Wie geht Facebook gegen Gewaltvideos, extremistische Propaganda und andere menschliche Abgründe auf seiner Website vor? Bisher war die Antwort auf diese Frage Verschlusssache, Reporter hatten keinen Zutritt zu den Löschzentren, in denen der Internetkonzern verbotenes Material identifiziert und löscht. Jetzt hat erstmals ein Löschzentrum in Berlin seine Pforten geöffnet.
Das Löschzentrum des Personaldienstleisters Arvato in Berlin war vor einigen Monaten schon einmal in den Schlagzeilen. Damals berichteten Ex-Mitarbeiter von enormer psychischer Belastung, die manche Mitarbeiter in den Alkohol- und Drogenmissbrauch trieb. Einer erinnerte sich: "Nach ein paar Tagen sah ich die erste Leiche." Ein anderer berichtete von bizarren Tierquälervideos und Kindesmisshandlung. Viele fühlten sich unzureichend betreut.
Arbeitsbedingungen im Löschzentrum verbessert
Jetzt hat Arvato nach dem Umzug in ein neues Bürogebäude erstmals die Presse zu seinen Löschtrupps gelassen und immerhin drei der 650 Mitarbeiter mit Journalisten sprechen lassen. Und die relativieren gegenüber der Nachrichtenagentur dpa die Vorwürfe der Ex-Mitarbeiter. Es gebe sehr wohl psychologische Betreuung, wenn jemand danach verlangt. Überdies habe man die Arbeitsbedingungen verbessert - mit kostenlosem Obst und Gemüse sowie Yoga-Stunden, berichtet "Heise".
Die psychische Belastung, die vor allem Gewaltvideos auf Facebook für die Mitarbeiter mit sich bringen, bleibt freilich. Eine Frau, die für Facebook bedenkliche Inhalte löscht: "Leute tun sich grausame Sachen an. Ich persönlich hatte schon vorher nicht so viel Glauben in die Menschheit und jetzt so gut wie gar keinen mehr." Eine andere erinnert sich: "Ich weiß noch, das erste Enthauptungsvideo - da hab ich dann ausgemacht, bin raus und hab erstmal ein wenig geheult."
Nur wenige wollen diesen Job auf Dauer machen
Auf Dauer wollen sich diese Bilder die wenigsten antun. Wie lang man der Arbeit nachgehen könne, wollen die Journalisten beim Besuch des Löschzentrums wissen. Ein Mitarbeiter: "Jahrelang auf jeden Fall nicht, man möchte sich ja auch weiterentwickeln." Manche Mitarbeiter sehen aber auch das Gute an ihrem Job. "Wir kommen uns gut dabei vor, was wir machen. Wenn ich jemandem ersparen kann durch meine Arbeit, dass er das sehen muss, dann finde ich das sehr gut."
Bisweilen rette die Arbeit der Löschtrupps sogar Leben, weiß ein Mitarbeiter. Man habe etwa bereits gemeinsam mit der Polizei Selbstmorde verhindert, wenn Postings in diese Richtung aufgefallen seien. Und man sei bei Facebooks Löschtrupps auch nicht dauerhaft mit den schlimmsten Dingen konfrontiert, die das Netzwerk hergibt - bisweilen überprüfen die Mitarbeiter auch nur, ob ein Profil echt ist oder es sich um einen Bot zur Meinungsmache handelt. Für viele eine willkommene Abwechslung.
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