir bewundern sind wir schnell draufgekommen, dass die Unterschiede gar nicht mal so extrem sind. Wir fanden viele Bezugspunkte.

Wie teilt ihr die Arbeit bei Me & That Man auf? Was macht euch als Projekt aus, wenn ihr an den Nummern arbeitet?
Nergal: Das ist gar nicht schwierig, denn wir spüren sehr schnell, ob eine Idee gut oder schlecht ist. Ist sie unzureichend, wird sie nicht im Ansatz weiterverfolgt. Da ist kein großes Geheimnis dahinter. Am Ende hat John wahrscheinlich mehr Songs geschrieben, weil er fast alle Bonustracks geschrieben hat. Am Album sind wir ziemlich fair aufgeteilt, aber auch die Musik und die Lyrics sind ziemlich brüderlich geteilt.
Porter: Wir haben keine klassische Rollenverteilung in unserem musikalischen Haushalt. Das ist nicht so wie bei Paul McCartney und John Lennon, wo jeder den anderen übertreffen will. Wenn einer eine Idee hat, dann wird sie umgesetzt oder eben nicht. Wir arbeiten extrem offen und sehr vorurteilsfrei. Es gibt keine konkreten Inspirationen, wir versuchen einfach einen möglichst breiten Blickwinkel zu haben, um uns nicht zu limitieren.
Nergal: Das Songschreiben ist bei uns so wie das Pokémon-Fangen. (lacht) Du erwischt nicht jeden, aber hie und da einen richtig guten.

Der Albumtitel "Songs Of Love & Death" ist eine ziemlich offensichtliche Hommage an den legendären Leonard Cohen…
Nergal: Ach, das stimmt so gar nicht. Es klingt offensichtlich, aber so einfach war das gar nicht. Wir hatten unsere Originalidee für den Albumtitel verworfen und ihn durch "Songs Of Love & Death" ersetzt. Ich habe dann die Geschichte hinzugefügt. Nachdem Cohen leider verstorben ist, bekommt das Wort Hommage eine gewichtige Bedeutung, aber als Tribute war das anfangs nicht geplant.

Was fasziniert dich so an lyrischen Poeten und hingebungsvollen Songwritern? Deine Welt ist die extreme des technisch anspruchsvollen Black Metal, eine völlig andere…
Nergal: Ich weiß es nicht genau. Es ist irgendetwas, dass mich direkt am Herzen gepackt hat und mich dazu bringt, dass ich mich am liebsten in einen Werwolf verwandeln und den Mond anheulen würde. Ich liebe diese Musik und den Zugang, den Musiker dazu haben. Ich habe diese Faszination schon vor Jahren gefunden und sie hat sich immer mehr verstärkt. Wenn du etwas hörst und magst, dann kommt der Moment, wo du es für dich haben willst. Diesen Wunsch erfülle ich mir nun mit diesem Projekt.

Warum hast du dann nicht schon viel früher damit angefangen, dich in dieser Musik selbst zu verwirklichen?
Nergal: Habe ich auch. Es gibt schon ein paar Dinge, die man online wahrscheinlich ergoogeln kann, aber professionell war davon natürlich nichts. Ich habe viel experimentiert und versucht, mich ein bisschen in diese Thematik zu versetzen. Ich habe oft versucht, diese Blues-getriebene Musik zu forcieren.
Porter: Den "Necroblues".

Nergal, du hast dich in einem Interview als geborenen Optimisten bezeichnet. Wie kommst du mit dieser Einstellung dazu, für Me & That Man derart dunkle, sinistre Texte zu schreiben?
Nergal: Widersprüche ziehen sich an. Das Böse muss ja nicht immer pessimistisch sein oder? (lacht) Die inhaltsvollen Texte geben der ganzen Band die richtige Dynamik. Für mich ist das der Grund, warum alles so gut läuft und das ist doch wieder ziemlich optimistisch gedacht oder? (lacht)
Porter: Ich glaube, ich muss diese Band verlassen. Mir ist das alles schon zu fröhlich hier. (lacht)

(Bild: Christoph Kaltenböck)

Sucht ihr nach dem Kern der Singer/Songwriter-Kunst, wenn ihr an Songs für dieses Projekt schreibt? Nach der puren, unverfälschten Rohheit handgemachter Musik?
Porter: Ich denke, wenn du einen Song komponierst, dann geht es dir in erster Linie darum, einen Moment deines Daseins einzufangen. Du willst eine aktuelle Erfahrung für die Nachwelt festhalten und hast dafür deine Antennen ausgefahren.

