Tag 2 im Buwog-Strafprozess gegen Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser und 13 weitere Angeklagte - und nun waren die Staatsanwälte am Wort. Nach den heftigen Angriffen der Verteidiger gegen die Richterin und wegen "der Vorverurteilung bisher nie da gewesenen Ausmaßes" durften die Staatsanwälte ihr Eröffnungsplädoyer halten, in dem die wesentlichsten Punkte der 825 Seiten langen Anklageschrift erläutert wurden. In einer kurzen Replik zerriss Grassers Verteidiger Manfred Ainedter anschließend die Anklage und sprach von einem "Grimm-Märchen" ohne Beweise. Geld sei nie ein Motiv für Grasser gewesen.
Es gehe um "Geld, Gier und Geheimnisse", hatte das Staatsanwalts-Duo Alexander Marchart und Gerald Denk betont und gleich einmal vor Augen geführt, um welche Summe es in diesem Prozess geht: "Ein Durchschnittsösterreicher muss laut Statistik Austria 370 Jahre arbeiten, um brutto so viel Geld zu verdienen." Damit sprachen die Ankläger jene Schadenssumme von knapp zehn Millionen Euro an, die durch die mutmaßliche Schmiergeldzahlung letztendlich für die Republik und damit auch für die Steuerzahler entstanden sei.
"Grasser bekämpfte nicht Korruption, war Teil des Problems"
Staatsanwalt Denk wies zu Beginn auf eine Broschüre Grassers als damaliger Finanzminister hin, die an seine Mitarbeiter gerichtet war. Darin war unter anderem die Forderung zu lesen, keine Geschenke anzunehmen und immer vorsichtig zu sein. Grasser selbst sei aber nicht die Lösung für das Korruptionsproblem, sondern vielmehr Teil des Problems gewesen. Die Anklage versprach auch, die lange Indizienkette zur einzig möglichen Schlussfolgerung zu führen: "Karl-Heinz Grasser, Walter Meischberger, Ernst Plech und Peter Hochegger wollten kassieren - und sie haben kassiert."
Dabei habe sich der damalige Finanzminister im Hintergrund gehalten, eine aktive Beteiligung wäre nämlich "zu auffällig" gewesen. Mit Unterstützung seiner Vertrauten habe Grasser aber Einfluss auf Kommissionen und Experten nehmen können, hinter denen sich der Hauptangeklagte verstecken konnte. "Er konnte sich zurücklegen und sagen: 'Ich habe ja nichts gemacht, habe auf die Experten vertraut.'"
"Gemeinsamer Tatplan": Skizze des Organigramms
Um den "gemeinsamen Tatplan" vor Augen zu führen, zeigte Denk eine Skizze, die der damalige Kabinettschef im Infrastrukturministerium den Ermittlern präsentiert hatte. Diese wiederum habe der Beamte im Zuge eines Gesprächs mit dem damals hoch angesehenen Lobbyisten Peter Hochegger auf einer Papierserviette übermittelt bekommen. Die Skizze zeigt jenes Organigramm, das die ausgedachten Schmiergeldzahlungen darstellen soll. Darauf sind die Namen Grasser, Meischberger, Plech und Hochegger zu lesen, aber jener des verstorbenen Kärntner Landeshauptmanns Jörg Haider.
Auch wenn Experten und Kommissionen vorgeschoben wurden, habe Grasser stets dann, wenn eine möglicherweise nicht genehme Entscheidung anstand, "angefangen, an Rädchen zu drehen". Der Republik sei es laut Buwog-Ausschreibung freigestanden, nach Belieben den Prozess abzubrechen, Teile herauszulösen oder anderweitig umzugestalten. Allerdings sei festgehalten worden, dass im Fall, dass zwei Angebote knapp beieinanderliegen, nachverhandelt werden soll. Das sei aber den Bietern nicht kommuniziert worden.
Gezielte Einflussnahme auf Bieterrunden
Grasser sei noch am gleichen Tag, an dem die Angebote der ersten Runde geöffnet wurden, vom zuständigen Beamten Heinrich Traumüller über die gebotenen Beträge informiert worden, so der Staatsanwalt unter Hinweis auf Kalendereinträge. Unmittelbar danach habe sich Grasser mit seinen mitangeklagten Freunden getroffen. Am 7. Juni habe es dann im Finanzministerium die Entscheidung gegeben, eine zweite Bieterrunde einzuberufen - obwohl sich die Experten erst am 8. Juni treffen und eine Empfehlung aussprechen sollten. Wenn die Experten der CA Immo den Zuschlag erteilt hätten, wäre das Bestechungsgeld für Grasser verloren gewesen, so der Vorwurf von Staatsanwalt Marchart.
Als dann erstmals das Österreich-Konsortium vorne lag - und zwar lediglich um eine Million Euro -, wurde eine weitere Bieterrunde kurzerhand abgesagt, obwohl eine solche in so einem knappen Fall in der Ausschreibung eigentlich vorgesehen gewesen wäre. Nun, nach erfolgreicher Einflussnahme, konnte das Schmiergeld laut Staatsanwaltschaft fließen.
Diese Geldflüsse um die halbe Welt dienen der Anklage ebenfalls als Beweis dafür, dass über komplexe Verzweigungen über Briefkastenfirmen und Konten die wahren Nutznießer der Schmiergeldzahlungen verschleiert worden seien. Bei keinem der Konstrukte sei Grasser als Berechtigter eingetragen gewesen, dies waren meist Meischberger oder Plech - allerdings einmal auch Grassers Ehefrau Fiona Swarowski-Grasser.
