Mindestens bis Juli
Erdogan verlängert Ausnahmezustand in der Türkei
Nach dem umstrittenen Sieg von Präsident Recep Tayyip Erdogan beim Verfassungsreferendum ist der Ausnahmezustand in der Türkei verlängert worden. Das Parlament in Ankara stimmte am Dienstag der zuvor von der Regierung beschlossenen Verlängerung um drei Monate zu, wie die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu meldete. Damit kann Erdogan mindestens bis zum 19. Juli weiter per Dekret regieren. Die Versammlungsrechte bleiben eingeschränkt.
Der Nationale Sicherheitsrat hatte in der Nacht auf Dienstag unter Vorsitz von Erdogan eine Verlängerung empfohlen. Zur Begründung hieß es, die Maßnahme diene "dem Schutz unserer Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit sowie den Rechten und Freiheiten unserer Bürger". Das Kabinett beschloss die Verlängerung anschließend ebenfalls unter dem Vorsitz Erdogans. Mit der neuerlichen Verlängerung wird der Notstand im Juli rund ein Jahr in Kraft sein.
Ausnahmezustand schon seit Putschversuch im Juli
Der nach dem Putschversuch im Juli 2016 ausgerufene und seither schon zweimal verlängerte Ausnahmezustand ermöglicht es Erdogan, Dekrete mit Gesetzeskraft zu erlassen, die auch ohne Zustimmung des Parlaments mit ihrer Veröffentlichung im Amtsanzeiger wirksam werden. Der CHP-Abgeordnete Baris Yarkadas warf der Regierung vor: "Sie können dieses Land nicht ohne Ausnahmezustand regieren. Sie sind eine Regierung geworden, die abhängig ist vom Ausnahmezustand."
Regierungsgegner rufen zum Protest gegen Erdogan auf
Für Dienstagabend riefen Regierungsgegner zu neuen Protesten gegen Erdogan auf. In Istanbul und anderen Städten hatten am Montagabend einige Tausend Menschen demonstriert. Anrainer brachten ihren Protest durch Schlagen auf Kochtöpfe zum Ausdruck. Nach Angaben der Zeitung "Hürriyet" wurden in Izmir, Antalya und Eskisehir insgesamt 43 Demonstranten festgenommen.
Anfechtung, Proteste: Erdogan-Gegner werden lauter
Oppositionspartei betragt Annullierung des Referendums
Die größte Oppositionspartei CHP beantragte am Dienstag bei der Wahlkommission offiziell die Annullierung des Referendums. Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu zweifelte erneut die Legitimität der Abstimmung an und übte scharfe Kritik an der Wahlkommission. "Dieses Referendum ist suspekt", sagte er am Dienstag bei der Fraktionssitzung seiner Partei im Parlament in Ankara. Zudem habe die Wahlkommission "gegen das Gesetz verstoßen". Kilicdaroglu sagte, der Antrag auf Annullierung des Referendums werde für die "Ehre von Millionen Bürgern" eingebracht, die für "Nein" gestimmt hätten. Experten räumen dem Antrag kaum Aussichten auf Erfolg ein.
OSZE und Europarat kritisieren Zustände in der Türkei
Die internationalen Wahlbeobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und des Europarates kritisierten, unter dem Ausnahmezustand seien Grundfreiheiten eingeschränkt gewesen, "die für einen demokratischen Prozess wesentlich sind". Erdogan wies die Kritik zurück. Das mit dem Referendum angenommene neue Präsidialsystem verleiht dem Staatsoberhaupt deutlich mehr Macht, die Umsetzung erfolgt allerdings schrittweise. Vorerst bleiben der Ministerpräsident und die Regierung im Amt. Erst nach Wahlen, die für November 2019 geplant sind, wird der Präsident sowohl Staats- als auch Regierungschef. Die Opposition befürchtet eine Ein-Mann-Herrschaft.
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