"Gastro-Rassismus"
Marseille will Kebab aus dem Stadtkern verbannen
In französischen Medien ist von einem "Krieg gegen Kebab", "gastronomischem Rassismus" bzw. "Kebab-Phobie" die Rede. Seit einigen Wochen tobt eine Debatte, die die Stadtverwaltung von Marseille mit folgendem Vorstoß entfacht hat: Neue gesetzliche Bestimmungen sollen die Eröffnung neuer Kebab- und anderer Imbissstände im Zentrum der zweitgrößten Stadt Frankreichs enorm erschweren, wenn nicht sogar unmöglich machen.
Vordergründig führt Bürgermeister Jean-Claude Gaudin eine "wirtschaftliche Umgestaltung des Stadtzentrums" an. Man wolle statt weiterer nicht sehr ansehnlicher Imbissstände vielmehr gehobenere Restraurants und Boutiquen im Stadtkern sehen. Diese Maßnahme soll mehr Geld in die Stadtkasse spülen, da der Fokus auf kaufkräftigeren Menschen liegt.
Politologin: "Angst vor Invasion der Nordafrikaner"
Hinter dieser offiziellen Version versteckt sich aber laut Bewohnern und Soziologen eine andere Strategie: Damit will die Stadtverwaltung offenbar den Zuzug weiterer nordafrikanischer Migranten, die die meisten Kebab-Stände betreiben, verhindern. "Diese ganze Kebab-Sache, dieser Aufschrei ist ein Spiegelbild der Angst vor einer Invasion der Araber und Nordafrikaner in Frankreich", meinte die französische Politologin Rim-Sarah Alouane am Wochenende gegenüber dem Non-Profit-Sender Public Radio International.
Front National: "Es lebe das Schinken-Käse-Baguette"
Der Kebab als politisches Kampfmittel ist nichts Neues in Frankreich. Bereits 2013 verkündete der rechtsextremen Front National (FN) auf seinem Parteitag den Kampf gegen "fremdes Essen": "Weder Kebab noch Burger, es lebe das Schinken-Käse-Baguette." In der südwestfranzösischen Küstenstadt Beziers, die von vielen Linken als "Labor des FN für politische Projekte" bezeichnet wird, sagte man 2015 ebenfalls dem Kebab den Kampf an. Die Bevölkerung reagierte mit Protesten, es wurde sogar ein Kebab-Festival veranstaltet.
Italien: Kampf gegen das "Kebab-Phänomen"
Seit Jahren kämpfen auch mehrere italienische Städte gegen das "Kebab-Phänomen". Um die "gastronomische Tradition und die architektonischen Eigenschaften" zu bewahren, dürfen unter anderem in Venedig, Florenz sowie der toskanischen Stadt Lucca keine Fast-Food-Lokale, Minimärkte, Internet-Points bzw. Sexshops in den Stadtkernen eröffnet werden.
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