Gerichte in D nervös
Negativer Asylbescheid: Klagewelle von Migranten
Wegen der immer weiter steigenden Zahl an Flüchtlingen, die gegen ihren abgelehnten Asybescheid vor Gericht ziehen, sind die Verwaltungsgerichte in Deutschland derzeit organisatorisch am Limit. "Man kann sagen: Die Lage ist dramatisch", sagte der Vorsitzende des Bundes Deutscher Verwaltungsrichter, Robert Seegmüller, der Deutschen Presse-Agentur. In diesem Jahr werde sich die Zahl der Verfahren auf rund 200.000 verdoppeln. Bereits im vergangenen Jahr hatte es bei den Klagen von Flüchtlingen eine Verdopplung gegeben: Von 50.000 (2015) auf 100.000 (2016).
Immer mehr Flüchtlinge klagen gegen ablehnende Bescheide des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf) - oder auf den vollen Flüchtlingsstatus. Zwar sei die Zahl der knapp 2000 Richter in den vergangenen anderthalb Jahren signifikant erhöht worden. "Die Gerichte finden aber gar nicht so viele geeignete Bewerber wie wir bräuchten", sagte Seegmüller, der Richter am Bundesverwaltungsgericht in Leipzig ist. "Die Situation momentan ist einfach sehr, sehr belastend."
Raumproblem an Gerichten
An manchen Gerichten gibt es laut Seegmüller allmählich auch ein Raumproblem. Zudem sei "nicht-richterliches Personal" unzureichend vorhanden. Kurzfristig helfe derzeit nur: "Möglichst viel Personal einstellen, genügend Räume und finanzielle Ressourcen zur Verfügung stellen und so gut wie möglich versuchen, das Thema abzuarbeiten."
In Berlin - an Deutschlands größtem Verwaltungsgericht - stapeln sich die Asylklagen. Das Gericht befindet sich nach Darstellung seiner Präsidentin Erna Viktoria Xalter an der Grenze der Belastung. Derzeit seien rund 13.500 Klagen von Asylsuchenden anhängig - das seien knapp etwa 65 Prozent aller Verfahren des Gerichts. Noch Ende 2015 habe es nur etwa 750 Asylverfahren gegeben.
Klagen von Flüchtlingen: Verdreifachung in Rheinland-Pfalz
Im Bundesland Rheinland-Pfalz hat sich am landesweit für Asylsachen zuständigen Verwaltungsgericht Trier die Zahl der Asylverfahren in den ersten sieben Monaten dieses Jahres fast verdreifacht: Von 3350 in 2016 auf 9500. "Die Arbeitsbelastung ist extrem hoch", sagte Gerichtspräsident Georg Schmidt. Eine Abnahme der Arbeit sei nicht in Sicht: Der Stapel der noch nicht bearbeiteten Verfahren belaufe sich auf knapp 10.000 Asylsachen.
Rechtliche Fragen: Wunsch nach schnellerer Abwicklung
Um die Situation zu entschärfen, müsse man auch prüfen, wie man "gleichförmige tatsächliche und rechtliche Fragen" schneller beispielsweise durch das Bundesverwaltungsgericht entscheiden lassen könne, sagte der Richter. "Da muss der Gesetzgeber mal nachdenken, ob es nicht eine Möglichkeit gibt, im Wege eines gesonderten Vorlageverfahrens oder mit anderen neuen prozessualen Instrumenten einfach schnellere Entscheidungen gleichartiger Tat- und Rechtsfragen zu ermöglichen."
Es gebe Fragen, "die man einmal durch ein oberstes Gericht im Prinzip entscheiden könnte, und dann wäre das geklärt", sagte Seegmüller. "So entscheiden das 15 Oberverwaltungsgerichte und 51 Verwaltungsgerichte dieselben tatsächlichen und rechtlichen Fragen nebeneinander und das macht viel unnötige Arbeit."
Pro Asyl kritisiert Bundesamt scharf
Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl machte der Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) für das Problem verantwortlich. "Das Bundesamt darf die eigenen Aufgaben nicht an die Gerichte abwälzen. Fehlerhafte Bescheide sind bereits außergerichtlich aufzuheben", teilte die Organisation am Montag mit.
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.