Rund 140.000 Menschen strömten an den insgesamt drei Tagen zum Frequency Festival nach St. Pölten, um sich mit dicken Beats, harten Bässen und viel Groove aus dem Alltag zu tanzen. Bei durchgehendem Kaiserwetter gelang das auch am letzten Tag ziemlich gut - vor allem Dank des US-Rappers Wiz Khalifa und deutscher Partyphalanx auf der "Green Stage".
Nach zwei intensiven Tagen mussten die Partyjünger in St. Pölten am Donnerstag noch einmal alles geben. Das Frequency zeigte sich erbarmungslos und platzierte ein weiteres buntes Potpourri an nationalen und internationalen Künstlern unterschiedlichster Couleur auf die Bühnen. Nach der windig-bewölkten Abkühlung am Mittwoch heißt es zum Abschluss aber noch einmal ordentlich schwitzen - die voraussichtlich letzte Hitzewelle des Sommers zeigt sich erbarmungslos und forciert noch eine große Menge Sonnenbrände. Zum Auftakt auf der "Space Stage" finden sich gegen 15 Uhr so viele Leute ein wie an keinem Tag zuvor - der Grund ist der norwegisch-englische DJ Alan Walker, der sich mit dem Song "Faded" vor etwa zwei Jahren zum Weltruhm katapultierte.
Doch warum spielt ein derartiges Kaliber so früh? "Nach dem Gig fliege ich weiter nach Norwegen, weil ich dort einen weiteren Auftritt habe", erzählt der sympathische 19-Jährige der "Krone" im Interview. Trotzdem war sich Walker nicht zu schade, bis fünf Minuten vor seinem Auftritt mit den Medien zu sprechen. "Red Bull hält mich am Leben", lacht er verschmitzt, "aber natürlich versuche ich jede Minute im Flugzeug zu schlafen." Trotz 1,8 Millionen Instagram-Follower und einem geschätzten Privatvermögen von drei Millionen Euro zeichnet den Jungstar Bescheidenheit aus. "Ich wohne noch zu Hause bei meinen Eltern im norwegischen Bergen und wenn ich nicht auf Tour bin, dann bastle ich an Songs oder hänge ganz normal mit meinen Freunden ab."
Ein Umzug in eine mondänere Metropole kommt für Walker nicht in Frage. "Ich weiß, dass man in Bergen an manchen Tagen Sonne, Regen und Schnee innerhalb einer Stunde erlebt, aber genau das macht mein Zuhause aus." Auf der Bühne fühlt sich der stets mit einem Tuch verkleidete DJ aber auch frühnachmittags zuhause. Der Wavebreaker füllt sich und neben seinen eigenen Top-Hits überzeugt er auch mit Coverversionen von Gigi D'Agostino oder den White Stripes. Die Stimmung brachte er damit schon sehr früh zum Kochen, auch wenn ein solcher Sound natürlich viel besser in die Nacht passt.
Nach einer kurzen Verschnaufpause gab es einen Altbekannten zu bestaunen - der Deutsche Hip-Hopper Samy Deluxe, gern gesehener Gast auf heimischen Festivalbühnen, trotzte der Hitze mit Basketball-Shirt, guter Laune und seinen kultigen Hits wie "Weck mich auf" oder "Haus am Mehr". Der knapp 40-Jährige Hamburger durfte auf ein textsicheres Publikum bauen und überspielte seine Festivalroutine mit viel Freude an der Arbeit. Für so manchen war es übrigens ein schnelles Wiedersehen, denn der letzte Österreichaufenthalt war vor nicht einmal zwei Monaten beim Wiener Donauinselfest. Der Zeitlosigkeit seiner Songs tat dies aber keinen Abbruch.
Auf verlorenem Posten standen daraufhin die White Lies. Die britische Post-Punk-Band, die auf ihrem aktuellen Album "Friends" erstmals Zugang zu leichtfüßigen Disco-Zitaten gefunden hat, mühte sich in der sengenden Sonne mit elegisch-schönen Klängen vergeblich ab - nur eine Handvoll Begeisterter fand sich vor der überdimensionalen "Space Stage" ein, um Songs wie "Hold Back Your Love", "Big TV" oder "Take It Out On Me" ein Ohr zu leihen. Der charismatische Frontmann Harry McVeigh bemühte sich nach Belieben, stralte mit der Sonne um die Wette und nahm die spartanische Belegschaft vor ihm sportlich. Ein weiteres Zeichen dafür, dass die Alternative- und Indie-Schiene beim Frequency längst gegen EDM und Hip Hop/Rap verloren hat.
Der Direktvergleich machte nämlich sicher - auf der "Green Stage" sorgten zur White Lies-Auftrittszeit RAF Camora & Bonez MC für mächtig Stimmung. Mit ihrem gemeinsamen Album "Palmen aus Plastik" gelang der deutsch-österreichischen Hip-Hop/Dancehall-Freundschaft letzten Herbst ein Überraschungshit, der in Deutschland Platz eins und hierzulande immerhin Platz zwei der Charts erreichte. Die eingängigen Hymnen wurden mit viel Humor und Lokalkolorit vorgetragen - einmal mehr erwies sich eine Rap-Combo als Gewinner des Festivals. Ein besonderes Zuckerl war die fein Selbstironie des in Berlin lebenden Wieners Camora: "Dank Autotune bin sogar ich ein Sänger. Viel Spaß bei unserem Autotune-Hipster-Rap". Humor hat eben noch nie geschadet.
