Bundespräsident Alexander Van der Bellen übt Kritik am Integrationspaket der SPÖ-ÖVP-Regierung. Vor allem das Vollverschleierungsverbot im öffentlichen Raum sei "kein gutes Gesetz", sagte Van der Bellen am Mittwochabend bei einer Diskussionsveranstaltung der Hamburger Wochenzeitung "Die Zeit" im Wiener Akademietheater.
Es sei ihm zwar "extrem unbehaglich", wenn er einer vollverschleierten Frau begegne, das gebe der Mehrheit aber nicht das Recht, es zu verbieten. "Aber ich glaube, es ist nicht verfassungswidrig", meinte Van der Bellen. Das Vollverschleierungsverbot sei jedenfalls rein innenpolitisch motiviert. Es habe ihn schon "gejuckt", das Gesetz nicht zu unterschreiben, aber der Bundespräsident bestätige mit seiner Unterschrift unter Gesetze ja lediglich, dass diese verfassungsmäßig zustande gekommen sind. Dazu stellte die Präsidentschaftskanzlei am Donnerstag klar, dass Van der Bellen das Integrationspaket am Mittwoch abgesegnet und das Gesetz unterzeichnet hat.
Amt des Bundespräsidenten macht "weitgehend" Freude
Das Amt des Bundespräsidenten übe er "weitgehend" mit Freude aus, sagte Van der Bellen im Gespräch mit "Zeit"-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo. Er habe natürlich nicht damit gerechnet, dass es gleich in den ersten Monaten jede Menge Regierungskrisen geben werde. Die Hofburg sei aber "schon was Spezielles - Habsburg pur, das atmet Maria Theresia". Diese Tradition sei gut, aber auch tückisch, und man müsse darauf achten, dass einen die Tradition nicht beherrscht.
Zurückhaltend kommentierte der Bundespräsident die aktuelle innenpolitische Lage und die kommenden Nationalratswahlen. "Rote Linie" bei der Regierungsbildung sei für ihn die Europapolitik der potenziellen Regierungsparteien. "Ich bin nach wie vor überzeugt, dass wir eine grundsätzlich proeuropäische Regierung brauchen." Die FPÖ sieht Van der Bellen diesbezüglich auf gutem Weg: "Ich beobachte, dass die FPÖ in den letzten zehn Monaten schrittweise alte Positionen verlässt." Die Partei habe offenbar erkannt, dass ein EU-Austritt in Österreich "absolut unpopulär" sei. "Das ist gesickert, und ich hoffe, dass es so bleibt."
Mit Zuordnung der FPÖ eher vorsichtig
Schwer tat sich Van der Bellen damit, die FPÖ als "rechte Partei" zu bezeichnen. Vom Ausland gesehen mag das so sein, in Österreich sei man mit solchen Zuschreibungen aber vorsichtiger. Die FPÖ sei etwa weit davon entfernt, eine kriegshetzerische Partei zu sein. Er spreche im Zusammenhang mit den Rechtspopulisten lieber von nationalistischen Parteien.
Dass es bei den Österreichern eine gewisse Müdigkeit punkto große Koalition gibt, stellte der Bundespräsident nicht in Abrede. Ob das mögliche Ende der SPÖ-ÖVP-Koalition ein Gewinn sein werde, ließ Van der Bellen offen: "Warten wir mal ab. Es ist schon ein Problem, wenn es über Jahrzehnte keine Alternative gibt. Man wird schon irgendwie ungeduldig. Österreich ist eben in manchen Dingen ein höchst eigenartiges Land."
"In der Früh löse ich erst mal ein Sudoku"
Auch in seine Morgenaktivitäten gab Van der Bellen im launigen Gespräch mit dem "Zeit"-Chefredakteur Einblick. Auf die Frage, ob er in der Früh auch als erstes Onlinemedien aufsuche, um zu sehen, was US-Präsident Donald Trump wieder angestellt habe, meinte Van der Bellen trocken: "In der Früh löse ich erst mal ein Sudoku."
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