Nergal, mit diesem Namen bist du bei Behemoth in deinem Genre zum weltweit bekannten Musiker mutiert. Warum hast du dich für Me & That Man nicht einfach nur mit deinem bürgerlichen Namen, Adam Darski, benannt?
Nergal: Weil Nergal genauso wie Adam ein legaler Name ist, der in meinem Reisepass steht. Adam ist mein Geburtsname und Nergal habe ich mir als Erwachsener verpasst. Ich bin einfach Adam Nergal Darski, das ist meine Persönlichkeit und da steckt auch nicht mehr dahinter.

Ihr habt viele überraschende Elemente auf dem Album versammelt. Etwa einen Kinderchor im Song "Shaman Blues", wo ihr über eine "black pearl in her pussy" singt. Ist das Provokation Jahr 2017?
Porter: Das ist eine Frage der Überraschungskraft. Die Leute fragen sich, was das jetzt soll und warum genau so etwas an dieser Stelle passiert - genau so sollte Musik sein. Erwartet das Unerwartete. Die Menschen waren etwas schockiert, als sie den Kindergesang hörten, aber das war essenziell für uns. Kinder sind unschuldig und sie singen geradeaus aus ihren Herzen. Ohne Kommentare, Sarkasmus oder Bewertung. Sie sind das pure Reine.
Nergal: Wenn Pink Floyd "we don't need no education" sangen, war das schon aufwühlend. Aber bei uns reißt man erst einmal wirklich die Augen auf und fragt sich, was da gerade passiert. (lacht)

Habt ihr euch während des Schreib- und Aufnahmeprozesses auch immer wieder selbst überrascht?
Nergal: Ich habe es geschafft, simple Melodien zu erschaffen. Ich lernte richtig zu singen und habe mich beim Storytelling stark entwickelt. Ich hatte bei manchen Songs einen Anfang und ein Ende. Solche Geschichten hatte ich noch nie zuvor erzählt.
Porter: Zu singen war seine größte und auch mutigste Herausforderung.
Nergal: Es ist ein interessanter und aufregender Prozess, wenn man immer etwas Neues lernt. Ich war 38 als ich das erste Mal richtig zu singen begann. Es ist einfach cool, wenn man nach 20 Jahren, wo man die ganze Welt mehrmals betourt hat, etwas völlig Neues erfährt und begreift. Ich liebe es, mich immer wieder neu zu finden. Es geht auch darum, seine Komfortzone zu verlassen.

John, könntest du dir vorstellen, deine Komfortzone zu verlassen, um einmal Metal zu machen?
Porter: (lacht) Ist das nicht schon genug M Es gibt so viel Musik, die nicht hart ist, aber dennoch unheimlich extrem. Zum Beispiel Diamanda Galás oder auch David Bowie. Ich mag einfach verrückten, abgedrehten Stoff, der dich verstört und aus den Angeln hebt. Es gibt so viele Genres außerhalb des Metalbereichs, die extrem radikal klingen und keine verzerrten Gitarren brauchen, um wild zu sein. So etwas fasziniert mich und ich denke, dass wir das bei Me & That Man in manchen Songs genauso schaffen. "Better The Devil I Know" hat für mich einen Swans-Touch. Hier erschreckt dich die Spannung und nicht der Metal.

Ist es manchmal langweilig und ermüdend, immer nur schnellen, radikalen Metal zu spielen?
Nergal: Wir versuchen bei Behemoth natürlich auch im extremen Bereich sehr vielschichtig und schwer fassbar zu klingen. Langweilig ist also das falsche Wort. Aber wenn du "Christians To The Lions" 500 Mal spielst, dann hast du auch mal Lust auf etwas anderes. Wenn du länger im Geschäft bist, hast du viele Songs, aber die Leute wollen trotzdem immer dieselben hören. Dieses Problem kennen alle Musiker, die lange im Geschäft sind. Du versuchst also immer einen Ausweg zu finden, um dich auf der Bühne selbst herauszufordern. Wenn du immer dieselben Hits spielst, wird das fad. Aber andererseits - kannst du dir eine Rolling Stones-Show ohne "Satisfaction" vorstellen? Das geht einfach nicht.
Porter: Das Schlimmste was du tun kannst, ist einen neuen Song live zu spielen. Das ist zu 98 Prozent der Moment, wo alle aufs Klo gehen oder sich das nächste Bier holen. Wirklich happy ist dabei meist nur der Musiker selbst. (lacht)

(Bild: Christoph Kaltenböck)

Das kann euch nicht passieren, denn ihr überrascht die Menschen ja ausschließlich mit neuen Songs, die noch nicht abgenutzt sind.
Porter: Im Moment noch, ja. Wer weiß wie lange das gutgeht. (lacht)

Nergal, vor allem du spielst mit deiner Hauptband normalerweise in großen Hallen, manchmal sogar Arenen. Jetzt geht es durch die kleinsten Locations in Europa. Wie fühlt sich das für dich an?
Nergal: Das ist einfach cool. Du siehst sie direkt, du riechst die Leute und musst meist sogar durch die Menge, um überhaupt auf die Bühne zu kommen. Du musst aufpassen, keinen mit dem Instrument zu erschlagen. (lacht)

