Alfa Romeo ist unterwegs zurück nach vorn zu sportlichem Glanz - nicht nur mit der Rückkehr in die Formel 1: Nach dem BMW-M3-Killer Giulia Quadrifoglio bringen die Italiener nun das ebenfalls 510 PS starke Kompakt-SUV namens Alfa Romeo Stelvio Quadrifoglio, und das tritt sogar dem Porsche Macan Turbo sprichwörtlich in den eleganten Allerwertesten.
Auch wenn es der Nordschleifenrekord für Serien-SUVs, den der hochbeinige Sportler in 7:51,7 Minuten aufgestellt hat, vermuten lässt: Der Super-Stelvio ist keine brutale Fahrmaschine, die alle guten Umgangsformen auf dem Altar der Rundenzeit geopfert hat, sondern ein gar nicht so unkomfortables Alltagsgefährt, das aber alles mitbringt, um ambitionierte Fahrer glücklich zu machen.
In 3,8 Sekunden geht es aus dem Stand auf Tempo 100, erst bei 283 km/h ist Schluss. Der gemeinsam mit Ferrari entwickelte, 2,9 Liter große V6-Biturbo-Motor brennt dabei ein Feuerwerk ab, das alle Sinne - inklusive dem Gehör - glücklich macht. Sobald ein bisschen Drehzahl da ist, macht er Druck wie eine gigantische Espresso-Maschine und dreht ungehemmt bis knapp an die 7500 Touren. Ab 2500/min. liefert er maximal 600 Nm ab, bei 6500/min. feuern die vollen 510 PS, dass es nur so aus dem Auspuff spotzt. Ja, das darf er, jedenfalls in Dynamic- und Race-Modus, und zwar ohne künstlich erzeugten Fake-Sound aus den Lautsprechern, sondern mit natürlichen Mitteln wie etwa Auspuffklappen. Schönen Gruß nach München an dieser Stelle.
Vorbei die Zeiten, als Alfa Romeos als Schwergewichte durch die Gegend taumelten (oh Gott, Brera!). Der Stelvio Quadrifoglio ist mit 1830 kg Leergewicht der mit Abstand leichteste Vertreter seiner Art. Zum Vergleich: Mercedes-AMG GLC 63 S und Porsche Macan Turbo bringen rund 100 Kilogramm mehr auf die Waage. Und die Leistung? Der AMG hält bei 510 PS mit, bietet dank V8-Motor sogar 700 Nm, der Macan hingegen kommt selbst mit Performance Paket nur auf bescheidene 440 PS.
Gewicht spart Alfa vor allem durch die exzessive Verwendung von Aluminium ein, außerdem besteht die Kardanwelle aus Carbon; die Motorhaube jedoch - anders als bei der Giulia - nicht. Dafür finden sich im Innenraum überall Kohlefaser-Blenden, und gegen Aufpreis gibt es auch Sitzschalen aus dem Material, die guten Halt bieten und außerdem für ein wenig mehr Kniefreiheit auf der Rückbank sorgen.
Das Fahrerlebnis - phänomenal
Für erste Testfahrten haben wir uns an der Jabal Jais Mountain Road eingefunden, die hinauf zum auf 1934 Meter gelegenen höchsten Punkt der Vereinigten Arabischen Emirate führt. Alfa Romeo bezeichnet die Straße wegen ihres Kurvenreichtums als arabisches Pendant zum namensgebenden Passo di Stelvio, tatsächlich kann man sie jedoch auch als extrem gut ausgebaute Bergrenn- oder Teststrecke sehen (vor allem wenn die örtliche Polizei einen frei gewähren lässt - never try this at home!).
War ich die ersten Kilometer bergan noch mit Respekt und Vorsicht im Dynamik-Modus unterwegs, also mit viel Fahrspaß an der ESP-Leine, die nicht allzu viel Querfahrt zulässt, musste es dank rapide gestiegenen Vertrauens sehr bald der Race-Modus sein. Der sorgt nicht nur für sportliche Härte im serienmäßigen Adaptiv-Fahrwerk, direkteste Gasannahme, sportlich abgestimmte Lenkung (mit 12:1 extrem direkt übersetzt) und maximalen Krawall, dreht auch die elektronischen Sicherheitssysteme ab. Damit ist man als Fahrer auf sich allein gestellt.
