Der Wahlkampf ist in der nervösen Zone angekommen. Dazu gehören auch die üblichen Indiskretionen aus den miteinander im Wettbewerb stehenden politischen Lagern. Oft handelt es sich dabei aber auch um bloße Informationspannen oder Lecks in den eigenen Reihen. Nach den an die Öffentlichkeit gespielten eher peinlichen E-Mails und Dossiers aus der SPÖ-Zentrale kursieren seit einigen Tagen diverse Strategiepapiere, die dem neuen ÖVP-Team zugeordnet werden könnten.
Mit einem der "Krone" übermittelten Konvolut vertraulicher Unterlagen soll nun offenbar der Beweis geführt werden, dass eine Gruppe von Politikwissenschaftlern und Parteisekretären bereits seit mehr als einem Jahr an der Übernahme der ÖVP und dem Einzug ins Kanzleramt ("Projekt Ballhausplatz") durch Sebastian Kurz gearbeitet hat.
"Strategische Grundlage und Positionierung"
Ein mit 21. Juli 2016 datiertes Dokument über die "strategische Grundlage und Positionierung" einer neuen ÖVP-Bewegung mit Kurz an der Spitze empfiehlt auf Basis der vor etwas mehr als einem Jahr durchgeführten Umfragen, auf die Wechselstimmung im Land zu setzen. Titel: "Es muss sich was ändern!"
Die These in dem Grundlagenpapier: Die große Koalition ist Sinnbild für "das System", und in der Bevölkerung bestehe eine enorme Systemverdrossenheit. Diese Atmosphäre müsse von Kurz in der Kampagne aufgenommen werden. Vorgeschlagen wird in der Strategie daher unter anderem "die Abschaffung der Pflichtmitgliedschaften" in den Kammern, die das System repräsentieren.
"Marke ÖVP spärlich verwenden"
Weitere Empfehlungen: "Wahlkampf wird klar auf Kurz abgestellt, die Marke ÖVP beim Wahlkampf spärlich verwendet, weil sie für 'alt' steht". Thematisch solle der Wahlkampf "nicht von inhaltlichen Fragen, sondern von der Stilfrage, Österreich zu verändern", geprägt sein. Analysiert werden auch SPÖ-Bundeskanzler Christian Kern ("Karriere im staatlichen System, das personifizierte System") und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache ("Zündler, Populist").
In der ÖVP-Zentrale erklärt man dazu, die Papiere stammten nicht aus dem Büro von Kurz. Möglicherweise seien das "ungefragte Ratschläge übermotivierter Personen, aber es ist auch nicht auszuschließen, dass es sich um eine Erfindung handelt".
Claus Pándi, Kronen Zeitung/krone.at
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