Wahltag in Venezuela
Kandidat für Verfassungs-Versammlung erschossen
Überschattet von Gewalt und einem Boykottaufruf der Opposition läuft derzeit in Venezuela die Wahl einer verfassunggebenden Versammlung. Die 545 Mitglieder des Gremiums sollen die Verfassung aus dem Jahr 1999 novellieren. Die Regierungsgegner werfen Präsident Nicolas Maduro vor, er wolle sich dadurch "diktatorische Vollmachten" sichern. Auch international stößt die Wahl auf Kritik. Einer der Kandidaten für das Gremium wurde wenige Stunden vor der Wahl erschossen. Am Wahltag selbst wurde ein 19-jähriger Demonstrant im Bundesstaat Merida getötet.
Mehrere Angreifer drangen in der Nacht zum Sonntag in das Haus von Jose Felix Pineda in Ciudad Bolivar ein und erschossen den 39-jährigen Anwalt, wie die Staatsanwaltschaft mitteilte. Zum möglichen Tatmotiv machte die Behörde keine Angaben.
Gewaltsames Vorgehen gegen Regierungsgegner
Im Morgengrauen gingen Soldaten mit Gewalt gegen Regierungsgegner vor, die Barrikaden im Westen von Caracas errichtet hatten. Die Regierung hatte alle Protestaktionen gegen die Wahl verboten und Demonstranten mit mehrjährigen Haftstrafen gedroht. Die Regierung in Caracas hofft trotz des Boykottaufrufs auf eine hohe Wahlbeteiligung. Das Ergebnis der Abstimmung sollte in der Nacht zum Montag (MESZ) bekannt gegeben werden.
Die konservative Opposition warb für einen Boykott der Abstimmung. Sie läuft seit Wochen Sturm gegen das Projekt, konnte Maduro mit ihren Massenprotesten und zwei Generalstreiks aber nicht zum Einlenken bewegen. "Dieser Wahl- und Verfassungsbetrug ist der größte historische Fehler, den Maduro begehen konnte", sagte der Abgeordnete Freddy Guevara vom Oppositionsbündnis Tisch der demokratischen Einheit (MUD). Die Regierungsgegner riefen trotz eines Demonstrationsverbots der Regierung zu weiteren Protestaktionen auf.
Maduro will mit neuer Verfassung Krise beenden
Maduro hatte im Vorfeld der Wahl erklärt, die neue Verfassung solle dazu beitragen, die schwere Krise in dem Land beizulegen. Die rechtsgerichtete Opposition kämpft seit Monaten für eine Amtsenthebung des Präsidenten, den sie für die schwere Wirtschaftskrise in dem südamerikanischen Land verantwortlich macht. Seit Beginn der Protestwelle Anfang April wurden bereits mehr als hundert Menschen getötet.
US-Sanktionen gegen Regierungsvertreter
Auch international stoßen Maduros Verfassungspläne auf deutliche Kritik. Die USA, die EU und mehrere lateinamerikanische Staaten schlugen Alarm und warnten vor den Folgen für die Demokratie in dem ölreichen Land. Washington verhängte in dieser Woche Sanktionen gegen amtierende und ehemalige venezolanische Regierungsvertreter und ordnete die Ausreise der Angehörigen ihres Botschaftspersonals aus dem Land an. Mehrere internationale Fluglinien, darunter Iberia, Delta und Air France, stellten ihre Flüge nach Venezuela vorerst ein.
Armee weiterhin auf der Seite des Präsidenten
Im Regierungslager zeigten sich in den vergangenen Wochen erste Risse. Unter anderem wandte sich Generalstaatsanwältin Luisa Ortega von Maduro ab. Doch der Präsident kann sich bisher auf die bedingungslose Unterstützung der mächtigen Armee verlassen.
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.