Filzmaier analysiert
Frankreich – auch nach der Wahl tief gespalten
Frankreich wählt am Sonntag seinen Präsidenten bzw. seine Präsidentin. Emanuel Macron gilt gegen Marine Le Pen als Favorit. Fix ist nur ein Ergebnis: Wer immer gewinnen wird, die Nation bleibt tief gespalten.
- Frankreichs regionale Verwaltungseinheiten sind 96 Departements. Le Pen als stramme Rechte triumphierte im ersten Wahlgang in 30 Gebieten, wo 2012 Nicolas Sarkozy als Konservativer siegte. Umgekehrt gewann Macron in 33 Ex-Hochburgen des sozialistischen Noch-Präsidenten Francois Hollande. Doch ist Macron wirtschaftspolitisch kein Linker und wird von Bürgerlichen unterstützt. Der Rechts-links-Gegensatz ist kompliziert, weil von Le Pens Standpunkt aus alles andere links erscheint. Rechts von ihr ist nur die Wand.
Macron wird sicher in jenen Regionen vorne sein, wo es die meisten Wahlberechtigten mit einem höheren Schul- oder Universitätsabschluss gibt. Die Bildungskluft im Wahlverhalten ist stärker ausgeprägt als etwa jene nach Alter oder Geschlecht. Daraus ergibt sich zudem eine Einkommensschere zwischen den Wählern Macrons und Le Pens, weil ja eine gute Ausbildung die Chancen verbessert, anständige Gehälter zu bekommen.
Le Pen ist die Stimme jener, die keinen oder einen schlechten Job haben. Vor zwei Wochen lag sie in neun von zehn Bezirken mit der höchsten Zahl an Arbeitslosen voran. Ihre Botschaft lautet: Frankreich ist abgewirtschaftet. Ein Langzeitarbeitsloser glaubt das sofort, ein Gutverdiener hingegen nicht. In industriellen Krisenregionen wie Aisne im Norden führt Le Pen haushoch.
Schuld an Problemen von den Arbeitsplätzen bis zur Sicherheit sind laut Le Pen die EU und die Ausländer - wobei es zum Teil um einen "gefühlten Ausländeranteil" geht. Le Pen gewinnt in Summe eher Stimmen, wo es weniger (!) Zuwanderer gibt. Je mehr davon aber - etwa in Marseille - aus Algerien, Marokko, Tunesien und der Türkei stammen, desto besser für das Le Pen'sche Ergebnis.
Dass der liberale Macron in Gegenden mit vielen Ausländern Le Pen schlagen kann, hat mit seiner Dominanz in Paris und Umgebung zu tun. Der ländliche Raum hingegen erlebt mehr Ab- als Zuwanderung, leidet jedoch unter Einkommensnachteilen und schlechter Infrastruktur. Also fühlt man sich von städtisch wirkenden Regierungspolitikern des Typus Macron extrem vernachlässigt. Das hat Le Pen früh und richtig erkannt.
P.S.: Wem all das bekannt vorkommt, der hat recht. Ähnliche Muster im Wahlverhalten gab es vom großen Amerika bis ins kleine Österreich. Donald Trump und Norbert Hofer sind nicht Le Pen - ihre Wählerschaft weist trotzdem eine ähnliche Struktur auf.
Peter Filzmaier für die Kronen Zeitung
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