Die brutale Vergewaltigung einer 15 Jahre alten Tullnerin durch drei Asylwerber schockiert ganz Österreich. Jetzt spricht das Opfer in der "Krone". Über seinen Hass gegen die Täter. Und über die Unmöglichkeit zu vergessen.
Ihre Augen, ihre großen graugrünen Augen. So viel Leid ist darin zu sehen, so viel Misstrauen - und Angst. Das 15-jährige Mädchen, das jetzt auf einer Wiese im niederösterreichischen Purkersdorf sitzt, vor dem Wohnhaus seiner Mutter, hat unzählige Wunden auf den Armen.
"Wenn ich mich selbst verletze", sagt Sandra (Name von der Redaktion geändert) leise, "spüre ich den anderen Schmerz weniger." Den Schmerz in ihrer Seele, der zu ihrem ständigen Begleiter geworden ist. Seit dem 25. April, als in ihrer Heimatstadt Tulln drei Männer über sie herfielen und ihr ungeheure Qualen antaten.
"Kaum jemand weiß, was wirklich geschehen ist"
Vor wenigen Tagen wurde der grauenhafte Fall bekannt. Zwei Täter - ein Afghane, ein Somalier, 18 und 19 Jahre alt - befinden sich mittlerweile in U-Haft. Ein Verdächtiger ist noch flüchtig. In den Zeitungen, im Fernsehen, "dauernd lese und sehe ich Berichte über das Verbrechen an mir. Aber kaum jemand weiß, was da wirklich geschehen ist und wie es mir danach geht."
Darum will das Opfer nun der "Krone" ein Interview geben: "Aber vielleicht sollte ich zuerst über das Davor sprechen." Über die Stunden vor der Tat. "Ich bin bei meiner Mama und später noch kurz mit einer Freundin in Wien gewesen. Dort bin ich um 21.30 Uhr in einen Zug nach Tulln gestiegen." Wo Sandras Vater lebt. Seit der Scheidung der Eltern wohnt sie hauptsächlich bei ihm.
"Plötzlich waren sie ganz nah hinter mir"
Knapp eine Stunde dauerte die Fahrt, "dann machte ich mich zu Fuß auf den Heimweg". Das Mädchen marschierte los, in Richtung Messegelände, vorbei an einem Containerdorf für Asylsuchende.
"Ja, ein paar von ihnen hatten mir früher manchmal vom Zaun aus zugeschrien, ich solle ihnen meine Handynummer geben. Ich habe nie auf ihre Annäherungsversuche reagiert und nie ist mir einer von ihnen zu nahe getreten. Deshalb habe ich mich nicht gefürchtet." Und Sandra ging, wie schon so oft, über den Pfad vor der Flüchtlingsunterkunft.
"Ich habe sie näher kommen gehört"
"Plötzlich waren hinter mir drei Männer, sie haben sich laut in einer mir fremden Sprache miteinander unterhalten. Ich habe sie näher kommen gehört und ein mulmiges Gefühl bekommen. Ich fing an zu laufen." Sekunden später eine Hand über ihrem Mund, "damit ich nicht schreien konnte". Und ihre Peiniger schleppten sie fort, zu einem nahe gelegenen Sportplatz.
"Mit einem Mal ungeheure Kraft in mir"
Sandra, was hast du dabei gefühlt? "Fürchterliche Panik, entsetzliche Angst." Das Martyrium: "Einer der Täter hielt mich fest, während sich ein anderer an mir verging." Und der dritte "Schmiere" stand. "Lange ließ ich alles über mich ergehen, ich war wie versteinert. Aber irgendwann war da mit einem Mal eine ungeheure Kraft in mir. Ich schaffte es, mich loszureißen und wegzurennen."
Über die Wiese, über eine Böschung, über eine Straße: "Ich sah bereits mein Wohnhaus, dachte, ich wäre gleich in Sicherheit. Doch die Männer holten mich ein und der grauenhafte Alptraum geschah ein zweites Mal." Eine Hand über dem Mund des Mädchens, "noch mehr Hände, die brutal nach mir griffen und mich wegzerrten". Hinter ein Gebüsch. In den Garten einer leer stehenden, halb verfallenen Villa.
"Dieses Schwein, das mich zuerst missbraucht hatte, umklammerte mich - während der Täter, der das davor getan hatte, über mich herfiel." Und abermals "der dritte Typ aufpasste". Dann eine Gruppe Menschen im Laternenlicht, "da ließen die Männer von mir ab und flüchteten". Sandra blieb im Gras liegen. Unfähig, um Hilfe zu schreien. Unfähig, sich zu bewegen. "Ich war wie in Trance." Als sie in die Wohnung ihres Vaters kam, "sah ich auf meine Uhr. Es war 16 Minuten nach Mitternacht."
"Musste mich jemandem anvertrauen"
Die 15-Jährige zog sich aus, warf ihre schmutzigen Kleider in eine Ecke und ging unter die Dusche: "Ich wusch mich eine Ewigkeit, danach legte ich mich weinend in mein Bett." Das Mädchen weinte durch, bis zum Morgen: "Dann hielt ich den Druck nicht mir aus, ich musste mich einfach jemandem anvertrauen - und schrieb meiner Schwester ein SMS."
"Ich will, dass sie bestraft werden"
Einvernahmen bei der Polizei, Untersuchungen im Spital. Die Sicherstellung des Gewandes, das die 15-Jährige bei dem Übergriff getragen hatte, für Untersuchungen im Labor. Ermittlungen in dem Tullner Containerdorf für Flüchtlinge. 59 DNA-Abnahmen. Die Klärung der Causa. "Ich will, dass meine Peiniger hart bestraft werden. Denn sie haben mein Leben zerstört", sagt Sandra. Auch ihre Mutter ist völlig gebrochen: "Tag und Nacht sind sie in meinem Kopf, die Gedanken daran, was die Verbrecher meiner Tochter angetan haben. Ich hasse sie so sehr dafür."
Hilfe nach "Krone"-Bericht
Nach Bekanntwerden der Tat postete die 15-Jährige auf ihrer Facebook-Seite einen "Krone"-Bericht über den Fall und "outete" sich als Opfer: "Da mich viele gefragt haben, wer das ist: Ja, das bin ich. Und ich bin froh, dass es Leute gibt, die mir Kraft geben und mich immer wieder aufbauen. Ich danke euch!"
Die Tragödie hat vieles verändert, in Tulln. Die Bevölkerung ist massiv verunsichert, Bürgermeister Peter Eisenschenk veranlasste mittlerweile einen Aufnahmestopp für Asylwerber: "Denn wir alle brauchen Zeit, um das Geschehene zu verarbeiten."
Stationäre Therapie als größter Wunsch
Sandra wird nun im Kinderschutzzentrum MÖWE psychologisch betreut. Eine weitere Schulausbildung scheint derzeit nicht möglich zu sein. Der größte Wunsch des Mädchens? "Eine stationäre Therapie zu machen, auf einem Bauernhof in den Bergen, in einer einsamen Gegend. Und vielleicht davor noch das Meer sehen zu dürfen."
Martina Prewein, Kronen Zeitung/krone.at
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