"Nein, ich will nicht Präsident werden. Ja, ich liebe meine Kids. Danke für das schöne, kurze Interview." George Clooneys Gesicht verzieht sich zu einem breiten Grinsen. Als wir uns beim Film Festival in Toronto treffen (wo er seinen neuen Film "Suburbicon" vorstellt), hat er schon oft die Fragen, ob er gegen Trump antreten wird und zu seiner Rolle also junger Vater gehört.
Zumindest die zweite ist er noch nicht leid. Denn George zieht sein Handy aus der Tasche und präsentiert stolz ein Bild seiner süßen Zwillinge: "Es ist das erste Mal, dass ich nicht bei ihnen bin, seit sie geboren wurden. Meine Frau hat mir heute das Bild geschickt. Mein Gott, freue ich mich darauf, wieder zu Hause zu sein. Ein tolles Gefühl."
Dierk Sindermann: Nachdem Sie jetzt wissen wie sich Glück anfühlt, geben Sie uns doch einmal Ratschläge, was man täglich tun sollte, um glücklich zu sein?
George Clooney: Man sollte so wie die Italiener leben. Ich werde nie vergessen, wie ich zum ersten Mal zu meinem neu erworbenen Anwesen am Comer See kam. Das wurde noch renoviert und die Arbeiter haben in der Mittagspause in der Runde gesessen, Brot gegessen, Wein getrunken und gesungen. Und ich dachte, diese Fucker leben besser als ich. Ich esse meinen Lunch seit 25 Jahren nur im Stehen, weil ich keine Zeit habe, mich zu setzen. Man muss einfach jeden Tag mal innehalten und nicht nur hetzen. Und man muss täglich lachen! Lauthals lachen, so dass einem die Tränen die Wangen runterlaufen.
Konnten Sie das auch am Set von "Suburbicon"?
Klar. Ich hatte doch Matt Damon (grinst).
Sprich, der wurde Opfer einer Ihrer berühmten Streiche?
(schaut unschuldig) Also es gibt eine Szene, wo Matt mit einem viel zu kleinen Rad durch die Gegend strampelt. Ich hatte das ursprüngliche Fahrrad durch ein noch kleineres ausgetauscht. Wie er mit seiner Wampe dann darauf saß, die Knie gegen den Lenker stoßend ... Lassen Sie mich mal so sagen, wir hatten alle unsere helle Freude daran.
Und Matt hat da einfach mitgespielt?
Er ist halt ein netter Typ, dem der Part des Idioten liegt. Aber im Ernst, er hat als Schauspieler eine ungeheure Bandbreite und es macht Riesenspaß, mit ihm zu arbeiten.
Der Film spielt in Amerika der 50er-Jahre. Was fasziniert Sie so an dieser Ära?
Dass es einen direkten Bezug zu heute hat. Wenn Donald Trump tönt: "Make Amerika great again", dann denkt er an seine Kindheit in den großartigen 50ern zurück, wo alles so perfekt war.
Nach außen hin zumindest ...
Eben! Wenn man ein weißer, heterosexueller Mann war. Die Moral stimmte und der Wirtschaft ging es gut. Doch wenn man unter den Deckel geschaut hat, dann haben Sie es alle auf den Autorücksitzen getrieben und ein Großteil der Bevölkerung hatte es alles andere als gut. Deshalb ist es wichtig, die Realität zu zeigen, wenn jemand tönt, wie großartig Amerika damals war.
Trump lässt sich in seiner Politik nicht beirren. Wie kann man besonders schlechte politische Entscheidungen stoppen oder zumindest aufhalten?
Ich denke, es gibt ein paar positive Anzeichen dafür, dass es geht. Die Gerichte haben den Muslimbann gestoppt, und selbst im Senat und Repräsentantenhaus haben ein paar Republikaner ein wenig dagegen gehalten. Natürlich noch längst nicht genug. Was mich richtig freut, ist, dass die großen Zeitungen im Land wie die "New York Times" und "Washington Post" endlich mal beweisen, dass sie Eier haben. Sie schießen gegen die Demagogie von Trump zurück. Nicht so wie bei Bush vorm Irakkrieg, wo alle gekuscht haben.
Sie sind in Kentucky, also in den amerikanischen Südstaaten, aufgewachsen. Hat Sie das politisch geprägt?
