Terror, Trump und Tragödien: Da tut es gut, sich von Michael Niavarani (49) aufmuntern zu lassen. Mit Conny Bischofberger spricht der lustigste Österreicher (© ORF) über platzende Pointen und erste Alterserscheinungen, über das Übel unserer Zeit und eine "völlig unnötige Wahl".
Affenhitze in der Buchhandlung "Morawa" beim Wiener Stephansdom. Auf einer kleinen Bühne blödelt "Nia" am Donnerstagabend mit der "Grande Dame" des Amalthea-Verlages, Brigitte Sinhuber. Launige Doppel-Conference, das Publikum ist begeistert. Sein druckfrisches Buch "Ein Trottel kommt selten allein" ist bei der Kassa gestapelt, der Künstler wird später jedes einzelne Exemplar geduldig signieren und seine Fans (zu 90 Prozent Frauen) mit charmant-sarkastischen Bemerkungen zum Lachen bringen. Michael Niavarani ist Österreichs erfolgreichster Entertainer. In einem Lagerraum mit vielen Buchkisten findet anschließend - es ist schon 21 Uhr und noch immer sehr heiß - das "Krone"-Interview statt, zu dem sich der Schauspieler, Kabarettist und Bestseller-Autor erstmal eine Zigarette gönnt.
"Krone": Widmungen in Bücher zu schreiben, auf Tuchfühlung mit Ihren Leserinnen und Lesern, dazu die Kamera der "Seitenblicke": Macht Ihnen so was eigentlich Spaß?
Michael Niavarani: Das gehört zu meinem Beruf dazu und deshalb überlege ich mir gar nicht, ob es mir Spaß macht. Aber ich habe mit sechs Jahren auf die Frage: "Was möchtest du einmal werden?" nicht gesagt: "Ich möchte gerne Autogramme geben und den 'Seitenblicken' oder der 'Krone' ein Interview geben." - grinst.
"Lustigster Österreicher", "Meister des feinen Humors", "Halbgott der Ironie": Welche Bezeichnung schmeichelt Ihnen am meisten?
Die schmeicheln alle unendlich und sind natürlich nicht wahr. "Lustigster Österreicher", das hat sich der ORF ausgedacht. "Meister des feinen Humors", da dürfte es sich um einen Irrtum handeln. Mein Humor ist eher grob. Und als "Halbgott der Ironie" würde ich eher Karl Kraus bezeichnen, wobei er, glaube ich, böse wäre. Am ehesten trifft "König der Idioten" auf mich zu. Ich bin ja der größte Trottel von allen.
"Ein Trottel kommt selten allein" ist auch der Titel Ihres Buches. Wie kommt man auf so was?
In England gibt es ein Sprichwort, das ich sehr faszinierend finde. Frei übersetzt: "Für jeden Trottel gibt es einen noch größeren Trottel, der ihn bewundert." Ein Phänomen unserer Zeit.
Denken Sie da an jemand Bestimmten?
(Es bilden sich ein paar kleine Runzeln auf seiner Stirn. Er scheint zu überlegen, ob er jetzt über alle herziehen soll. Dann lässt er's doch lieber bleiben.) Ach, das kennen wir doch alle. Da denkt man sich: "Also, blöder geht es wirklich nicht!" Und dann gibt es Leute, die finden: "Toll! Auf diese Idee wäre ich gar nicht gekommen."
Warum schreibt jemand, der eh schon so erfolgreich ist, auch noch Bücher?
Gute Frage. Für mich ist das Schreiben wie eine Befreiung von den Zwängen, die es beim Theater, Film oder Fernsehen aufgrund der Produktion gibt. Beim Schreiben kann ich sowohl in der Zeit als auch im Raum hin und her springen. Und das ist schön.
Wie finden Sie den Stoff?
Ich habe ja keine Matura und deshalb nie gelernt, wie man recherchiert. Ich lese etwas, ein historisches Faktum etwa, und denke mir: "Das ist eine Mördergeschichte!" Drei Wochen später renne ich vier Stunden lang durch meine Bibliothek und suche das Buch. Ich weiß weder, wie das Buch geheißen hat, noch worum es in der Geschichte ging. Beim Suchen stoße ich auf eine andere Geschichte und denke mir: "Ah, das ist ja noch besser!" Eine Alterserscheinung.