Der V6 brüllt, die riesigen, fix montierten Alu-Schaltpaddles pfeffern die acht Gänge in nur 150 ms rein, wenn man im Manuellmodus rechtzeitig dran zieht (sonst landet man bei rund 7400/min. im Begrenzer). Ich verschmelze mit der Carbonschale (3100 Euro Aufpreis), die Pirelli Zeros winseln an ihren 20-Zöllern, das Herz lacht, während der Stelvio derart um die Ecken pfeift, dass er sein SUV-Dasein beinahe vergessen macht. Mit 50:50-Gewichtsverteilung fühlt er sich leichter an, als er ist, und bleibt im Grenzbereich gutmütig und leicht beherrschbar, nicht zuletzt weil er nicht kompromisslos hardcore-sportlich abgestimmt wurde.
Er überrascht den Fahrer nicht mit einem plötzlich überholenden Heck, sondern neigt leicht zum Untersteuern. Steigt man in diesem Moment aufs Gas, zieht einen der Allradantrieb mit Torque Vectoring mit Verve um die Ecke. An der Hinterachse sitzt ein Sperrdifferenzial mit zwei elektronisch gesteuerten Kupplungen, welche die Kraft auf die Räder verteilen. Also in Echt, nicht per Bremseingriff. Ein Effekt, der aus jeder Untersteuer-Situation einen Gewinn macht. Und in einen sauberen Drift übergehen kann, wenn man es drauf anlegt. Herrlich! Macht süchtig!
Puristen schreien natürlich nach Heckantrieb und manuellem Getriebe - lass sie schreien, das passt schon so. Beides bleibt der schnellen Giulia vorbehalten. Allerdings schickt "Q4" ohnehin meist die volle Kraft nach hinten, nur bei Bedarf gehen bis zu 50 Prozent nach vorne. Und wie gesagt: Mit 510 PS kann man auch mit einem heckorientierten Allradantrieb driften.
Einziges Manko: Der Tank ist mit 64 Liter zu knapp bemessen.
Entspannt cruisen mit Zylinderabschaltung
Wenn genug Adrenalin und Sprit geflossen sind (Normverbrauch 11,7 l/100 km), schaltet man den DNA-Taster auf Normal oder gar auf Advanced Efficiency und cruist gelassen dahin. Das Automatikgetriebe geht in den Segelmodus, wenn man vom Gas geht, und der V6-Motor schaltet zwischenzeitlich eine seiner zwei Zylinderbänke ab, damit man es noch zur nächsten Tankstelle schafft. Das Fahrwerk ist dann komfortabel genug, lediglich Lenkung und Bremse sind für smoothes Gleiten zu giftig.
Dann kann man über das optionale 8,8-Zoll-Display mit seinem Apple- oder Android-Handy spielen. Das Infotainmentsystem an und für sich ist zwar optisch schön integriert und hat mit dem BMW-artigen Drehdrücksteller beste Voraussetzungen, ist aber in Sachen Bedienbarkeit nicht das Gelbe vom Ei. Das nervt sogar bei der Basis-Giulia um 30.000 Euro.
Den Alfa Romeo Stelvio bekommt man nicht unter 109.000 Euro. Da ist schon jede Menge Ausstattung an Bord, die bei den Standardversionen extra bezahlt werden muss, dennoch gibt die Aufpreisliste noch einiges her, für das man mehrere Tausend Euro ausgeben wird.
Unterm Strich
Der Alfa Romeo Stelvio Quadrifoglio ist, man muss das so sagen, ein großer Wurf. Ein ernstzunehmender Sportler auf der einen Seite, ein Familienfreund mit Manieren und 525 bis 1600 Liter Kofferraumvolumen. Und so gutmütig abgestimmt, dass die 510 PS leicht zu bändigen sind. Jetzt muss man es nur noch schaffen, den Gasfuß im Zaum zu halten. Denn Straffreiheit im Straßenverkehr findet sich in der Aufpreisliste ebenso wenig wie LED-Scheinwerfer. Und leider ist nicht überall Nürburgring. Oder Jabal Jais Mountain Road.
Warum?
Warum nicht?
Oder vielleicht …
… Mercedes-AMG GLC 63 S, Porsche Macan Turbo mit Performance Paket. Und der Alfa Romeo mit 280 PS starkem Vierzylinder ist auch kein Kind von Traurigkeit - in "Super"-Ausstattung zum halben Preis.
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