Vor 26 Jahren wurde eine Witwe in ihrem Haus im niederösterreichischen Pressbaum ermordet. Am Montag stand nun ein Verdächtiger vor Gericht. Nachdem der Fall kürzlich aufgerollt wurde, geriet der Zusteller einer Bäckerei unter Verdacht. Der Fall schien geklärt. Im Prozess am Montag kam es jedoch zur überraschenden Wende: Der 55-Jährige wurde freigesprochen.
Die Staatsanwaltschaft hatte dem Angeklagten vorgeworfen, im Juni 1991 die 69-Jährige in deren Haus in der "Bonna" getötet zu haben. Der Witwe wurde laut Sachverständigengutachten mit einer Mineralwasserflasche und mit einem Glas auf den Kopf geschlagen, zudem wurde sie gewürgt. Sie erstickte an ihrem Erbrochenen. Außerdem soll das Haus erfolglos nach Wertsachen durchsucht worden sein. Dann wurde versucht, in mehreren Räumen Feuer zu legen, das aufgrund von Sauerstoffmangel jedoch erlosch.
Eine Zeugin, die die Witwe damals jeden zweiten Tag besucht und sich auch um die Katze der 69-Jährigen gekümmert hatte, hatte das Opfer tot aufgefunden. Der heute 67-Jährigen war ein an der Schnalle des Hauseingangs hängendes Sackerl aufgefallen. Daher sperrte sie die Tür mit einem Schlüssel auf, den sie seit einem Krankenhausaufenthalt der Witwe hatte. "Die Wände waren schwarz vor Ruß und sie ist in der Küche gelegen", sagte die Frau.
Fingerabdruck auf Trinkglas belastete Zusteller
Im Zuge von Cold-Case-Ermittlungen hatte die Auswertung eines Fingerabdrucks auf einem am Tatort sichergestellten Trinkglas aufgrund eines Datenbanktreffers zum 55-Jährigen geführt. Der Mann, der als letzte Wohnadresse eine Obdachlosenunterkunft in Wien angab, wurde heuer festgenommen.
Der Beschuldigte war 1991 bis Ende März als Zusteller einer Bäckerei tätig gewesen und hatte die Witwe regelmäßig beliefert. Die Frau habe ihn einige Male bewirtet, sagte der 55-Jährige aus. Später habe er die 69-Jährige nicht mehr aufgesucht. Der Angeklagte bekannte sich nicht schuldig - zum Tatzeitpunkt hatte er seinen Angaben zufolge wie immer zu Hause auf seine Tochter aufgepasst.
Das Glas sowie die Flasche wurden inzwischen vernichtet. Auf dem Heurigenglas wurde ein verwertbarer Fingerabdruck gesichert - dieser stammte vom rechten Zeigefinger des Angeklagten, führte der Gutachter aus. Wann die Spur entstanden war, ließ sich nicht feststellen. Danach sei das Glas nicht mehr gewaschen worden, so der Sachverständige.
Abdruck eindeutig beim Trinken entstanden
Anhand von damals angefertigten Fotos wurde während der Gerichtsverhandlung auch rekonstruiert, wie der 55-Jährige das Glas gehalten hatte, als der Abdruck entstand. Das Ergebnis war, dass es in normaler Trinkhaltung ergriffen wurde. Verteidiger Anton Hintermeier meinte im Schlussplädoyer, es sei nicht unwahrscheinlich, dass der Fingerabdruck über Monate auf dem Glas geblieben sei. Er beantragte einen Freispruch.
Nach kurzer Beratung entschieden die Geschworenen einstimmig auf Freispruch. Der Staatsanwalt verzichtete auf Rechtsmittel, somit ist das Urteil rechtskräftig.
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