Warum gibt es keinen Beleg für "Schwiegermuttergeld"?
Ein besonderes Augenmerk legt die Anklage auf das sogenannte Schwiegermuttergeld, sprich 500.000 Euro, die Grasser von seiner Schwiegermutter erhalten haben will, um sein Veranlagungstalent zu testen. Laut Staatsanwaltschaft kann Grasser das Geld aber nicht von ihr bekommen haben, da die handelnden Personen bei der angeblichen Geldübergabe in der Schweiz gar nicht anwesend waren. Zudem habe die Schwiegermutter bei den Finanzbehörden angegeben, nicht die Inhaberin des Geldes zu sein. Jedenfalls soll Grasser die 500.000 Euro einem Mitarbeiter der Meinl-Bank übergeben haben - außerhalb der Öffnungszeiten des Finanzhauses. Interessant sei laut Anklage, dass es darüber keinerlei Beleg gebe, obwohl Grasser als "manischer Aufbewahrer von Belegen und Rechnungen" gelte. Das hätten die Ermittler schließlich bei diversen Hausdurchsuchungen feststellen können - nur in diesem und in anderen Verdachtsfällen habe es eben keine Belege gegeben.
Bei der zweiten angeklagten Causa, der Einmietung der Finanzbehörden in den Linzer Terminal Tower, habe sich Grasser - obwohl die Einmietung von den Experten empfohlen wurde - so lange quergelegt, bis das Schmiergeld von 200.000 Euro durch das Projektkonsortium Porr und Raiffeisen-Landesbank Oberösterreich floss, so der Vorwurf.
Noch bevor das Eröffnungsplädoyer der Staatsanwälte begonnen hatte, gab es auch schon die ersten Anträge der Verteidigung. Der Forderung, dass Ermittler des Bundeskriminalamts aus der dritten Reihe nach hinten verbannt werden, damit sie von dort die Unterlagen der Verteidiger und der Angeklagten nicht einsehen könnten, wurde stattgegeben.
Macht sich Staat der Geldwäsche schuldig?
Gleich mehrere Anwälte schlossen sich danach einem Antrag des Teams von Ex-Immofinanz-Chef Karl Petrikovics an, in dem es um den Ausschluss der Finanzprokuratur als Privatbeteiligter der Anklage geht. Der Schöffensenat beriet über die kuriose Frage, ob sich die Republik der "Geldwäsche" schuldig mache, wenn sie Geld aus einer kriminellen Handlung als Schadenersatz zuerkannt bekäme, sollte es am Ende zu einer entsprechenden Verurteilung kommen. Diese Frage wurde mit Nein beantwortet - und der Antrag daher abgelehnt.
Republik fordert 9,8 Millionen Euro Schadenersatz
Die Republik als Privatbeteiligte der Anklage fordert 9,8 Millionen Euro Schadenersatz von den Angeklagten - 9,6 Millionen Euro an Schadenswiedergutmachung für den Verkauf der Bundesimmobilienanstalt Buwog plus 200.000 Euro für die Einmietung der Landesfinanzbehörde in den Terminal Tower. Im Anschluss verlangte die Immofinanz-Firma CPC Corporate Finance Consulting von Hochegger wegen der Ausstellung fingierter Rechnungen für die zypriotische Briefkastenfirma Astropolis 9.912.812 Euro zurück. Auch die CA Immo als unterlegener Bieter im Buwog-Bieterverfahren fordert wegen des "finanziellen Schadens" durch die beeinflusste Vergabe Schadenersatz.
Grasser als "Satan schlechthin" dargestellt
Im Gegensatz zur Staatsanwaltschaft sprach Grassers Verteidiger Ainedter in einer kurzen Replik von einem anderen roten Faden, der sich durch die Anklageschrift zieht, nämlich nicht "Geld, Gier und Geheimnisse", sondern "Aktenwidrigkeit, freie Erfindung, blühende Fantasie und haltlose Unterstellungen". Geld sei nie das Motiv des damaligen Finanzministers gewesen, denn vor seinem Ministerposten habe dieser ja bei Magna durchaus gut verdient. Gleichzeitig appellierte Ainedter an die Schöffen, alles auszublenden, was in all den Jahren der Vorermittlungen in den Medien berichtet worden war. Sein Mandant sei als der "Inbegriff des Bösen", der "Satan schlechthin" dargestellt worden, der sich auf Kosten des Staates bereichern habe wollen.
Der Jurist versteht seinen Worten zufolge die Anklage "bis heute nicht". Es gebe schließlich nur Indizien, wie auch die Staatsanwaltschaft selbst betone. Beweise gebe es keine. Warum? "Weil es auch keine geben kann."
Die kurze Reaktion auf das Eröffnungsplädoyer der Anklage schloss Ainedter mit den Worten: "Die Anklage wird im Laufe des Verfahrens schmelzen wie ein Schneemann in der Sonne." Das wirkliche Eröffnungsplädoyer des Grasser-Teams wird am Donnerstag vorgetragen. Dann werde erläutert, "was wirklich geschah". Ainedters Rat an die Anwesenden: "Wir sollten alle gut ausgeschlafen sein."
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