Wer sich ein Computerspiel gönnt, muss heute damit rechnen, nicht nur einmal zu zahlen. Immer mehr Unternehmen jubeln den Spielern nach dem Kauf des 70 Euro teuren Vollpreisspiels nämlich sogenannte Mikrotransaktionen im Spiel unter. Für ein paar Euro gibt es neue Waffen, Figuren oder Kostüme. Spätestens seit Electronic Arts diese Praxis mit einer Art Glücksspiel im neuen "Star Wars"-Shooter "Battlefront" auf die Spitze getrieben hat, sind die Spieler sauer. Doch In-Game-Shops sind nicht nur ärgerlich. Sie können süchtig machen und Existenzen zerstören.
"Ich bin 19 und glücksspielsüchtig." Diese Warnung spricht ein US-Gamer aus, der selbst Opfer dieser Mechaniken wurde. Er hat im Online-Forum Reddit einen offenen Brief an Electronic Arts veröffentlicht, in dem er von seiner eigenen Leidensgeschichte erzählt. Er hat im Laufe von rund drei Jahren 13.500 US-Dollar für virtuelle Gegenstände in Computerspielen ausgegeben und ein echtes Suchtproblem entwickelt, schreibt der Gamer mit dem Pseudonym Kensgold.
Zwei Jobs für die Sucht, Schule fast abgebrochen
Seine Sucht habe ihn fast ruiniert. In seiner schlimmsten Zeit habe er zwei Teilzeit-Jobs gehabt, um die virtuellen Dinge zu finanzieren, nach denen er so strebte. Er habe fast die Schule abgebrochen und die Beziehung zu seinen Eltern gefährdet. Diese hatten sein Suchtproblem natürlich bemerkt, ihm sogar den Internetanschluss gekappt. Doch der Drang, in Spielen wie "Counter Strike: Global Offensive", "Smite" oder "The Hobbit: Kingdoms of Middle-Earth" Geld auszugeben, war zu groß. Kensgold spielte einfach über die Internetverbindung seines Smartphones weiter.
Das Schicksal des 19-Jährigen ist keine Horrorgeschichte, sondern Realität. Dem Gaming-Blog "Kotaku" zeigte er seine Kontoauszüge - mit enormen Summen, die er in virtuelle Gegenstände versenkt hat. "Es fühlt sich nie so an, als wäre es eine gute Entscheidung, wieder Hundert Dollar auszugeben. Aber zu dieser Zeit dachte ich mir einfach: 'Wofür soll ich das Geld sonst ausgeben?'" Ein eigenes Auto? Eine Wohnung? Uninteressant. Zeitweise 90 Prozent seines Geldes versenkte der junge Mann in Games. Erst eine Therapie half ihm, sein Problem zu erkennen und zu lösen.
Heute macht er einen großen Bogen um jedes Spiel mit In-Game-Shop. Doch er ist kein Einzelfall: Minderjährige, die Tausende Euro ihrer Eltern für virtuelle Güter im Fußballspiel "FIFA" ausgeben; Politikersöhne, die das Geld des Vaters auf Steam verpulvern; Es gibt viele Fälle wie Kensgold.
Die Publisher hoffen auf genau diese Kundschaft
Die Spiele-Publisher haben einen Namen für Gamer wie Kensgold, schreibt "Heise": "Wale". Sie sind unter den Millionen Spielern, die wenig bis gar kein Geld in Videospielen ausgeben, eher selten. Aber wenn man einen von ihnen "fängt", dann zahlt es sich richtig aus. Für den Publisher, nicht den "Wal". Tatsächlich versuchen manche Unternehmen gezielt, diese Art von Spielern heranzuzüchten.
So geriet etwa "Call of Duty"-Herausgeber Activision kürzlich in die Kritik, weil das Unternehmen sich eine psychologische Methode patentieren ließ, mit der man Gamer durch den Faktor Neid zum Geldausgeben bringen wollte. Es müsse sich auszahlen, wenn jemand Geld ausgebe - so der Gedanke des Publishers. Spieler nennen diese Mechanik abschätzig "Pay to win".
Lootboxen sind eine besonders perfide Taktik
In jüngster Zeit verlagern sich die Taktiken der Gaming-Industrie vom Verkauf virtueller Gegenstände sogar auf virtuelles Glücksspiel. Wer einige Euro ausgibt, erhält - etwa bei "Battlefront" oder "Overwatch" - beim vielkritisierten Lootbox-System nicht das gewünschte Item, sondern eine Art virtuelles Überraschungs-Ei. Was er darin findet, entscheidet der Zufall. Und findet er darin nicht, was er sich erhofft hat, so wird er womöglich noch eines kaufen, hoffen die Publisher.
Eine Taktik, die so perfid ist, dass sich nun sogar die Politik für dieses Geschäftsmodell zu interessieren beginnt. Ein US-Politiker schimpfte EAs "Battlefront 2" kürzlich ein "Star-Wars-Onlinecasino für Kinder". Und in Belgien fordert die Glücksspielbehörde ein Verbot solcher Praktiken.
Am Ende entscheiden aber die Kunden, wie es mit der Geldmacherei in Computerspielen weitergeht. Solange sich Games wie "Battlefront 2" oder "Need for Speed Payback" trotzdem gut verkaufen, und solang die Publisher immer größere Teile ihres Umsatzes nicht mit dem Verkauf von Spielen, sondern dem Verkauf digitaler Dinge erzielen, wird sich der Trend fortsetzen.
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