Sehr. Ich war sieben, als Martin Luther King Jr. und Bobby Kennedy erschossen wurden. Die Bürgerrechtsbewegung war Teil meines frühesten Bewusstseins. Ich habe als Teenager erlebt, wie die Rassentrennung und Unterdrückung der schwarzen Minoritäten endlich auch im Süden zu Ende ging. Wir bewegten uns endlich in die richtige Richtung. Dachte ich zumindest. Doch dann musste ich miterleben, dass dieser Prozess wieder gestoppt wurde.
Offener Rassismus wie in Charlottesville und Fremdenfeindlichkeit sind scheinbar im heutigen Amerika an der Tagesordnung.
Es gibt eine Gruppe von Leuten, die Probleme mit der Globalisierung haben, weil sie abgehängt wurden. Und sie machen dafür in ihrer Wut nicht sich selbst, sondern Minderheiten verantwortlich. Oder Flüchtlinge.
Die Wut der weißen Bevölkerung hat sich Präsident Trump während des Wahlkampfes zunutze gemacht.
Und er schürt sie weiter. Indem er eine schwarze Bürgerrechtsbewegung wie Black Lives Matter mit dem Ku Kux Klan gleichstellt. Das ist schrecklich und einfach nur falsch. Die einen protestieren für Gleichheit für alle, die anderen sind weiße Rassisten, die sich als Herrenrasse und genetisch überlegen ansehen. Neonazis und diese White-Power-Alt-Right-Leute sind nur eine kleine Minderheit, aber eine laute. Die muss man minimieren und nicht noch groß machen.
Wie denn?
In dem man die richtige Perspektive zeigt. So wie mein Vater einmal. Der hat 1979 als Reporter von einem Skinhead-Protest in Cincinnati berichtet. Alle Nachrichtensender haben die brüllenden Glatzköpfe ins Visier genommen. Doch mein Vater ist mit dem Kameramann aufs Dach eines Hochhauses gestiegen. Sie haben von oben gezeigt, dass es nur sechs kleine Fucker, sechs kleine Idioten waren, die von 1500 Protestern umrundet waren. Und das war die wichtige Wahrheit. Es ist nur eine kleine Minderheit.
Wie sehr haben Sie Ihr Leben umgestellt, seitdem Sie Vater geworden sind?
Ich habe mich von einigen Freunden getrennt (lacht). Ich hab' nicht so viele Räume bei mir zu Hause und zwei von meinen Kumpeln musste ich deshalb rauswerfen (lacht). Ich habe schon ein wenig geahnt, was auf mich zukommen wird. Alle meine Freunde haben ja Kids und ich bin Patenonkel für ungefähr 20 der Kleinen. Was ich allerdings nicht wusste, ist, wie viel mehr Arbeit Zwillinge sind. Es ist mehr als nur das Doppelte. Deshalb kann ich meine Frau nur bewundern, die alle zwei Stunden aufstehen muss und diese kleinen Biester stillt.
Sonst noch einschlägige Änderungen?
Alles verändert sich, wenn man nicht mehr schläft (lacht). Ich habe diese zwei Kinder, für die ich mich völlig verantwortlich fühle. Obwohl es ihnen grade eigentlich total egal ist, dass ich existiere. Ich habe ihnen - außer ein Fläschchen ab und an - ja nichts zu bieten. Amal dagegen ist das Zentrum ihres Universums. Aber ich hoffe, dass es dazu kommt, dass auch ich ihnen ein gutes Vorbild sein kann.
Wünschen Sie sich manchmal, sie hätten mit dem Kinderkriegen schon früher angefangen?
Das bringt ja nichts. Ich habe nun mal spät begonnen und versuche alles aufzuholen, solange ich nicht am Stock oder mit dem Walker hinter meinen Kids hinterherrennen muss. Oder Windeln mit ihnen tauschen (lacht). Am Ende ist es egal, wie alt du bist. Ich habe das Glück, diese unglaubliche Liebe zu verspüren, und ich könnte nicht glücklicher sein.
Mit zwei Kindern im Haus, wie ist denn ihr Liebesleben heutzutage?
Sehr gut, vielen Dank (lacht). Man muss gewisse Dinge ein bisschen heimlich tun und Versteck spielen, keine Frage. Es sind ja nicht nur die Kids da. Zu Hause in Kentucky lebt ja auch grade ein junger Mann aus dem Irak bei uns. Er ist als Flüchtling nach Amerika gekommen und wollte aufs College gehen. Er ist nun Teil unserer Familie. Für meinen Vater ist er der Sohn, den er immer wollte. Weil er über alle seine lahmen Witze lacht.
Interview: Dierk Sindermann
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