Echter Härtetest

Mit der E-Klasse quer durch Kasachstan

Motor
14.01.2009 13:52
Ist der Ruf erst ruiniert, protzt es sich ganz ungeniert. Nach diesem Motto hat Mercedes-Benz eine Tour gestartet, die ihresgleichen sucht. 60 Fahrzeuge, die meisten E-Klassen der neuesten Generation, starteten in Paris gen Osten. 13.600 Kilometer, acht Landesgrenzen. Das Ziel: Peking und die Wiederherstellung des ramponierten Rufes der E-Klasse.

Es war Feuer am Dach der Stuttgarter. Noch auf der Heimfahrt vom Flughafen nach meiner Rückkehr von „Leg 3“ der Tour (vom russischen Jekaterinburg in kasachische Almaty kurz vor der chinesischen Grenze) ließ der Taxifahrer an der letzten Version der E-Klasse kein gutes Haar. Er wolle seine Uralt-E-Klasse (aus den guten alten Zeiten) weiter fahren, bis man bei Mercedes wieder vernünftige Autos baut, ohne anfälligen Elektronikschrott und Plastik.  

Rufpolitur - leicht ist was anderes
Ich mühte mich redlich, ihn davon zu überzeugen, dass das Thema Zuverlässigkeit keines mehr ist. Schließlich hatte ich gerade rund 2.500 Kilometer innerhalb von vier Tagen mit einem E 320 CDI zurückgelegt. Und der glänzte mit einer auffallend souveränen Unauffälligkeit, die die Fahrt über Stock und Stein zu einer Erholungsfahrt machte. Da klapperte nichts, da funktionierte nur einfach alles. Wäre da nicht die etwas laute Lüftung, es gäbe nichts auszusetzen. Einsteigen, losfahren und die Landschaft genießen. Und wenn uns (also meinen amerikanischen Beifahrer und mich) etwas interessierte, sind wir einfach abgebogen. Mitten in die kasachische Steppe, ins Gelände, wo man normalerweise keine Limousine hinschickt, die noch ein paar tausend Kilometer halten soll. Dort sind etwa die wunderbaren Aufnahmen vom Balchaschsee entstanden (siehe Linkbox). 

Die Organisatoren der Zuverlässigkeitsfahrt überließen natürlich nichts dem Zufall. Sogar den Sprit für die Fahrzeuge brachten die Stuttgarter im Tankwagen mit, damit sich die teuren Sechszylinder nicht am kasachischen Fusel verschlucken, ein Werkstattteam war dabei, Michelin-Reifenservice, einige G-Klassen für Arbeiten im schweren Gelände, Mercedes-Sprinter und ein Versorgungstruck. Die Organisation war so perfekt, wie man die E-Klasse in den Köpfen potentieller bzw. verschreckter Kunden platziert haben möchte. Die ganze Truppe nächtigte in den besten Hotels, die verfügbar waren, es war für alles gesorgt.  

Yeee-haaa!
Aus dieser behüteten Position war es leicht auszuziehen, um Land und Leute kennen zu lernen. Und so kehrten wir in Lokalen ein, die man hierzulande nicht einmal als bewohnbar bezeichnen würde, aßen dort so gut wie bei Muttern (der beste Bortsch ever) und trafen überall auf fröhliche Menschen. Sie haben nicht viel, aber sie haben uns vieles voraus: Sie sind glücklich! Das sieht man an ihren Gesichtern und das sagen sie einem auch, wenn man sie fragt. Hier, zu Hause, erntet man meist höchstens ein „ich bin nicht unglücklich“, wenn man sich für die werte Befindlichkeit des Gesprächspartners interessiert. 

No Limits - zumindest fast
Sogar die Polizei war ausgesprochen freundlich zu uns. Okay, man wusste, wer wir sind, aber wo wird man noch von einem voraus fahrenden Polizeiauto auf der Landstraße vorbei gewunken? Wohl gemerkt bei 110 km/h statt erlaubter 90. Aber die kasachischen Straßen vertragen dort, wo sie gut ausgebaut sind (und die Durchgangsstraße von der russischen Grenze nach Almaty ist das zu rund zwei Drittel) auch ein zügiges Tempo, sogar mehr als unsere österreichischen Autobahnen. In Kasachstan sieht man, wer einem zehn Minuten später entgegen kommen wird, die Straßen sind schnurgerade. Natürlich kann es einem jederzeit passieren, dass eine Herde Kamele, Pferde oder Kühe die Straße kreuzt (Zäune gibt es nicht) oder dass ein Reifen mitten auf der Straße liegt, aber das sieht man schon weit im Voraus. Wäre nur das Winterreifen-Limit von 210 km/h nicht gewesen… 

Unsere Freunde von der Polizei (und das ist hier nicht ironisch gemeint) haben uns am Abend immer bereits am Ortseingang empfangen, und uns im Konvoi zum Ziel geleitet. Hier erwies sich die Distronic der E-Klasse als Segen, also der Tempomat, der den Abstand zum Vordermann konstant hält und selbständig beschleunigt und bremst. 

Autogramme, roter Teppich - und Wodka
In Balchasch führten uns die Autos mit den roten und blauen Blinklichtern auf dem Dach direkt zu einem Empfang, den sonst nur Popstars und Filmsternchen bekommen: In Balchasch mussten wir reihenweise Autogramme geben und wurden mit einem Fest im Kulturpalast gefeiert. Dabei kam es dann auch zu einem Höhepunkt meiner Reise. In Balchasch wurden wir nämlich nicht in Fünf-Sterne-Hotels untergebracht, sondern bei Gastfamilien. Und auf diesem Fest wurden Gastfamilien und Fahrer zusammengeführt. Es wurde gegessen, getrunken und getanzt. Nach dem Fest, bei der Gastfamilie, wurde weiter gegessen und getrunken. Und Musik gemacht. Ich hatte das Glück, dass meine Gasteltern ihre 18-jährige Nichte dabei hatten, die Englisch studiert und eine Kommunikation überhaupt erst ermöglicht hat. Andernfalls wäre wohl noch mehr kasachischer Wodka geflossen.  

Der Abschied am nächsten Morgen fiel schwer, besonders wegen reichlichen Mengen der Flüssigkeit, die mit „W“ anfängt und mit „odka“ aufhört. Gut dass mein Beifahrer auf Alkohol verzichtet hatte und das Steuer übernahm. So weit geht mein Vertrauen in die E-Klasse dann doch nicht. 

Aber immerhin deutlich weiter als vorher.

Stephan Schätzl

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(Bild: KMM)
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