Leo Varadkar
Erster offen homosexueller Premier in Irland
An der Spitze der irischen Regierung steht künftig erstmals ein bekennender Homosexueller: Die Regierungspartei Fine Gael nominierte am Freitag den 38-jährigen Leo Varadkar für die Nachfolge des zurückgetretenen Premierministers Enda Kenny. Der bisherige Sozialminister soll am 12. Juni vom Parlament zum neuen Regierungschef gewählt werden.
Die Mitte-rechts-Partei Fine Gael wählte Varadkar mit 60 Prozent der Stimmen zu ihrem neuen Vorsitzenden, wie die Partei im Kurzbotschaftendienst Twitter mitteilte. Damit folgt er dem 66-jährigen Kenny nach, der Mitte Mai nach 15 Jahren seinen Rückzug von der Parteispitze bekannt gegeben hatte. Er war seit 2011 auch Regierungschef gewesen.
Varadkar schreibt gleich im doppelten Sinn Geschichte: Der in Dublin geborene Sohn eines indischen Vaters und einer irischen Mutter wird nicht nur der bisher jüngste, sondern auch der erste offen schwule Premierminister Irlands. Als Sozialminister machte er sich in dem katholisch geprägten Land für die Legalisierung gleichgeschlechtlicher Ehen und für die Lockerung des restriktiven Abtreibungsrechts stark.
"Bereit für die Herausforderungen"
Varadkar sagte nach seiner Wahl an die Parteispitze, die Verantwortung für das Land gehe nun "an eine neue Generation irischer Männer und Frauen über". Er sei "bereit für die Herausforderungen". Einziger Konkurrent Varadkars für die Nachfolge an der Partei- und Regierungsspitze war Wohnungsbauminister Simon Coveney, dem aber nur geringe Chancen eingeräumt wurden. Wie die Mehrheit seiner Parteifreunde tritt Varadkar für einen scharfen Sparkurs ein. Die Opposition wirft Fine Gael deshalb vor, das Land zu spalten.
Die politische Lage in Irland gilt als instabil: Kenny stand seit seiner Wiederwahl 2016 an der Spitze einer Minderheitsregierung. Er wurde von unabhängigen Abgeordneten unterstützt. Seine Partei Fine Gael schloss zudem ein Abkommen mit der größten Oppositionskraft Fianna Fail. Im Gegenzug setzte diese eine Erhöhung der öffentlichen Ausgaben durch sowie eine Senkung der Wassergebühren. Die Anhebung der Wassergebühren im Jahr 2015 hatte zu Massendemonstrationen geführt. Zwar wächst die Wirtschaft des Landes seit zwei Jahren wieder deutlich, aber dies kommt bei vielen Iren nicht an.
Finanzkrise stürzte Irland in Wirtschaftsnot
Irland hatte ab Ende der 1990er-Jahre ein Jahrzehnt lang zweistellige Wachstumsraten erzielt und wurde daher der "keltische Tiger" genannt. Die weltweite Finanzkrise von 2008 stürzte das EU-Mitglied aber in Finanznöte. Die Immobilienblase platzte, die Banken benötigten Milliardenhilfen. Die EU und der Internationale Währungsfonds schnürten Ende 2010 ein Rettungspaket in Höhe von 85 Milliarden Euro. Im Gegenzug musste sich das Land zu strikten Sparmaßnahmen verpflichten. Ende 2013 konnte Irland den Rettungsschirm wieder verlassen.
Zu den Herausforderungen, die auf Varadkar warten, gehören auch die Beziehungen zu Nordirland, das zum Vereinten Königreich gehört. Nach dem EU-Austritt Großbritanniens wäre die Grenze zwischen Irland und Nordirland wieder eine EU-Außengrenze und müsste demnach stärker überwacht werden. Nach dem jahrzehntelangen Nordirland-Konflikt warnt die Regierung in Dublin deshalb vor einem Rückfall in "sektiererische Gewalt".
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.