Nein, Samsung baut nicht nur Handys. Der Elektronikriese produziert geneinsam mit Renault-Nissan auch Autos. Warum das für uns Europäer relevant ist? Weil es einige davon mit Renault-Raute am Grill auch nach Westen schaffen. Zum Beispiel der Geländewagen QM6 - aus dem der nächste Koleos wird.
Die Hochhäuser schillern wie überall auf der Welt, an jede Ecke gibt es einen Starbucks, in den Shopping-Malls ziehen die gleichen internationalen Ketten den Kunden das Geld aus der Tasche und zur Rushhour ist für Autos kaum ein Durchkommen - im Grunde ist Seoul eine Großstadt wie jede andere. Aber es gibt ein Detail, das diesen Eindruck stört. Denn so fortschrittlich sich die koreanische Hauptstadt gibt, so hip und modern ihre Einwohner sein wollen, so altbacken sind ihre Autos.
Limousine rules
Zwar sind sie besser poliert als in den meisten anderen Metropolen, haben weniger Macken und die allermeisten tragen sogar noch stolz die Schaumstoffschützer an den Türen und Plastikbezüge auf den Sitzen, damit jeder glaubt, der Wagen komme gerade erst vom Händler. Aber wo überall sonst auf der Welt das SUV das Straßenbild bestimmt, hat in Seoul noch das Stufenheck das Sagen: Egal ob repräsentative Limousine vor dem Luxushotel oder brave Familienkutsche in den Hochhaussiedlungen der Vororte- nach wie vor liebt der Koreaner offenbar den Kofferraum und der Sedan ist in der Zulassungsstatistik weiter vorn als im Rest der entwickelten Welt: Landesweit liegt der Marktanteil des Stufenhecks bei mehr als 50 Prozent und in der Hauptstadt kommen auf ein SUV subjektiv mindestens zehn Mercedes S-Klassen, Kia K9, Genesis EQ900 oder Samsung SM7.
Allerdings bröckelt die Vorherrschaft der Limousine und auch in Seoul macht sich so langsam das SUV breit: Das gilt natürlich vor allem für die Importgeländewagen von Audi, BMW und Mercedes. Aber in deren Windschatten fahren auch die heimischen Hersteller auf - und zwar nicht nur Hyundai und Kia. Ein Auto, das man in Stadtvierteln wie Gangnam oder Songpa-Gu derzeit besonders oft sieht, ist der Samsung QM6, mit dem Koreaner zumindest uns Europäern diesmal sogar voraus sind. Schließlich ist das der koreanische Zwilling des neuen Renault Koleos, der zu uns erst in diesem Sommer kommt.
SUV ist plötzlich Gangnam-Style
Gebaut in einem erst vor 20 Jahren aus dem Boden gestampften Werk bei Busan unter der Regie eines Joint-Ventures von Renault-Nissan und dem Smartphone-Giganten Samsung wollen die Koreaner mit der Neuauflage den Anschluss ans Oberhaus finden und buhlen deshalb mit schickem Design und edler Ausstattung um die High Society der Hauptstadt: Aus diesem Grund streckt sich der Koloss aus Korea auf stolze 4,67 Meter und bietet deshalb innen so viel Platz, dass man selbst in der zweiten Reihe noch erstklassig sitzt. Er schmückt sich mit riesigen Leuchtsicheln neben den LED-Scheinwerfern in der Front und den markanten Leuchten das Talisman am Heck. Und vor allem bietet er eine Wohlfühlatmosphäre, in der selbst die Rushhour ihren Schrecken verliert. Und was in Seoul funktioniert, das wird auch in Stuttgart oder Salzburg klappen.
Während man den Blick über digitale Instrumente und die wie in Espace & Co senkrecht montierte Touchscreen-Navigation mit faszinierend detaillierten Grafiken schweifen lässt und im Stop-and-Go-Verkehr ausprobieren kann, ob violettes Ambiente-Licht vielleicht doch schöner ist als grün, genießt man Kuschel-Sitze, bei denen selbst die kragenförmigen Kopfstützen beheizt sind, lässt sein Smartphone mit Apple CarPlay oder Android Auto spiegeln oder arbeitet sich durch das bordeigene Online-Entertainment. Dem Verkehr muss man dabei nicht viel Aufmerksamkeit widmen - wozu gibt es schließlich eine automatische Abstandsregelung und eine Spurführungshilfe, die bei der geringsten Abweichung von der Ideallinie Alarm schlägt. Und weil in Korea alle paar Kilometer eine Radarkamera hängt, warnt das System mit unerschütterlicher der Zuverlässigkeit auf den Meter genau vor Tempokontrollen: Ein Traum für jeden Raser.
Stattlich im Format, …
… stolz im Design, schlau bei der Elektronik und schön im Innenraum - bis dahin hält der Koloss aus Korea allemal das Zeug, es mit einem Ford Edge, einem Skoda Kodiaq oder womöglich gar einem Mercedes GLE vom unteren Ende der Modellpalette aufzunehmen. Doch beim Blick unter die Haube lösen sich die Aufstiegsambitionen schnell wieder in Luft auf. Denn da erkennt man, dass der zum Franzosen umgelabelte Koreaner eigentlich ein Japaner ist und sich der Technik des Nissan X-Trail bedient. Deshalb holt selbst der stärkere der beiden Diesel aus seinen 2,0 Liter Hubraum nur 177 PS und dem anderen müssen 1,6 Liter und 130 PS genügen. Das sollte zwar im besten Fall für Verbrauchswerte knapp jenseits von vier Litern reichen, und weil es nirgends mehr Tempokontrollen gibt als in Korea, spielt dort die Höchstgeschwindigkeit keine Rolle. Aber es ist zu befürchten, dass dem Koleos bei Vollgas auf einer deutschen Autobahn früh die Puste ausgehen wird.
In Korea jedoch scheint das keinen zu stören und der QM6 gehört zu den meistverkauften Modellen des Joint-Ventures. Auch ihm ist es deshalb zu verdanken, dass sich Samsung in den kurzen zwei Jahrzehnten als Automobilhersteller mittlerweile hinter Hyundai und Kia an dritter Stelle der koreanischen Statistik etabliert und die ältere Marke Ssangyong bereits abgehängt hat. Und über Modelle wie den Koleos-Cousin QM6 finden die Koreaner auch ihren Weg in die Welt. Doch lange wird das Konstrukt so offenbar nicht mehr halten. Denn bis zum Jahr 2020 wollen Renault-Nissan und Samsung angeblich neu über die Namensrechte und die Beteiligungsverhältnisse verhandeln, weil der Elektronikriese sein Heil partout nicht auf er Straße sehen und sich nach koreanischen Medienberichten nicht weiter mit Autos schmücken will. Fürs Marketing in der Auto-Sparte mag das ein düsteres Szenario sein. Doch für die Ingenieure ist das eine leichte Übung: Dann bestellen sie einfach ein paar Rauten-Grills mehr und verkaufen den QM6 eben auch daheim als Renault Koleos. Viel mehr als die Logos müssen sie dafür ja nicht austauschen.
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