Mit dem Argument, illegale Streams und Downloads würden die Verkaufszahlen von Filmen, Musik oder Computerspielen negativ beeinflussen, arbeitet die EU-Kommission an einem verschärften Urheberrecht. Ausgerechnet eine Studie, die bereits 2015 von der EU selbst in Auftrag gegeben wurde, spricht illegalen Downloads diesen Effekt aber weitgehend ab. Die Ergebnisse wurden von der EU offenbar jahrelang verschwiegen.
Wie "Heise" berichtet, denkt die EU-Kommission derzeit über eine Verschärfung des Urheberrechts nach - unter anderem mit der Begründung, illegale Downloads würden die Verkäufe bei Filmen, Musik, Büchern oder Games negativ beeinflussen. Eine 2015 von der EU-Kommission selbst in Auftrag gegebene Studie sieht allerdings "keine tragfähigen statistischen Beweise für die Verdrängung von Verkäufen durch Urheberrechtsverletzung." Ausnahme: aktuelle Blockbuster-Filme.
Auf Basis dieses einen Punktes hat die EU-Kommission 2015 einen Aufsatz veröffentlicht, in dem die Umsatzverluste der Content-Branche thematisiert wurden. Die Studie, aus der hervorgeht, dass bei Serien, Games, Musik oder Büchern kaum Zusammenhänge zwischen Piraterie und Verkäufen zu beobachten sind, ist darin lediglich eine Fußnote und wurde seither unter Verschluss gehalten. Die EU-Parlamentarierin Julia Reda, die für die Piratenpartei und die Grünen im Parlament sitzt, nennt dieses Vorgehen "unredlich". Sie hat sich die Studie mittels Antrag auf Informationszugang besorgt und sie Netzpolitik.org zugespielt.
Illegale Downloads schaden nicht immer
Die 300-Seiten-Studie der niederländischen Beratungsfirma Ecorys enthält die Daten einer Umfrage unter 30.000 Europäern. Deutsche, Franzosen, Briten, Polen, Spanier und Schweden wurden zu ihrem Umgang mit illegalen Downloads und ihrem Kaufverhalten bei Filmen, Büchern, Musik und Games befragt. Das Ergebnis: Bei aktuellen Blockbuster-Filmen sorgen illegale Downloads tatsächlich in 27 Prozent der Fälle dafür, dass ein Film nicht gekauft wird. Pro hundert illegalen Downloads fallen also 27 Verkäufe weg.
Bei anderen Inhalten zeigt sich ein anderes Bild. So scheinen illegale Downloads bei Games sogar einen positiven Effekt auf die Verkaufszahlen zu haben. Wird ein Spiel 100 Mal illegal heruntergeladen, sorgt das bei 24 Downloadern dafür, dass sie es kaufen - möglicherweise, um an den Kauf gebundene Zusatzinhalte oder Multiplayer-Features zu nutzen. Im Bereich der Musik kommt die Studie zu einer Verdrängungsrate von Null, hier kann also nicht statistisch nachgewiesen werden, dass durch illegale Downloads weniger Musik verkauft würde. Bei Büchern sei das Gesamtaufkommen der Raubkopien so gering, dass sich keine statistisch validen Verdrängungsraten errechnen lassen.
Verschleierung der Studie sorgt für Empörung
Dass die Erkenntnisse, die nicht für eine Verschärfung des Urheberrechts sprechen, von der EU-Kommission zwei Jahre lang verschwiegen wurden, wird im Netz mit Empörung aufgenommen. Reda fordert die Kommission deshalb auf, "zeitnah mehr solide Beweise in der Copyright-Debatte vorzulegen" und hofft, die Studie könnte in den nächsten Tagen nach zwei Jahren in den Schubladen der Kommission endlich veröffentlicht werden.
Für die Bürger ist die Angelegenheit jedenfalls ein Ärgernis. Einerseits, weil solche Vorkommnisse das Vertrauen in die EU an sich schädigen, andererseits weil die teilweise Veröffentlichung gewünschter Ergebnisse nahelegt, dass die Studie nicht als neutrale Entscheidungsgrundlage, sondern als Argumentationshilfe für die Durchsetzung längst definierter Ziele einzelner Interessensgruppen dienen sollte.
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