Der Mercedes-AMG GT-R ist ein würdiges Oberhaupt für die AMG-GT-Familie, die nun bereits sechs Serienfahrzeuge sowie zwei Kundensport-Rennwagen umfasst. Nicht nur weil er sich sogar schon den Ritterschlag des schnellsten Serienfahrzeugs auf der Nordschleife abgeholt hat (7:10,92 min., siehe Video weiter unten). Zur Feier des Familientreffens habe ich mit dem bösen Grünen einige (mehr oder weniger) schnelle Runden am "Bilster Berg" gedreht.
Diese recht junge Rennstrecke gehört zu den anspruchsvollsten Strecken Europas. 4,2 Kilometer Asphaltband liegen eingebettet in ein leicht hügeliges Waldgebiet im deutschen Bundesland Nordrhein-Westfalen und fühlen sich stellenweise an wie eine Achterbahn. 72 Meter absolute Höhendifferenz summieren sich auf 102 Meter pro Runde, das steilste Gefälle beträgt 26 Prozent, die größte Steigung 20 Prozent. Viele Kurven sind blind zu fahren, weil sie hinter Kuppen liegen. Eine verkleinerte Nordschleife sagen manche, genau richtig also für eine Ausfahrt im Grünen.
GT-R in "AMG green hell magno"-Grün - um 12.000 Euro
Er ist ein Rennwagen mit Straßenzulassung, der AMG GT-R, dient als Basis für den Kundensport-Rennwagen AMG GT4 und ist damit in beiden Welten zu Hause, Straße und Strecke. Sein Motor ist die höchste Ausbaustufe des 4,0-Liter-V8-Biturbo mit heißem Innen-V (d.h. die beiden Lader liegen im Zylinder-V), Trockensumpfschmierung und 585 PS. Ab 1900/min. liegen 700 Nm Drehmoment an und fallen über die Hinterräder her. Jedenfalls so viel man ihnen zumuten möchte, denn mit einem Drehregler auf der Mittelkonsole lässt sich die Traktionskontrolle in neun Stufen einstellen, wenn man im Race-Modus mit abgeschaltetem ESP unterwegs ist.
Kein Problem, dass es anfangs noch regnet, ich fasse sofort Vertrauen. Der AMG macht aus keinem Fahrzustand ein Geheimnis, lenkt absolut präzise ein (mit weniger spitzer Übersetzung als im GT-S), teilt mir mit, was er gerade tut und wann ich mich "zu weit aus dem Fenster lehne". Fehler verzeiht er auch. Dazu kommt, dass mir zunächst AMG-Chef-Instruktor Reinhold Renger und dann der fünffache DTM-Meister Bernd Schneider vorausfahren - ein Segen auf dieser selektiven und für mich neuen Strecke.
Da kann man sich sogar auf ein Lotteriespiel einlassen. Als es auftrocknet, bekommen die GT-Rs Michelin-Semislicks verpasst. Blöd nur, dass ein Schauer niedergeht, als wir mit frisch montierten, eiskalten Reifen loslegen. Das ist richtig rutschig. Doch sogar jetzt sind 585 PS und Heckantrieb gut zu beherrschen. Als der Regen aufhört und die Reifen Temperatur gewinnen, lässt sich wunderbar beobachten und immer weiter ausreizen, dass immer mehr "geht". Was für ein Feedback, das der Wagen gibt! Warum der GT-R gar so gut durch die Kurven zieht, erklärt sich teilweise durch die phänomenale Hinterachslenkung.
Im Sonnenschein schnappe ich mir zwischendurch den AMG GT Roadster, da reicht mir die Einstiegsmotorisierung mit 476 PS. Der Sound, der mir mit dem Fahrtwind um die Ohren streicht, ist ein Genuss, Motor und Fahrwerk sind deutlich weniger brachial als im R - also genau richtig für eine spaßige Cabriorunde.
Die ganze Bandbreite des Fahrvergnügens
Jede AMG-GT-Version eigens abgestimmt. Motor, Fahrwerk, klassische oder adaptive Dämpfung, Lager, Elektronik - alle Komponenten sind aufeinander zugeschnitten, keiner soll herausragen. "Wie bei einer guten Fußballmannschaft", bestätigt Fahrdynamiker Markus Hofbauer. Allen gemeinsam ist der Frontmittelmotor mit Transaxle-Getriebe und Siebengang-Sportautomatik.
Neben dem genannten GT Roadster (158.700 Euro) gibt es noch den GT-C Roadster (205.600 Euro). C heißt aber nicht Cabrio, sondern Competition, wir haben hier also 557 PS unter der langen Haube sowie besonders sportliche Zutaten wie ein einstellbares Dämpfersystem. Den GT-C gibt es mit gleicher Leistung neuerdings auch als Coupé (190.400 Euro). Den AMG-GT-Einstieg markiert das Coupé ohne Extra-Buchstaben im Namen, mit 462 PS ab 143.100 Euro; darüber rangiert der GT-S mit 510 PS (nur Coupé, 167.300 Euro). Man hat also die Wahl, ob man viel, sehr viel oder richtig viel Geld ausgeben möchte. Oder besonders viel: für den GT-R ruft der Daimler 211.700 Euro auf. Dennoch ein Schnäppchen im Vergleich zur Zuffenhäuser Konkurrenz.
Die hat ganz schön was zu knabbern an dem grünen Paket mit in der Höhe einstellbarem Gewindefahrwerk mit dreifach verstellbaren Adaptivdämpfern, verstellbarem, festem Heckflügel, aktivem Aerodynamik-Profil am Unterboden und Carbon an mehreren Stellen. Dank Leichtbau kommt der GT-R mit 1.555 kg DIN-Leergewicht auf nur 15 kg mehr als die schwächere und technisch einfachere Einstiegsversion. In Sachen Performance ist er ein echtes Schwergewicht. Doch am beeindruckendsten ist, wie spielerisch sich die Power handlen lässt. Selten bin ich nach derart wilden Fahrten so entspannt ausgestiegen. Familienausflug eben.
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