Vom ewigen Eis in den Anden durch den Amazonas zu den Blaufußtölpeln an der Küste: Eine Reise nach Ecuador raubt Besuchern den Atem, führt zu Naturwundern und entlang einer roten Linie. Ein Streifzug durch die Mitte der Welt.
Tief durchatmen heißt es, wenn man in Quito landet. Flankiert von riesigen Vulkanbergen, ist die ecuadorianische Metropole auf 2850 Meter Seehöhe die höchstgelegene Hauptstadt der Welt. Das ist bei Weitem nicht die einzige Besonderheit der Weltstadt hoch oben in den Anden. Das historische Zentrum mit seinen Kolonialbauten und prunkvollen Gotteshäusern zählt zum Weltkulturerbe. Der Name Quito leitet sich aus den Worten der Ureinwohner qui (die Mitte) und tu (Erde) ab. Bereits 1736 haben hier Jesuiten die Mitte der Welt ermittelt. Und sich ohne GPS oder andere moderne Hilfsmittel nur um 240 Meter vermessen. Heute befinden sich an dieser Stelle ein Obelisk und ein Touristendorf mit Folklore und Sternwarte.
Am Äquator
Exakt an der geografischen Breite 0°, dem Kreis zwischen Nord- und Südhälfte der Erdoberfläche, verleitet heute im Museum Intiñan eine gerade Linie, auf den Boden gemalt mit roter Farbe, zum Experimentieren. Auf ihr werden Erdanziehungs- und Corioliskraft am Äquator getestet. Manche versuchen, darauf zu balancieren. Eier werden - teilweise erfolgreich - auf Nagelköpfen abgelegt. Und Besucher beobachten Wasser, wie es ohne einen Strudel zu bilden durch den Abfluss läuft wenn die Museumsführerin den Stöpsel zieht. Wer den Tanz auf dem echten Äquator versucht, sollte seinen Reisepass mitnehmen: Wer dort war, bekommt einen Stempel - eine schöne Erinnerung.
Nach einer kurzen Phase der Akklimatisierung im Andenbecken geht der Streifzug in der Mitte der Welt weiter - mit Blick auf den Cotopaxi immer steil bergauf. Der Gletscher ist mit 5897 Metern der zweithöchste Berg Ecuadors und einer der höchsten aktiven Vulkane der Erde. Nach den physikalischen Balanceakten am Äquator wollen wir unsere Körper aber nicht weiter verwirren - auf 4200 Metern ist Schluss: Anstatt auf den gewaltigen Andengipfel geht’s in die Therme!
Direkt vom Vulkan Antisana fließt aus den Felsen glasklares, mineralhaltiges und bis zu 40 Grad heißes Wasser in die Bäder von Papallacta. Die Natursteinbecken fügen sich perfekt in das Naturidyll ein. Mit fabelhafter Aussicht auf das ewige Gletschereis lässt es sich in den heißen Pools stundenlang aushalten.
Tief im Dschungel des Amazonas liegt die nächste Station des Streifzuges durch das Land der Gegensätze. Wir lassen das Weiß der Gletscher hinter uns und landen im satten Grün. Von der Stadt Tena im Amazonas geht es mit dem Boot über den Rio Napo. Plötzlich stoppt der Karren an einem schmalen Uferstreifen - dahinter: der Einstieg in den Dschungel. "Nicht stolpern, nicht an Bäumen festhalten, die Augen immer offen lassen", rät Henry. Der Kichwa-Indianer ist hier im Regenwald aufgewachsen. Im Gegensatz zum isolierten Volk der Huaorani führt der Dschungelbewohner Besucher gerne durch sein Reich - ohne dass sie sich an Bäume mit Dornen stützen, auf bizarre Krabbler treten oder Spinnennetze übersehen. Die Artenvielfalt im Regenwald ist gewaltig - Gottesanbeterinnen, Affen, Schlangen und Papageien krabbeln, laufen, schlängeln und fliegen einem über den Weg. Die Flora mit ihrem satten Grün, bunten Blüten, wandernden Bäumen und den imposanten Wurzeln des Ceiba-Baumes beeindruckt.
Mit dem Geist der Anaconda, nach dem Henry, Stammesname "Amarun sacha", getauft ist, geht es weiter zu einem kleinen Kichwa-Dorf am Rio Blanco. Wagemutige können hier ohne Strom und fließend Wasser bei den Amazonas-Indianern leben. Ein Abenteuer, an das juckende Insektenstiche lange erinnern. Zum Dschungelbesuch gehört auch ein Stopp in den Indianerschulen. Hier hilft Hannes Krakolinig mit. Der Kärntner unterstützt die Kichwa mit Schulmaterial und Hilfsprojekten. "Es mangelt oft am Notwendigsten - wie sauberem Trinkwasser oder Medizin", erzählt der Helfer.
590 Autokilometer weiter westlich zeigt die Mitte der Welt eine völlig andere Facette. An der Pazifikküste bei Puerto Lopez erstreckt sich auf 55.000 Hektar der Machalilla Nationalpark. Hier können Buckelwale beobachtet werden, die Traumstrände von Los Frailes laden zum Baden ein. Einige Abschnitte sind jedoch den Schildkröten vorbehalten, die hier ihre Eier ablegen - Sonnenanbeter müssen draußen bleiben. Wer es nicht auf die weiter westlich gelegenen Galapagos-Inseln schafft, der hat hier eine beeindruckende Alternative gefunden, um die Wunder der Schöpfung zu erleben.
Rund um die Isla Salango können die berühmten Blaufußtölpel beobachtet werden, unter Wasser tummeln sich Kugelfische, Muränen und Rochen. Zu einem der schönsten Badeplätze des Landes hat sich das Fischerdorf Canoa an der Küste weiter nördlich gemausert. Wegen Erdbeben mussten die Häuser im idyllischen Ort oft neu aufgebaut werden. Dennoch hat sich das Dorf zu einem Hotspot bei Surfern und Gleitschirmfliegern entwickelt. Wie in vielen anderen Regionen des Landes, setzt der Tourismus auch hier auf Ökologie. So sollen die einzigartigen Naturschätze des Landes und mit ihnen das touristische Kapital erhalten werden.
Thomas Leitner, Kronen Zeitung
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