Flüchtlingsdrama A4

Witwe: “Will dem Schlepper gegenüberstehen”

Österreich
21.06.2017 05:55

Hasan (34) starb mit 70 anderen Flüchtlingen im Lkw, der im Sommer 2015 auf der A4 in Parndorf gefunden wurde. Seine Frau Nahed sucht Antworten beim nun beginnenden Schlepperprozess.

Große dunkle Augen. Sie waren ein hübsches Paar, die Apothekerin Nahed Alaskar und ihr Mann Hasan al-Damen in Syrien. "Ich will ihm beim Prozess gegenüberstehen", sagt sie. Und meint damit nicht Hasan. Der ist tot. Erstickt im Lkw, in dem er mit 70 Flüchtlingen eingepfercht war, ohne die Chance, sich zu befreien. Dafür hatten Schlepper gesorgt. Naheds Blick ist weit weg. "Ich will ihm sagen, dass ich es war, mit der er damals telefoniert hat." Sie meint eben jenen Schlepper, der sie angelogen hatte, er kenne Hasan nicht. Dabei war sie da längst Witwe.

Nahed Alaskar mit ihren Kindern Zaid und Tala (Bild: Kronen Zeitung/Martin Jöchl)
Nahed Alaskar mit ihren Kindern Zaid und Tala
Hasan al-Damen (34): Er wollte nach seiner Flucht versuchen, in Deutschland als Lehrer zu arbeiten. (Bild: Krone)
Hasan al-Damen (34): Er wollte nach seiner Flucht versuchen, in Deutschland als Lehrer zu arbeiten.
(Bild: Andi Schiel)

Mann hätte für Assad in Syrien kämpfen sollen
Daheim hätte Hasan, der Lehrer für arabische Literatur, für den syrischen Staatspräsidenten Bashar al-Assad kämpfen sollen - was er wohl nicht überlebt hätte. So begann seine Flucht. Es sollte nach Deutschland gehen, Hasan voran, dann seine Familie nachholen. "Tala war noch zu klein, Zaid verstand aber, dass der Vater weg musste, damit wir später alle in Sicherheit sind", erinnert sich Nahed, "ich habe ständig an ihn gedacht und versucht, meine Angst vor den Kindern zu verstecken." Hasans Weg: Türkei, Samos, Athen, Mazedonien, Belgrad. "Bei jeder Etappe hat er mich vorher angerufen."

Nahed: "Im Nachhinein überwältigend. Weiß nicht, ob ich das alles so noch einmal schaffen würde." (Bild: Kronen Zeitung/Martin Jöchl)
Nahed: "Im Nachhinein überwältigend. Weiß nicht, ob ich das alles so noch einmal schaffen würde."
Nahed Alaskar mit ihren Kindern Zaid und Tala (Bild: Kronen Zeitung/Martin Jöchl)
Nahed Alaskar mit ihren Kindern Zaid und Tala

"Schau, ein Baum. Einen Apfel esse ich."
Dann kam Serbien. Hasan musste mit anderen Flüchtlingen in einem Wald auf die Schlepper warten. Alle hatten Hunger. "Schau mal", hatte Hasan zu Nahed gesagt, das Handy mit der Kamera gegen den Himmel gedreht und gelächelt: "Da ist ein Apfelbaum. Einen Apfel kann ich essen." Das war am 25. August 2015, 20 Uhr.

Das weiß sie noch genau. Es war ihr letztes Gespräch, danach nichts mehr. "Ich habe in Gefängnissen nach ihm gefragt, andere auf ihrer Flucht gebeten, Fotos aufzuhängen", sagt Nahed, "keiner meldete sich. Dann bekam ich die Nummer des Schleppers. 'Was ist mit meinem Mann?', fragte ich. Aber er sagte nur: 'Den kenne ich nicht.'"

(Bild: Kronen Zeitung/Martin Jöchl)

Dramatische Flucht
Am 27. August gibt dann im Burgenland der Lkw die 71 Toten preis - darunter Hasan. Tage später erhält Nahed einen Anruf aus Österreich und das Foto eines Toten. "Da war klar, er ist es." Die Leiche kann nicht nach Syrien gebracht werden. So macht sich die Mutter mit den Kindern auf, folgt seinem Weg nach: zu Fuß, mit Boot, Bus und Zug. Dreimal, erzählt sie, sei das Boot gesunken: "Zum Glück bin ich eine gute Schwimmerin", sagt Nahed, die ihre Kinder und sich retten kann: "Heute weiß ich gar nicht, wie das gegangen ist."

"Man muss weiter. Es geht nicht anders."
Erschöpft, übermüdet - doch denke man nicht an ein Aufgeben: "Dazu kommt man gar nicht. Man muss weiter. Es geht nicht anders." Hunger litten auch sie. Doch nach dem Weg des Vaters säumte auch den ihren eben jene Frucht: "Wir haben Äpfel gegessen."

Jetzt leben Nahed, Tala und Zaid in Wien, betreut von der Caritas. Ihre Asylbescheide sind positiv bewertet worden. In Österreich anzukommen war nicht nur Erleichterung: "Vorher war Hasans Tod eine quälende Ahnung, hier war er Realität. Er wurde hier begraben. Er soll in unserer Nähe sein." Details, etwa wie der Vater sterben musste, hat sie den Kindern verschwiegen: "Sie sollen nicht ständig dieses Bild vor Augen haben müssen."

Silvia Schober, Kronen Zeitung

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