Wie auf einem falschen Planeten gelandet wirkten Band Of Horses mit ihrem Americana-Sound und -Aussehen. Langsam, aber doch griff die gediegene Melange aus Dream-, Indie-, und Folk-Pop auf das Publikum über. Vor allem die mit Country infizierten Stücke ließen auch diejenigen mitgehen, die auf Flume warteten (und das wurden immer mehr). Nach krankheitsbedingtem Ausfall im vergangenen Jahr haben es Jennifer Rostock heuer endlich aufs Frequency geschafft. Gewohnt tanzbar und mit ausgiebiger Einbindung des Publikums eröffneten sie ihre Show. Für Sängerin Jennifer Weist gab es on stage einige Schnäpse, für ihre Fans davor eine dynamische Bühnenperformance und musikalisch einen Mix aus Alt und Neu. Neben Klassikern wie "Feuer" (2008) oder "Mein Mikrofon" (2011) performten die Deutschen auch "Neider machen Leute" und "Hengstin" vom aktuellen Album. Als Jennifer Weist der FPÖ dann den Song "Wir sind alle nicht von hier" widmete und das Publikum zum Urnengang im Herbst aufrief, tobt die Menge.
Apropos: Beim Auftritt vom Kraftklub war der Platz vor der Green Stage brechend voll. Obwohl bei Flume zeitgleich auf der Space Stage nicht weniger Trubel herrschte, gingen die Chemnitzer mit ihrer herzhaft-kraftvollen Kombination von Rock, Indie-Pop und deutschem Sprechgesang als kreative Sieger vom Platz. Der Electronica-DJ beschallte Tanzwütige vor der Hauptbühne mit recht biederen Sounds, eingebettet in eine blendende, aber nicht gerade kunstvolle Lichtshow. Da boten die Musiker von Kraftklub auf dem zweiten Schauplatz wesentlich mehr Interaktion. Vielleicht liegt das Geheimnis vom Kraftklub darin, dass sich die Musiker nicht überschätzen: "Diesen Hype, den kurzen Moment, an dem wir mal cool waren, den gibt's nicht mehr, den kann man nicht wiederholen", hatte Sänger Felix Brummer im Interview mit der APA gesagt. "Die Menschen, die uns nur damals cool fanden, suchen sowieso längst wieder den nächsten heißen Scheiß."
Mit "Little Lion Man" starteten die Donnerstagsheadliner Mumford & Sons sehr schwungvoll in ihr Set, doch das Tempo des Beginns konnten Marcus Mumford und Co. über die etwa eineinhalb Stunden Spieldauer nicht halten. Zu oft pendelte die britische Folk-Band zwischen Mid- und Downtemposongs hin und her, die vor allem nach dem paralysierenden Auftritt des australischen DJs Flume ein zu starker Kontrast waren. Die größte Stärke der Band, das fein ziselierte Zusammenspiel der einzelnen Mitglieder, funktionierte in St. Pölten zwar immer noch famos, doch der Funke wollte nicht so recht überspringen und so blieb auch der Jubel von seiten des Auditoriums verhalten. "Blind Leading The Blind" oder "I Will Wait" ertönten als größte Hits - nicht kaschieren konnte das Quartett hingegen die Schwäche seines letzten Studioalbums "Wilder Mind", dessen Songs auch nach zwei Jahren nicht über Durchschnittsqualität kommen.
Besser aufgehoben war man bei Wanda, die sich über regen Zulauf zur Green Stage freuen durften. Bei Hits wie "Auseinandergehen ist schwer" sangen selbst sitzende Zuschauer in der letzten Reihe noch jede Textzeile mit und auch "Schickt mir die Post" und "Gib mir alles" kamen an. Die Kassenschlager "Amore" und "Bussi Baby" hoben sich die Wiener für die Zugabe auf. Die Band präsentierte sich in bester Spiellaune und dirigierte ihre Anhänger gekonnt und mit Schmäh. Das im Herbst erscheinende dritte Studioalbum wird wohl bald eine neue Tour nach sich zihr aktuelles Album "Wolves" ist eine einzige Abrechnung mit der Präsidentschaft Donald Trumps und den Folgen daraus. Den vielen Fans kam diese Form von in Musik kanalisierter Wut gerade recht - schließlich liegt in der Welt derzeit so einiges im Argen.
Der große Abräumer des Donnerstags war Wiz Khalifa. Der US-Rapper mobilisierte zu später Stunde selbst die müdesten Gäste, das Gelände um die Hauptbühne war rappelvoll. Ein DJ, ein Schlagzeug, zwei Keyboards und ein von Substanzen betörter, souveräner Frontmann - schon gingen die Hände kollektiv in die Höhe. Den rotzigen Straßensound früherer Tage hat der 29-Jährige aus North Dakota längst gegen hitverdächtige Hymnen eingetauscht, die ihm gut stehen. Mit dem Live-Drummer hatten die Stücke den nötigen Druck, Wiz Khalifa rappte trittsicher und mit einem Augenzwinkern, verzichtete darauf, Klischees breitzutreten, und bewegte sich elegant durch ein Programm zum Abshaken. Den Fans gefiel es ebenso gut, waren die "smoothen" Beats doch ein perfekter Abschluss für drei Tage Vollstrom. Die nächste Auflage geht lt. den Veranstaltern von 16. bis 18. August 2018 über die Bühne - dann wieder an einem Wochenende.
Robert Fröwein, APA/Hauptmann
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