Warum kokettierten Sie damit, keine Matura zu haben?
Weil es erstens stimmt und weil ich jungen Menschen sagen möchte: Man muss nicht unbedingt die Matura haben, um ein Trottel zu werden. (Lacht.)
Kennen Sie auch die Angst, vor einem leeren Blatt Papier zu sitzen?
Also, ich sitze vor einem leeren Word-Dokument. Und ich habe eher Angst vor der vollen Seite, bei mir platzen die Pointen förmlich und so muss ich am Ende vieles weglassen. Es gibt ja diesen Grundsatz: "Kill your darlings!" Also man soll jene Dinge, in die man sich am meisten verliebt hat, ruhig weglassen, wenn sie der Dramaturgie der Geschichte nicht helfen. Auch ein Theaterstück wird eher durch die Dinge besser, die man weglässt, als durch jene, die man hinzufügt. Manchmal kille ich beim Schreiben auch etwas, um das es mir Leid tut. Das hebe ich dann auf und verwende es im Kabarett oder in einem Stück oder im nächsten Buch.
Gibt es etwas, das Sie zum Schreiben unbedingt brauchen? Eine Katze oder ein bestimmtes Licht zum Beispiel?
Ich habe mir das lange eingebildet. Ich hatte die romantische Vorstellung, ich brauche einen Balkon und den Blick aufs Meer. Dann habe ich festgestellt: Es geht um nichts leichter, wenn du aufs Meer schaust.
Kommen Ihnen manchmal Geistesblitze auf dem Fahrrad?
Sicher. Die kommen ja überall. Wenn sie gut genug sind, merke ich sie mir. Vieles vergesse ich auch und denke mir: Wahrscheinlich ist es nicht schade drum.
Hat die Kunst in Zeiten von Terror, Trump und Tragödien eine andere Funktion bekommen?
Nein. Die Kunst hatte im Laufe der Geschichte immer dieselbe Funktion: Uns über unsere Traurigkeit und Verlorenheit zu erheben, uns aus der Gefangenheit des Moments zu befreien. Das größte Übel unserer Zeit ist es doch, dass sich der Mensch nur schwer aus den zwischenmenschlichen und politischen Problemen lösen kann. Momentan ist es der Terrorismus, der Angst macht. Aber diese Angst macht keinen Sinn. Und so war es immer. Schon die Römer waren der Überzeugung, dass es so schlimm sei wie überhaupt noch nie. 200 Jahre später haben die Menschen das wieder geglaubt: "Schlimmer kann es gar nicht mehr werden!" In jeder Epoche war der Mensch der Überzeugung, er lebt in der schlimmsten Zeit und die Welt geht unter. Aber was lässt uns glauben, dass die Welt immer schlechter wird? Denn in Wahrheit wird sie immer besser. Steven Pinker schreibt das in seinem Buch "Gewalt - Eine neue Geschichte der Menschheit": Es hat, trotz Terrorismus und IS und Kriegen, noch nie so wenig Gewalt auf der Welt gegeben wie jetzt gerade.
Der Mensch denkt eben nicht in Jahrhundert-Zusammenhängen, sondern erlebt den schmerzlichen Moment.
Es ist tatsächlich nicht leicht, aus der Gefangenheit des Moments heraus zu treten. Es ist ja auch logisch: Wenn ich zum Beispiel von meinem Lebenspartner verlassen werde, ist der Schmerz und das Elend riesengroß. Aber fünf Monate später denke ich vielleicht: "Gott sei Dank bin ich diesen Idioten los!" Der Mensch muss den Moment überwinden, den Überblick bewahren, trotz Angst, Panik, Verzweiflung.
Frage an den großen Komiker: Was gibt's im Moment noch zu lachen?
Zu lachen gibt es immer genug. Bei uns im "Globe", und auch an vielen anderen Bühnen in Wien, gibt es täglich eine Vielzahl von Komödien. Im Leben selbst, das betrifft auch mich, den großen Komiker, ist es oft schwer zu lachen. Ich bin genauso gefangen. Aber ich finde relativ schnell wieder zur Selbstironie zurück. Und wie gesagt: Die Kunst hilft!
