Man kann es nur als Geniestreich bezeichnen, dass BMW die R ninety auf den Markt gebracht hat. Ein Retrobike, das frei ist von aufschneiderischem Fake und dabei die Erbsenzähler im Vertrieb ebenso befriedigt wie den emotionalsten Biker. Und dann bringen sie auch noch eine Racer-Version der R ninety - und sorgen damit für die Überraschung des Jahres.
Sie ist einfach bildschön, die BMW R ninety Racer, nachempfunden den Sportmotorrädern der frühen Siebzigerjahre mit Halbschalenverkleidung und einem Höcker hinten. Ein Café Racer, wie er im Buche steht. Strahlend weiß mit den BMW-Motorsportfarben dazu. Dazu Fünfspeichen-Leichtmetall-Gussräder, 3,5 x 17‘‘ vorne und 5,5 x 17‘‘ hinten, mit klassischer Telegabel vorn und Paralever hinten. Der Rundscheinwerfer ist ebenso klassisch wie die beiden Rundinstrumente, die per Bordcomputer aber in zwei kleinen Displays alle Infos bereit halten, die man braucht. Nur eine Tankuhr vermisst man schmerzlich, immerhin braucht die BMW knappe sechs Liter auf hundert Kilometer, bei 17 Liter Tankvolumen.
Es ist nur eine von mehreren R-ninety-Versionen, denn fürs Customizen ist die ganze Baureihe gedacht, mit ihrem modular aufgebauten Stahl-Gitterrohrrahmen. Das ist also nicht die Überraschung. Sondern: dass die Racer bei Weitem sportlicher ist, als man es ihr zutraut!
Sitzen? Liegen? Aufgespannt sein.
Wer ein komfortables Ausflugsbike mit schnittiger Optik erwartet, wird schnell große Augen machen, und zwar bereits wenn er aufsteigt. Hier sitzt man sportlicher als auf vielen dezidierten Supersportlern. Nein, auf der Racer sitzt man nicht, man liegt. Noch besser gesagt: Man wird aufgespannt zwischen dem Sitz samt Höcker und zurückverlegten Fußrasten und dem weit nach vorne unten verlegten Lenker. Da wird schnell klar: Dieses Bike will nicht gecruist, sondern gefordert werden. Das ist zwar nicht gemütlich, aber eine Wohltat in Zeiten, wo so viel auf Show gegeben wird und das Echte, das Authentische oft in den Hintergrund tritt.
Und wie fährt sie sich? Genau so, wie sie sich beim ersten Aufsteigen anfühlt. Hart, präzise und am besten, wenn man es in kurvigem Geläuf richtig laufen lässt. Federvorspannung und Zugstufendämpfung hinten sind einstellbar. Das Metier der 220 kg schweren Racer ist vor allem schnell.
Pensionist mit Nebenjob
Der Boxer ist wie bei allen R ninetys der alte luftgekühlte 1170-ccm-Motor, 110 PS stark und mit einem maximalen Drehmoment von 116 Nm bei 6000/min. gesegnet. Bei den normalen Baureihen wurde er durch die neue, wassergekühlte (und stärkere) Version abgelöst, in den ninetys darf er weiterleben und gleichsam in der Nachspielzeit (oder als Pensionist mit Nebenjob) noch Geld verdienen. Gut so, denn der Motor ist großartig! Geschmeidig dreht er aus tiefsten Drehzahlen hoch, nachdem man knapp über Standgas um eine Kehre gekurvt ist, schiebt mächtig an, um ab 6000/min. einen zweiten Frühling zu erleben. Der Boxersound aus dem polierten Klappenauspuff geht dabei direkt in die Muskeln, die die Hauthaare aufstellen.
Enge Kurven oder wenden auf der Landstraße (wenn man sich in der Euphorie verfahren hat) sind nicht so die Welt der Racer, dafür ist die Geometrie mit dem 1,49 Meter langen Radstand und dem verlängerten Nachlauf einfach nicht gemacht.
15.900 Euro kostet der Spaß, das Testbike hat Traktionskontrolle (377 Euro) und Heizgriffe (248 Euro) als Extras. Die einstellbaren Handhebel sind ebenso Serie wie die LED-Rückleuchte.
Eigene Rennserie für die BMW R ninety Racer
BMW zieht das, was man mit der R ninety geschaffen hat, voll durch. Ab der Saison 2018 startet am Rande der IDM der "BMW Motorrad BoxerCup 2.0", eine Neuauflage des legendären BoxerCups, bei der ausschließlich identische BMW R ninety Racer teilnehmen. Bis zu 30 Teams können teilnehmen. Voraussetzung ist eine B-Rennlizenz sowie der Kauf eines der für den BoxerCup modifizierten Bikes. Der Umbau umfasst unter anderem Gabelumbau und Stoßdämpfer von Wilbers, Brembo-Beläge, Akrapovic-Topf und Titankrümmer, "High End"-Lenkungsdämpfer von Müller Präzision und Racing-Software für ABS.
Unterm Strich
Die BMW R ninety Racer darf man nicht zufällig kaufen, nicht nur, weil sie schön ist. Man muss sich bewusst für die kompromisslose Sportlichkeit entscheiden. Als Alltagsbike für den täglichen Weg in die Arbeit macht sie einem das Leben eher schwer. Aber auch schön…
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