Kommentar

Denk ich an Gastein in der Nacht

Salzburg
05.11.2017 11:51

Diese Abwandlung des schönen 24. Gedichtes von Heinrich Heine fiel mir ein, als ich über die neuesten dramatischen Entwicklungen in Bad Gastein grübelte: Das historische Zentrum befindet sich nun in der Hand eines brutalen Sanierers, der nach eigenen Angaben oft eine blutige Spur zog und das Land ist mit Millionen Steuergeld dabei.

Heine schrieb diese Reime, die viele Literaten in krisenhaften Situationen zitieren:Denk ich an Deutschland in der Nacht, dann bin ich um den Schlaf gebracht . . .
Viele Literaten und Künstler und Kaiser und Mächtige dieser Welt fuhren ins einstige Wildbad Gastein, um hier endlich Heilung zu finden und langfristige geopolitische Weichen zu stellen.
In der Wandelhalle spazierten einst die Lungenkranken, geschützt vor Wind und Wetter, dann rollte die Roulettekugel im berühmten Spielcasino und schließlich kamen unter dem jungen Bürgermeister Anton Kerschbaumer (den Wilfried Haslauer I. als einen seiner möglichen Nachfolger betrachtet hatte) die Bagger: Das ultramoderne Kongresszentrum anstelle des K&K-Baus, dazu die Erschließung von Sportgastein, das pompöse Silvester-Endspiel von Liza Minnelli wollen wir nicht vergessen und am Ende stand der Ort unter Kuratel: Er war total pleite.
Bürgermeister Kerschbaumer starb früh an Leukämie.
Seltsame Vorgänge machten den Einstieg der Familie Duval möglich. Das Land drängte die Kur- und Kongresshausgesellschaft massiv, sich vom gewaltigen Haus Austria zu trennen. Dieses war der Sitz der Gemeinde und der Kurverwaltung. Renommierte Geschäfte und der Lesesaal befanden sich hier.
Der Geschäftsführer erhielt einen Job im Landestheater, wo seine Karriere - trotz sehr freundschaftlicher Kontakte zur Politik - eher unrühmlich mit einer Affäre endete.
Und mit einem Schlag hatten die Duvals und ihre Kompagnons das ganze Zentrum in der Gewalt. Mieter ekelte man hinaus oder sperrte ihnen mit Gittern den Zugang ab.
Der systematische Verfall der Häuser, die eine Epoche geprägt haben, lässt kaum Sinn erkennen. Er fällt dem Bundesdenkmalamt voll auf den Kopf. Gesehen. Geduldet. Mitgehangen . . .
Während in diesem Land kleine Hausbesitzer vom Bauamt wegen der Überschreitung von Zentimetern übel sekkiert werden und den Eigentümern einer zweiten Wohnung im Gesetz sogar die Beschlagnahme und Zwangsversteigerung droht, schienen sich die Duvals in Gastein alles erlauben zu können.
Nun steigt also das Land unter Wilfried Haslauer II. ein und holt sich den so genannten Sanierer Erhard Grossnigg ins Boot. Im Hintergrund agiert Hans Peter Haselsteiner, die Erschließung des Scharecks könnte vielleicht eine Rolle spielen. Eine inzwischen abservierte Landesrätin hatte sich redlich bemüht.
Da wäre auch noch Eva Hody, welche den Ableger des Bundesdenkmalamtes leitet.
Die neue Gasteiner Partie hat schon vorgefühlt, ob eine massive Aufstockung der Häuser möglich wäre, dann könnte eine gnadenlose, internationale Vermarktung folgen.
Das Land wird sicher nicht so streng sein wie beim Europark, wo die Versetzung einiger Wände in den Lagerräumen strikt verboten worden ist. Wo kommen wir da hin?
Erhard Grossnigg und Wilfried Haslauer reichen einander vor dem rauschenden Gasteiner Wasserfall die Hände und lächeln zufrieden.
Ein für mich bis vor wenigen Stunden noch völlig unvorstellbares Bild. Haslauer wird schon wissen, was er sich ein paar Monate vor der Landtagswahl antut und mit wem er da nächtelang verhandelt und paktiert hat.
Irgendwie seltsam geht´s zu in den Krisenzentren der Salzburger Tourismuswirtschaft.
Da wäre der abenteuerliche grenzgeniale Olympia-Bewerber Gernot Leitner, der den geheimnisvollen chinesischen Großinvestor nach Gaißau gebracht haben soll.
Bemerkenswert bis erschreckend war schon vorher das Engagement des Trachten-Produzenten Gerhard Gössl auf der Postalm, wo die Besitzer oder Pächter - so genau wissen wir das nicht - im schnellen Tempo wechseln.
Musste es Erhard Grossnigg sein, nur weil er nostalgische Gefühle fürs Gasteinertal hegt, wo er dereinst den Stemmbogen gelernt haben soll?
Kann Wilfried Haslauer nicht mit heimischen Bankern verhandeln, die bereits viele marode Betriebe in der Fremdenverkehrswirtschaft übernommen und saniert und korrekt weiterverkauft haben?
Regelmäßig wie der Abendstern bei klarem Wetter taucht über dem Gasteinertal der Retter auf.
Ein roter Teppich wird für ihn gelegt, so wie einst für den Schah von Persien oder König Ibn Saud vorm berühmten Hotel Europa.
Wie ein Komet verglüht er hinter dem Stubnerkogel.
Bad Gastein ist keine Büromöbelfirma, keine Porzellan-Häferl-Fabrik und kein Semmerlproduzent.
Bad Gastein ist ein Juwel von Salzburg.
Wer hat das vergessen?

Hans Peter Hasenöhrl, Kronen Zeitung

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