Misshandlungsvorwurf

Überraschender Freispruch für steirischen Arzt

Österreich
29.09.2017 19:36

Paukenschlag im Prozess gegen einen oststeirischen Arzt: Der angesehene Mediziner und Bruder eines Spitzenpolitikers ist am Freitagabend - für viele Beobachter überraschend - in allen Anklagepunkten freigesprochen worden. Die Entscheidung des Einzelrichters ist vorerst nicht rechtskräftig. Dem Angeklagten wurde vorgeworfen, seine vier Kinder jahrelang gequält zu haben. Er soll sich selbst Verletzungen zugefügt und die Kinder dann gezwungen haben, ihm zu helfen.

Nach außen hin war es eine perfekte Familie: beide Eltern Ärzte, vier Kinder, ein Haus und eine florierende Praxis. Doch was an zwei Verhandlungstagen zur Sprache kam, war alles andere als ein heiles Familienleben. Die Kinder, die mittlerweile alle erwachsen sind, hatten den Vater, der der Bruder eines Spitzenpolitikers ist, zwei Jahre nach der Scheidung angezeigt, weil er sie nach ihren Angaben jahrelang verbal psychisch gequält hatte.

Arzt streitet alles ab
Der Beschuldigte selbst stritt vor Gericht alles ab und sprach von einer "unerträglichen Situation" wegen Ehestreitigkeiten. Seine Kinder waren vom Gericht kontradiktorisch befragt worden, alle vier weinten und taten sich sichtlich schwer, die Ereignisse zu schildern. Die Mutter gab an, sie habe erst ein Jahr nach der Scheidung vom ganzen Ausmaß der Ereignisse erfahren.

Die jungen Männer mussten sich am Donnerstag vor Gericht verantworten (Bild: Sepp Pail)
Die jungen Männer mussten sich am Donnerstag vor Gericht verantworten

"Wie es den Kindern gegangen ist, habe ich erst nach der Scheidung erfahren. Sie haben erst da begonnen, ohne Ende zu erzählen." Zwei ihrer Kinder "haben ihn nicht gemocht". "Er konnte sehr abwertend sein", schilderte sie. Wenn die dritte Tochter - die er am meisten gequält hatte - zu ihm gesagt habe: "Papa, ich liebe dich", antwortete er laut Ex-Frau: "Ich mich auch."

Sohn: "Sadistische, perverse Kreatur"
Der Sohn des Angeklagten meinte in Bezug auf seinen Vater: "Ich traue ihm alles zu." Die Angst der Kinder sei erst weniger geworden, als die Sache an die Öffentlichkeit gelangt war. "Da konnten die Behörden nichts mehr vertuschen", war er überzeugt. Sein Vater, den er als "sadistische, perverse Kreatur" bezeichnete, habe seine gesamte Kindheit zerstört.

Zwei Mädchen schilderten, dass sie unter den ständigen Selbstmorddrohungen des Vaters gelitten hätten. Beleidigungen waren laut Zeuginnen auch an der Tagesordnung, die Angst beherrschte die Kinder: "Ich habe gedacht, er bringt uns um", erzählte eines der Mädchen unter Tränen.

Während die älteste Tochter einigermaßen gefasst von ihrer Kindheit und dem Verhalten des Vaters erzählen konnte, weinte die Jüngste schon vor Beginn des Gesprächs mit dem sehr einfühlsamen Richter. "Er hat oft gesagt, da kann ich mich gleich erschießen. Er hat sich auch die Waffe an den Kopf gehalten", so das Mädchen. Einmal habe sie auf Bitte der Mutter die Polizei gerufen: "Ich hab nur geweint und gehofft, dass sie ihn endlich mitnehmen."

Tochter: "Nein, das ist kein Mensch"
Die Tochter hat vom Vater - den sie wie auch ihre Geschwister nur beim Vornamen nennt - sechs Jahre lag Morphium bekommen, mit 18 hatte sie Entzugserscheinungen. Auch Schlaftabletten bekam sie, davon habe sie "Halluzinationen bekommen". Auf die Frage, wie sie ihren Vater als Mensch beschreiben würde, sagte das Mädchen unter heftigem Weinen: "Nein, das ist kein Mensch."

Die letzte der befragten Töchter wirkte, als würde ihr das Erinnern schwerfallen. "Ich war mit 14 schon depressiv", erzählte sie. Sie habe ständig Angst gehabt, dass sich ihr Vater umbringen würde. Dann sei die Befürchtung dazugekommen, dass er auch ihr und ihren Geschwistern etwas antun könnte. Bis heute sei das so geblieben: "Ich hab jeden Tag Angst, und das wird auch so bleiben, solange dieser Mensch lebt."

Richter erkennt "verspäteten Rosenkrieg"
Richter Andreas Rom führte in seiner Urteilsbegründung aus: "Es ist zwar in der Familie viel passiert, aber aus den Akten und den heutigen Aussagen findet man keinen Anhaltspunkt, dass die Handlungen mit derartiger Intensität begangen wurden, dass es strafbar ist." Der Richter sah in den Vorwürfen der Familienmitglieder vielmehr einen "verspäteten Rosenkrieg nach der Scheidung". Die Frau habe - unterstützt von den Kindern - versucht, dem angeklagten Arzt etwas in die Schuhe zu schieben. Seine Praxis ist derzeit geschlossen, eine endgültige Entscheidung der Ärztekammer steht noch aus. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

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