Nordiren als Retter?

May will trotz Schlappe im Amt bleiben

Ausland
09.06.2017 14:50

Die nach der Wahlschlappe schwer angeschlagene britische Premierministerin Theresa May wird vorerst nicht zurücktreten, sondern versuchen, eine neue Regierung zu bilden - am ehesten mit der nordirischen Democratic Unionist Party (DUP). May bekam bereits den formalen Auftrag zur Regierungsbildung von Queen Elizabeth II., mit der sie sich Freitagmittag getroffen hatte. Auch am Start der Verhandlungen über den EU-Austritt mit Brüssel am 19. Juni will sie wie geplant festhalten.

"Ich habe soeben Königin Elizabeth II. getroffen und werde nun eine Regierung bilden", sagte May am Freitag in London vor dem Regierungssitz in der Downing Street. Diese Regierung werde "Sicherheit geben" und Großbritannien "in dieser für unser Land schwierigen Zeit" vorwärtsbringen. "Wir werden weiterhin mit unseren Freunden und Partnern, besonders in der DUP, zusammenarbeiten", erklärte sie.

Theresa May (Bild: AFP, AP)
Theresa May
An der Seite ihres Mannes Philip hielt Theresa May ihre Rede nach dem Wahldesaster. (Bild: AFP)
An der Seite ihres Mannes Philip hielt Theresa May ihre Rede nach dem Wahldesaster.

In der kurzen Rede an der Seite ihres Mannes Philip kündigte sie erneut einen entschlossenen Kampf gegen islamistischen Extremismus an. Bezüglich der Verhandlungen mit der EU bestätigte sie den 19. Juni als Starttermin. Man werde sich jetzt auf einen Brexit-Deal konzentrieren, der eine "neue Partnerschaft" mit der EU sicherstelle. Die Premierministerin beendete ihr Statement mit den Worten: "Now let's get to work" ("An die Arbeit jetzt").

Herbe Schlappe lässt Plan der Konservativen platzen
Der ursprüngliche Plan der Regierungschefin, ihre absolute Mehrheit im Zuge vorgezogener Neuwahlen weiter auszubauen, ist jedenfalls nicht aufgegangen. Vielmehr erlitten die konservativen Tories eine herbe Schlappe und verloren sogar die absolute Mehrheit im Parlament. Nicht nur Mays Partei, auch die rechtspopulistische UKIP musste eine schwere Niederlage an den Wahlurnen einstecken: Die Brexit-Befürworter haben keinen einzigen Wahlbezirk gewinnen können und sind damit nicht mehr im Parlament vertreten. Parteichef Paul Nuttall hat bereits die Konsequenzen gezogen und ist zurückgetreten.

Paul Nuttall (Bild: AP)
Paul Nuttall

Konservative Minderheitsregierung unter nordirischer Duldung?
Die Tories sind nun auf einen Partner angewiesen, um eine Regierungsmehrheit im Parlament zusammenzubringen. Es sieht ganz danach aus, als ob die nordirische DUP dieser Partner sein könnte. Dem Sender Sky News zufolge wollen die nordirischen Abgeordneten die Konservativen im Unterhaus unterstützen. Die DUP sehe dabei aber keinen Grund, eine formelle Koalition einzugehen - das bedeutet nichts anderes als eine Minderheitsregierung der Tories.

DUP-Chefin Arlene Foster will die Verhandlungen mit den geschwächten Konservativen offenbar nicht überstürzen. Sie teilte am Freitag vor den Beratungen Mays mit der Queen knapp mit: "Ich denke, es wird sicher Kontakt über das Wochenende geben. Aber ich denke, es ist zu früh, um darüber zu sprechen, was wir tun werden."

Labour-Chef ebenfalls zu Minderheitsregierung bereit
Labour-Chef Jeremy Corbyn, der ein starkes Ergebnis einfahren konnte, hat May zum Rücktritt aufgefordert. Corbyn äußerte am Freitagvormittag ebenfalls den Willen, mit seinen Sozialdemokraten eine Minderheitsregierung zu bilden. Er geht davon aus, dass May bei der Suche nach geeigneten Koalitionspartnern scheitern wird. "Wir sind bereit, diesem Land zu dienen", sagte Corbyn. Eine eigene Mehrheit haben die britischen Sozialdemokraten nicht, Koalitionen mit anderen Parteien lehnen sie ab.

May-Herausforderer Jeremy Corbyn freut sich über die Gewinne. (Bild: AFP or licensors)
May-Herausforderer Jeremy Corbyn freut sich über die Gewinne.

John McDonnell, möglicher Finanzminister in einem Labour-Kabinett, kündigte an, seine Partei werde eine Minderheitsregierung anstreben. Kommentatoren halten es aber für unwahrscheinlich, dass Labour damit erfolgreich sein wird.

Wahl bringt "Parlament in der Schwebe"
Das sogenannte Hung Parliament - ein "Parlament in der Schwebe", in dem keine Partei eine absolute Mehrheit hat - erschwert nicht nur die Regierungsbildung, sondern könnte auch Auswirkungen auf die bevorstehenden Brexit-Gespräche zwischen London und Brüssel haben. EU-Unterhändler Michel Barnier schrieb am Freitag auf Twitter, die Austrittsgespräche "sollten beginnen, wenn das Vereinigte Königreich bereit ist". Der Zeitplan und die Positionen der EU seien klar, zahlreiche Beobachter gehen aber davon aus, dass sich der Start der Verhandlungen nun verschieben könnte.

Wolken über dem britischen Parlament nach der Wahl (Bild: AP)
Wolken über dem britischen Parlament nach der Wahl

Nach dem EU-Vertrag ist Großbritannien noch bis zum 29. März 2019 EU-Mitglied. Barnier hat bereits klargemacht, dass ein Austrittsvertrag bis November 2018 fertig ausgehandelt werden muss, um ihn rechtzeitig durch die Parlamente ratifizieren zu lassen.

Tusk warnt vor Scheitern der Brexit-Gespräche
EU-Ratspräsident Donald Tusk warnt sogar von einem Scheitern der Verhandlungen. Es müsse verhindert werden, dass kein Austrittsabkommen zwischen beiden Seiten zustande komme, weil die Verhandlungen gar nicht erst geführt würden, mahnte Tusk.

Donald Tusk (Bild: AP, thinkstockphotos.de)
Donald Tusk

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker geht nicht von einem zügigen Beginn der Brexit-Gespräche aus. "Der Staub in Großbritannien muss sich jetzt legen", sagte Juncker der "Süddeutschen Zeitung" am Freitag. "Wir sind seit Monaten bereit, zu verhandeln. Wir können morgen früh anfangen. Jetzt sind die Briten am Zug."

Liberaldemokraten für zweite Brexit-Volksabstimmung
Unterdessen brachten die britischen Liberaldemokraten ein zweites Brexit-Referendum ins Spiel. Parteichef Tim Farron sagte, dass die Argumente für eine zweite Abstimmung nach der Wahlschlappe der konservativen Premierministerin nun stärker seien als je zuvor. Zugleich sprach er sich dafür aus, die Gespräche zwischen dem Vereinigten Königreich und der Europäischen Union über den Austritt auszusetzen. Formell sollen die Verhandlungen am 19. Juni aufgenommen werden.

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