Wer schreibt die Belastungsgrenzen für Menschen an der Starkstromleitung fest? Und wieso funktioniert in Wien seit Jahrzehnten ein Erdkabel, in Salzburg aber sei das laut Verbund ganz und gar unmöglich? Viele Fragen, wenig Antworten bei der Verhandlung am Bundesverwaltungsgericht zum Thema 380er-Freileitung.
Wie sehr belastet die Elektrotechnik und die Freileitung die Menschen? Das stand sowohl Dienstag als auch am dritten Verhandlungstag im Mittelpunkt am Bundesverwaltungsgericht im Wiener Marx-Palast.
Bekanntlich hatte das Bundesverwaltungsgericht im Vorfeld die Expertise des umstrittenen humanmedizinischen Gutachters in erster Instanz, Univ. Prof. Dr. Manfred Neuberger verworfen und mit dem Kremser Dr. Michael Jungwirth einen neuen Experten bestellt.
Für die Salzburger Interessengemeinschaft Erdkabel haben gleich zwei international renommierte Experten die Neuwirth-Aussagen unter die Lupe genommen. Hans-Ulrich Jakob von der Schweizer "Gigaherz" hat als alleiniger Sachverständiger den größten bisher in Europa geführten Gerichtsfall pro Erdkabel in der Schweiz mit einer Dauer von neun Jahren gewonnen: "Das Jungwirth-Gutachten weist gravierende Mängel auf und zeigt von großer Voreingenommenheit zu Gunsten der Stromnetzbetreiber." So seien nur vier Studien zitiert, bei denen Jungwirth verschweigt, wer sie finanziert hat. Hans-Ulrich Jakob: "Schon 2007 hat die BioInitiative Working Group, ein Zusammenschluss von 14 international anerkannten Wissenschaftlern, festgestellt: ’Es gibt kaum Zweifel daran, dass die Exposition gegenüber niederfrequenten elektromagnetischen Feldern Kinderleukämie verursacht.‘" Und zwar ab einer Belastung von etwa 0,3 Mikrotesla.
Wissenschaftlich nicht begründet
Der Mediziner Prof. Rainer Frentzel-Beyme, Mitarbeiter des deutschen Krebsforschungszentrums, kritisiert Jungwirth ebenfalls: "Seine Aussage, dass es keine Auswirkungen gäbe, wenn der Wert von einem Mikrotesla nicht überschritten wird, ist wissenschaftlich nicht begründet und eine subjektive Annahme."
Die Salzburger Landessanitätsdirektion hat übrigens die Freileitungsgegner in einem Schreiben vom 19. Mai 2017 auf Elektrosmog-Belastungsgrenzen und Leitlinien hingewiesen, die 2016 von der Europäischen Akademie für Umweltmedizin (EUROPEAM) verfasst wurden: Oberhalb von 0,4 Mikrotesla Belastung steige das Leukämierisiko. IG-Erdkabel-Anwalt Dr. Wolfgang List: "Und diese Leitlinie war dem niederösterreichischen Experten nicht einmal bekannt."
Keine einfache Aufgabe für das Berufungsgericht, hier zu klaren Entscheidungen zu kommen. Die Freileitungs-Gegner streuen dem Gericht aber Rosen: "Wir haben den Eindruck, ernst genommen zu werden. Im Vergleich zur jämmerlichen UVP-Verhandlung in Salzburg ist das eine Wohltat", so Franz Köck von der IG Erdkabel.
Wolfgang Weber, Kronen Zeitung
Zitat: Franz Köck/Vizepräsident IG Erkabel
In der Schweiz sind die enormen Leitungsverluste so hoch wie die Leistung eines AKW. Das alles ist beim Kabel kein Thema.
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