Carpe Diem

Barock-Genuss in Prag erleben

Reisen & Urlaub
22.04.2017 16:00

Tschechien feiert 2017 das Jahr des Barocks. Ein guter Grund, in der Haupstadt Prag gerade jetzt den Leitspruch dieser prachtliebenden, sinnesfeudigen Epoche - Carpe Diem - umzusetzen und ein paar Tage besonders intensiv zu genießen! Lesen Sie mehr darüber in der Reportage von Brigitte Egger.

Das Barock - ursprünglich eigentlich zur Beschreibung unregelmäßig geformter Perlen in Portugal geprägt - war in Böhmen und Mähren die große Zeit der Habsburger. Im 18. Jahrhundert war Prag eine riesige Baustelle, wurde von führenden Architekten aus ganz Europa mit neuen Palais, Kirchen, Bürgerhäusern und Stadttoren ausgestattet, Klöster umgebaut, alles mit prächtigen Statuen geschmückt. Das barocke Herz des Kontinents entstand, sein Inbegriff, die weltweit einzigartige Skulpturenallee auf der Karlsbrücke, zieht noch heute jeden Besucher sofort in ihren Bann.

Das "Prager Venedig"
Bei der Karlsbrücke ist auch der ideale Start für eine Schifffahrt auf der Moldau, zum Beispiel in kleinen Holzbooten, ins "Prager Venedig" am verträumten Èertovka-Kanal. Dort und bei der Insel Kampa wird man tatsächlich an die Lagunenstadt erinnert und bekommt alte Sagen zu hören.

Mehr davon, und zwar in originell lebendiger Form, gibt es bei den beliebten Gespensterführungen durch geheimnisvolle Passagen der Altstadt. Ein weiß geschminkter "Geist" in wallendem historischem Gewand führt zu den Schauplätzen uralter Legenden, erzählt von tragischen Schicksalen schöner Frauen, die sich mit dem Teufel eingelassen haben, von der nackten Cäcilie, von einem Nachtwächter, der um seinen Kopf kam, vom Wassermann und vielem mehr. Immer wieder gibt es plötzliche Unterbrechungen durch andere fantasievoll kostümierte Gespenster: So wird Geschichte greif- und spürbar, und auch wenn die Legenden aus dem Mittelalter sind, wirkt die Führung typisch barock und sinnesfroh.

Prag bei Nacht (Symbolfoto) (Bild: thinkstockphotos.de)
Prag bei Nacht (Symbolfoto)

Die Barrandov-Filmstudios
Auf ähnliche Weise lässt sich barocker Geist auch in den berühmten Barrandov-Filmstudios, die zu Europas ältesten und größten zählen, empfinden. 1933 von den Brüdern Havel - Vorfahren des verstorbenen Bürgerrechtlers und Präsidenten - eröffnet, sind sie bis heute höchst erfolgreich in Betrieb. Mehr als 2500 Filme sind dort entstanden - von "Amadeus" und dem James-Bond-Streifen "Casino Royale" bis zu den "Chroniken von Narnia", der US-Serie "Knightfall", Märchen-Klassikern wie "Aschenbrödel" und historischen TV-Produktionen über Lucrezia Borgia, Prinz Eugen, Friedrich II., Ludwig II. und zuletzt Maria Theresia.

Es gibt ein Museum, ein entzückendes Kaffeehaus mit "echten" Film-Möbelstücken aus den verschiedensten Epochen und vor allem einen beeindruckenden Fundus zu sehen: 10.000 Möbelstücke, 65.000 kleinere Requisiten, 20.000 Teppiche und Vorhänge, 200 Kutschen, 20.000 Paar Schuhe, 9000 Perücken und 240.000 Kostüme. Wer mag, darf im Zug einer Führung sogar anprobieren und wird von Experten geschickt zum Star - oder zumindest Komparsen - aus historischen Filmen gestylt. Unglaublich, wie ein Kleid mit geschnürter Korsage und riesigem Reifrock, ein Hütchen und ein Fächer eingefleischte Jeans-Trägerinnen zu elegant lustwandelnden Barock-Damen macht und ein bestickter pastellfarbener Anzug mit weißen Wadenstrümpfen modisch desinteressierte Herren zu Kavalieren der Mozart-Zeit.

Zum Mozart-Dinner im denkmalgeschützten neobarocken unterirdischen Boccaccio-Ballsaal dürfen die kostbaren Kostüme aber leider nicht ausgeführt werden. Das Publikum, dem an zierlichen Tischen ein barocken Rezepten nachempfundenes Menü serviert wird, ist modern gekleidet - die jungen Sänger und Musiker, die dazu die bekanntesten Arien und Menuette von Wolfgang Amadeus Mozart konzertreif zum Besten geben, treten natürlich stilecht auf.

Mozart in Prag
Zu seinen Lebzeiten war Mozart in Prag übrigens beliebter als in Wien, er selbst dirigierte dort seine Oper "Figaros Hochzeit", die den Wienern nicht besonders gefallen hatte, mit enormem Erfolg, und seine Symphonie in D-Dur ist seit ihrer Uraufführung an der Moldau als "Prager Symphonie" bekannt. Der sinnesfrohe Komponist war beim Adel der böhmischen Hauptstadt willkommener als in Wien, und auch das Volk liebte seine Melodien. "Hier wird nichts gespielt, geblasen, gesungen, gepfiffen als Figaro, keine Opera besucht als Figaro und ewig Figaro, gewiss eine große Ehre für mich", schrieb er einem Freund.

(Bild: thinkstockphotos.de)

Dass Barock aber nicht nur in Architektur- und Musikgenuss besteht, war sicher auch für Wolfgang Amadeus klar: Es ist gleichermaßen Synonym für künstlerische Pracht wie für alle Sinnesfreuden - auch in kulinarischer Hinsicht.

Kulinarische Genüsse
Tschechische Küche ist seit mehr als hundert Jahren für Klassiker wie Entenkeule, Schweinsbraten, Wild, Knödel in all ihren Variationen und vor allem Mehlspeisen wie Buchteln, Liwanzen und Powidltatschkerln legendär - in Kombination mit den weltberühmten Bieren ein sehr opulenter Genuss. Nicht umsonst waren die Köchinnen, die nach Wien geholt wurden, als Böhmen noch bei Österreich war, nicht nur für ihre Kochkünste, sondern auch für ihre barocken Formen berühmt, und nicht nur der Protagonist eines berühmten Wienerliedes holte sich deshalb als Braut "a echte Wienerin aus Brinn" ...

Barocke Körperfülle ist heute (leider) nicht mehr so begehrt, auch Tschechiens Küche hat sich deshalb der modernen Zeit angepasst. Im Zug des Barock-Jahres stehen in vielen Prager Restaurants liebevoll adaptierte historische Rezepte auf den Menüs. Auch das Food Festival bietet heuer vom 6. Mai bis zum 20. Juni unter dem Motto "Barock auf dem Teller" 40 Stände mit interessanten Köstlichkeiten und auch Workshops, alles zu bodenständigen Preisen und noch dazu auf dem Gelände des historischen Vyehrad, mit fantastischer Aussicht.

Ein Grund mehr für einen Prag-Besuch gerade in diesem Frühjahr, und nicht vergessen: Carpe Diem!

Brigitte Egger, Kronen Zeitung

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