Inwieweit ist euer Altersunterschied fruchtbar für den Produktionsprozess?
Porter: Ich hab ihm jeden Tag im Studio gesagt, er solle die Schnauze halten, weil ich doppelt so alt bin. (lacht) Nein, Spaß beiseite. Es zieht jeder nur Vorteile daraus. Er kann seine Metal-Einflüsse auf die Akustikgitarre lenken und mit meinen basischen Root-Einflüssen aus den 60er-Jahren vermischen. Nur so kann etwas ganz Eigenes entstehen. Das Alter hat damit überhaupt nichts zu tun, aber dass wir aus verschiedenen Welten kommen, macht das alles erst besonders.
Nergal: Ich bin der Meinung, dass John mit seinen Fertigkeiten Me & That Man erst wirklich relevant macht. Würde ich das alleine machen, würde mich alle nur als Möchtegern-Cowboy sehen, aber das stimmt nicht. Ich nehme dieses Projekt total ernst und liebe es, ich bin nur kein organischer Part dieser alten Singer/Songwriter-Welle. Ich war nicht da, also lerne ich von dem, der diese Welt kennt und sie beherrscht.

Es ist dennoch nur ein ambitioniertes Side-Project für euch. Wie viel Zeit könnt und wollt ihr künftig darauf verwenden?
Porter: Das werden wir erst sehen, schwer zu sagen.
Nergal: Wir haben erst damit begonnen. Vor dieser Tour hatten wir noch gar keine Vorstellung davon, aber wir sind schnell draufgekommen, dass diese Songs die Livebühne suchen und brauchen. Die Nummern reißen das Publikum mit, sie funktionieren auch in größerem Rahmen und das ist für uns wie Benzin. Es bestätigt uns in unserer Arbeit und motiviert uns, mehr zu machen. Begonnen haben wir mit einer kleinen Tour in Polen und da der Erfolg und das Feedback dort spektakulär waren, haben wir beschlossen, den Rahmen auszuweiten. Derzeit herrschen noch viele Fragezeichen.
Porter: Es ist angenehm zu sehen, dass sich viele Sorgen von selbst aufgelöst haben und alles schön fließt. Keiner muss etwas aus seinem Leben aufgeben, um hier Spaß zu haben. Statt einer fetten Produktion brauchen wir nur ein schwarzes T-Shirt und eine Akustikgitarre - das reicht aus. (lacht)
Nergal: Wir touren mit einer extrem simplen Struktur, auch das ist etwas völlig Neues für mich.

Ein wichtiger Baustein deiner Karriere war schon immer die Provokation. Egal, ob mit Behemoth oder auch als Privatperson - in Polen ist das gar nicht so schwer. Ist Provokation auch ein wichtiger Teil von Me & That Man?
Porter: Er hat Johnny Cash-Vinyl zerstört - wie viel mehr Provokation verträgt die Welt? (lacht)
Nergal: Das Ziel ist es, simple, coole und ehrliche Songs zu spielen. Das haben wir geschafft. Es gibt ein verkehrtes Kreuz im Foto und wir sind in Polen, das ist Provokation genug. Vor allem, wenn diese Logos dann im ganzen Land verstreut von Plakatwänden hängen. Ich liebe das, diese Freude am Unangepasstsein werde ich nie verlieren. Wir haben so viele intellektuelle Armleuchter in diesem Land, die ich seit Jahrzehnten provozieren kann, das ist auch eine gewisse Art von Spaß.

(Bild: Christoph Kaltenböck)

Ihr hat auch unheimlich viele Videos für die einzelnen Me & That Man-Songs gedreht…
Nergal: Ach, da kommt noch mehr. Ich stehe total drauf, dieses Low-Budget-Zeug zu erstellen. Es macht unheimlich viel Spaß und mit den Inhalten zu spielen. Bei Behemoth kannst du so etwas nicht machen, weil das dort alles eine Riesenshow sein muss. Hier brauchst du nur eine Idee, eine Kamera und etwas Zeit - los geht's! Das Visuelle unterstützt das Verständnis für die Inhalte und auch der Promotion-Faktor ist nicht zu unterschätzen. Dass "My Church Is Black" bald schon eine Million YouTube-Klicks hat, ist der Wahnsinn und für eine Debütband sensationell. Auch die anderen Songs sind gut im Rennen. Wir werden zumindest zwei weitere, wenn nicht sogar mehr Videos veröffentlichen und die werden noch besser sein.
Porter: Mein Tipp ist: hört bei uns einfach auf zu denken und genießt die Musik.
Nergal: Wir sind nicht hier, um zu predigen. Macht euch euren eigenen Reim aus den Songs, aber genießt sie, so gut es geht.

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