Sport-Quereinsteiger

Wenn aus Lieblingen der Nation Politiker werden

Österreich
04.09.2017 05:57

Liese Prokop, Franz Voves oder Patrick Ortlieb: Viele Sportler haben sich bereits auf das politische Parkett gewagt. Erfolgsgeschichten schrieben dabei aber nur die Wenigsten. Jetzt versucht die seit einem Trainingsunfall im Sommer 2015 querschnittgelähmte ehemalige Stabhochspringerin Kira Grünberg im Team von Sebastian Kurz (ÖVP) ihr Glück.

Der Sport gibt sich gerne unpolitisch. Ist er aber nicht. Sportliche Erfolge haben immer auch eine politische Bedeutung. Die Ski-Triumphe Toni Sailers oder das berühmte 3:2 in Cordoba bei der WM 1978 gegen Deutschland waren und sind prägend für die österreichische Identität nach dem zweiten Weltkrieg.

Karl Schranz' Ausschluss von Olympia 1972 wurde zum Politikum. Wenig verwunderlich also, dass Sportler ob ihres Bekanntheitsgrads auch von Politikern als Stimmenkeiler herangezogen wurden und werden. Und doch war nicht jeder ein Quereinsteiger. Andere haben bewiesen, dass man Politik "lernen" kann. Wieder andere erwiesen sich als echte Rohrkrepierer.

Otto Scheff: Schwimm-Wunderkind, später ÖVP-Abgeordneter
Edvard Benes, Präsident und Mitgründer der Tschechoslowakei, spielte als Student Anfang des 20. Jahrhunderts im Challenge Cup, einem Vorläufer der österreichischen Fußballmeisterschaft für Slavia Prag. 1906 bei den Olympischen Spielen in Athen, "Zwischenspiele" und somit nicht vom IOC anerkannt, startete ein 16-jähriger Wiener Schwimmer, der als "Wunderkind" eingestuft wurde. Über 400 Meter holte Otto Scheff Gold und war damit Österreichs erster Olympiasieger und stellte vier Weltrekorde auf. Der Rechtsanwalt Scheff, als Jude von den Nazis verfolgt, hat 1945 als Mitbegründer der ÖVP seinen Platz in der Geschichte. Bis 1953 saß er im Nationalrat und war mit Unterrichtsminister Josef Gerö (Ex-Fußballer, Gründer des FC Libertas Wien und ÖFB-Präsident) Hauptinitiator des Sporttoto-Gesetzes von 1949.

Otto Scheff, als 16-jähriges Schwimm-Wunderkind vor den Zwischenspielen 1906. (Bild: Screenshot/Österreichisches Olympiamuseum)
Otto Scheff, als 16-jähriges Schwimm-Wunderkind vor den Zwischenspielen 1906.

Liese Prokop schaffte es bis zur Innenministerin
Als erste und wohl erfolgreichste sportliche Quereinsteigerin gilt Liese Prokop (ÖVP). 1968 holte sie bei den Sommerspielen in Mexiko City Olympia-Silber im Fünfkampf. 1969 stellte sie einen Weltrekord mit 5352 Punkten auf und wurde Europameisterin. Im selben Jahr zog es sie in die niederösterreichische Landespolitik, wurde dort zu einer Konstante. 2004 trat sie bis zu ihrem Tod 2006 als erste Frau den Posten der Innenministerin an. Unter ihre Ägide fiel die Verschärfung des Asylrechts. Am 31. Dezember 2006 starb Prokop auf dem Weg ins Krankenhaus an einem Riss der Aorta im Alter von 65 Jahren.

Die Leichtathletin Liese Prokop posiert mit ihrem Fünfkampf-Weltrekord von 5352 Punkten. (Bild: VOTAVA)
Die Leichtathletin Liese Prokop posiert mit ihrem Fünfkampf-Weltrekord von 5352 Punkten.
Als ÖVP-Innenministerin war die Niederösterreicherin Liese Prokop ständiger Kritik ausgesetzt. (Bild: APA/Guenter R. Artinger)
Als ÖVP-Innenministerin war die Niederösterreicherin Liese Prokop ständiger Kritik ausgesetzt.

Ortlieb und ein amouröses Abenteuer in einer Tiefgarage
Patrick Ortlieb wurde 1992 Abfahrts-Olympiasieger in Albertville und 1996 Weltmeister in der Sierra Nevada. 1999 zog er auf dem zweiten Listenplatz für die FPÖ in den Nationalrat ein - und fiel dort durch Unauffälligkeit auf. Das Magazin "News" wählte Ortlieb 2002 zum faulsten Abgeordneten mit nur zwei Reden zu je zwei Minuten. Ein amouröses Abenteuer in einer Innsbrucker Tiefgarage und der FPÖ-Parteitag von Knittelfeld beendeten die Polit-Karriere.

Patrick Ortlieb mit Jörg Haider (Bild: APA)
Patrick Ortlieb mit Jörg Haider
(Bild: Votava)

Hürdensprinter Elmar Lichtenegger, von 2003 bis 2006 für FPÖ/BZÖ im Nationalrat, stolperte über einen Dopingtest. Unauffällig blieb auch Weltklasse-Eiskunstläuferin Ingrid Wendl-Turkovic als Seniorensprecherin der ÖVP von 2002 bis 2006.

Kiesl, Fritz und Voves aus dem Eis
Auf Landesebene versuchen sich Sportler schon lang am politischen Eiertanz. Die Fußballer Peter Platzer und Gerhard Hanappi sowie die Leichtathletin Herma Bauma engagierten sich nach 1945 in der FÖJ, der Vorfeldorganisation der KPÖ. Franz Voves (SPÖ) nahm als Eishockey-Nationalspieler an sieben Weltmeisterschaften und 1976 an Olympia in Innsbruck teil. Von 2005 bis 2015 war er steirischer Landeshauptmann.

Eishockey-Crack Franz Voves (Bild: Kronen Zeitung)
Eishockey-Crack Franz Voves
Franz Voves (Bild: Christian Jauschowetz)
Franz Voves

Theresia Kiesl, Olympia-Dritte über 1500 Meter 1996, sitzt seit 2003 für die ÖVP im oberösterreichischen Landtag, traf dort auf die frühere Weltklasseschwimmerin und nunmehrigen "Krone"-Reporterin Vera Lischka (SPÖ).

Neun Jahre war der Bob-Olympiasieger von 1992, Ingo Appelt, für die FPÖ im Tiroler Landtag. Fritz Dinkhauser, Bob-Olympionike 1968, sitzt dort momentan mit seiner Liste Fritz. Roswitha Stadlober, Slalom-Weltcupsiegerin 1986 und 1988, war ÖVP-Sportsprecherin im Salzburger Landtag. Tennisspielerin Judith Wiesner-Floimair, die es in ihrer Karriere bis auf Platz 12 der Weltrangliste schaffte, war zwischen 1999 und 2004 ÖVP-Klubobfrau im Salzburger Gemeinderat.

Sportliche Quereinsteiger: Politische Wirkung verpufft rasch
Das Grundproblem der Quereinsteiger: Ihre politische Wirkung verpufft rasch. Mangels Routine werden sie zu Opportunisten. Nun will sich Kira Grünberg in der Liste Kurz versuchen. Mit 24 Jahren. Und trotz ihrer Tätigkeit im Sportministerium seit Anfang 2017 unerfahren. Sie wolle "etwas verändern", meinte sie kürzlich im Interview mit krone.tv. Das hofften ihre Vorgänger auch. Bis sie der politische Alltag eingeholt hat.

(Bild: GEPA)

Clemens Zavarsky, Kronen Zeitung/krone.at

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