"Windows RT 2.0"

Droht Microsoft mit Windows 10 S neues Debakel?

Web
04.05.2017 16:20

Microsoft hat am Dienstagabend eine neue Version von Windows 10 enthüllt: das abgespeckte und primär für den Bildungsbereich gedachte Windows 10 S. Das neue System hält Nutzer an der kurzen Leine. Sie dürfen nur Programme aus dem Windows Store installieren, den Standardbrowser nicht ändern und nicht einmal den Suchanbieter wechseln. Branchenkenner fühlen sich an die dunklen Kapitel der Microsoft-Geschichte erinnert.

Erinnern Sie sich noch an Windows RT? Die auf ARM-Tablets portierte Version von Windows 8 war für Microsoft ein veritabler Flop. Niemand wollte das abgespeckte Windows mit Store-Zwang, weil es kaum kompatible Software dafür gab. RT wurde schon nach kurzer Zeit eingestellt, Käufer entsprechender Geräte ließ man im Regen stehen.

Das Thema Browserzwang überschattet ebenfalls die Microsoft-Geschichte: Schon in der zweiten Hälfte der Neunziger hagelte es Kritik an Microsoft, weil das Unternehmen mit aller Macht versuchte, seinen Internet Explorer zum dominierenden Browser zu machen. Weil man ihn zum Standardbrowser von Windows beförderte, gelang das auch. Microsoft hielt an dieser Taktik fest, wurde letztlich 2013 von der EU zu 561 Millionen Euro Kartellstrafe verdonnert. Microsoft habe seine Marktmacht missbraucht, so die EU-Wettbewerbshüter.

Windows 10 S: Rückkehr in die "dunkle Zeit"?
Seither haben Windows-Nutzer prinzipiell die freie Browser-Wahl. Zumindest bis jetzt: Mit Windows 10 S wird ihnen dieses Recht laut Microsoft-FAQ wieder entzogen. Microsofts abgespecktes Windows 10 hält die User - offiziell aus Gründen der Performance, Akkulaufzeit und Sicherheit - an der ganz kurzen Leine. Anwendungen, die aus anderen Quellen als dem Windows Store stammen, sind tabu. Als Standardbrowser ist Microsoft Edge tief ins System integriert. Und beim Suchanbieter ist man - wenn man nicht gerade im Browser Google aufruft - an Bing gebunden. Microsoft-Beobachter äußern deshalb Kritik an Windows 10 S - etwa im Wirtschaftsmagazin "Forbes" oder beim IT-Portal "CNET".

Der Internet-Explorer-Nachfolger Edge kommt mit einem minimalistischen Interface. (Bild: Microsoft)
Der Internet-Explorer-Nachfolger Edge kommt mit einem minimalistischen Interface.

Viele fühlen sich durch Windows 10 S an dunkle Zeiten in der Microsoft-Geschichte erinnert. Manch einer spricht von einem "Windows RT 2.0", befürchtet ein ähnliches Schicksal wie beim gescheiterten ARM-Betriebssystem. Bei Forbes spricht man im Zusammenhang mit dem Windows Store nach wie vor von einer "Ödnis".

Einig ist man sich darin, dass die Einschränkungen, die Microsoft Windows-10-S-Nutzern auferlegt, selbst im Betrieb in der Schule oder auf der Uni problematisch sein können. Es gibt durchaus Bildungs-Software, die man nicht aus dem Windows Store herunterladen kann. Und junge Menschen ins Software-Ökosystem von Microsoft zu zwängen, statt ihnen die freie Wahl beim Browser oder Suchanbieter zu lassen, stößt ebenfalls vielen sauer auf.

Wer volle Kontrolle will, zahlt drauf
Immerhin: Windows 10 S kann man nachträglich - gegen Bares, versteht sich - in Windows 10 Pro umwandeln, wenn man will. Damit können die Nutzer das Korsett, in das Microsofts restriktives Windows sie pfercht, wieder ablegen. Viele stellen sich aber die Frage, wieso man sich überhaupt auf die vielen Einschränkungen von Windows 10 S einlassen sollte.

Gut, bei besonders günstigen Laptops drückt das System durch geringe Lizenzkosten den Preis. Aber gerade bei Microsofts neuem Surface Laptop gilt dieses Argument nicht: Hier legt der Kunde günstigstenfalls 1150 Euro hin - und bekommt ein Gerät, über das er nicht zur Gänze Herr ist. Bis Jahresende will Microsoft Windows 10 S am Surface Laptop gratis in die Pro-Version umwandeln, danach haben die Käufer Zusatzkosten.

Bedenken gegen Microsofts Vorgehen gibt es aber nicht nur, weil sich durch das restriktive System die Nutzer entmündigt fühlen könnten. Bei "CNET" weist man auch darauf hin, dass die Hauptzielgruppe Kinder und Jugendliche bei Windows 10 S den Eindruck gewinnen könnte, Microsoft Edge sei der einzige Browser und Bing die einzige Suchmaschine - schlicht, weil sie keine Alternativen haben. Spinnt man den Gedanken weiter, wären Nutzer von Windows 10 S einer Art Zensur ausgeliefert, immerhin filtert jede Suchmaschine nach anderen Regeln.

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