Sie stehen immer wieder mit Otto Schenk auf der Bühne. Was bedeutet er Ihnen?
Der Otto Schenk ist ein großes Vorbild, eine Legende. Das hört er ungern, aber das ist er. Wenn dieser Mann mit mir auf die Bühne geht, dann ist das eine große Ehre und ein Ritterschlag.
Hat diese Beziehung einen Knick bekommen, seit er Sebastian Kurz bei sich zu Hause empfangen hat?
Nein. Der Otto Schenk kann nichts tun, was unserer Beziehung einen Knick geben könnte.
Haben Sie gar nicht geschimpft mit ihm?
Nein, ich habe nicht geschimpft. Ich befürchte eher, dass Sebastian Kurz einen Knick bekommen hat. Gratuliert dem Otto Schenk ungebeten zum Geburtstag, um Wahlwerbung zu machen.
Werfen Sie Sebastian Kurz politischen Ehrgeiz vor?
Ich glaube, sein Ehrgeiz ist eher egomanisch. Diese Wahl vom Zaun zu brechen war völlig unnötig. Es dient nur dem Zweck, dass er halt Bundeskanzler werden will.
Soll man trotzdem wählen gehen?
Auf jeden Fall. Im Laufe der Geschichte sind sehr viele Menschen für ihr politisches Engagement verfolgt oder hingerichtet worden, denen sind wir es schuldig, dass wir diese Freiheit achten und wählen gehen.
Herr Niavarani, Sie bezeichnen sich selber als "unfrisierten, dicken Bären". Sind Sie gar nicht eitel?
Eitelkeit kann aufgrund meines Aussehens keine große Rolle spielen. Ich glaube aber, einem Komiker schadet es nicht, wenn er nicht besonders schön ist. In meiner Jugend wollte ich ausschauen wie Louis de Funès, jetzt schau ich halt aus wie der dicke Cousin von Louis de Funès. Oder wie meine Mutter sagt: "Früher warst du so ein schöner Perser. Und jetzt schaust aus wie ein blader Behm!"
Stört Sie Ihr Gewicht nicht?
Doch, weil mir mein Bauch beim Schuhezubinden im Weg ist. Ich bekomme Sodbrennen, wenn ich mir die Schuhe zubinde. Aber man weiß ja, wann man sich die Schuhe zubindet, da kann man ja vorher eine Tablette nehmen. Nein, im Ernst: Ich möchte schon abnehmen, aber ich warte noch ein bisschen.
Sie lassen sich - im Gegensatz zum Bundespräsidenten - auch bereitwillig mit Zigarette fotografieren.
Alexander Van der Bellen muss Rücksicht nehmen, er ist der Bundespräsident von allen Österreichern, von den Rauchern und den Nichtrauchern.
Sie sind aber auch der Niavarani von den Rauchern UND den Nichtrauchern.
Ja, aber mir ist es wurscht. Also wenn wer nicht zu mir in die Vorstellung kommt, weil ich rauche, soll er ruhig zu Hause bleiben.
Auf die Frage: "Wie wollen Sie einmal sterben?", sagen die meisten großen Künstler immer: "Auf der Bühne." Wie ist das bei Ihnen?
Ich möchte nicht auf der Bühne sterben. Wenn ich es mir aussuchen kann, dann möchte in einem Moment der größten Fadesse von dieser Welt gehen. So, dass ich mir denke: "Gott sei Dank sterbe ich endlich! Weil ich halt es wirklich nicht mehr aus."
Seine Karriere
Geboren am 29. April 1968 in Wien. Die Mutter ist Österreicherin, der Vater Perser. 1986 startet Niavarani seine Schauspielkarriere, ausgezeichnet mit drei Romys. Seine Kabarett-Programme sind Kult, er tritt auch immer wieder mit Otto Schenk auf. 2014 gründet Niavarani das Shakespeare-Theater "Globe Wien". Nach zwei Bestsellern erscheint nun "Ein Trottel kommt selten allein" (Amalthea-Verlag). Der Künstler hat eine Tochter und lebt in Wien.
Conny Bischofberger, Kronen Zeitung
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.