Whoa, Nelly!

“I love it loud and fast!”

Musik
01.03.2007 15:33
Am 7. März macht Nelly Furtado mit ihrer „Get Loose“-Tour Halt in den Wiener Gasometern. Krone.at war beim phänomenalen Konzert in Paris dabei und hat Nelly backstage zum Interview getroffen.
(Bild: kmm)

Dort, wo vor 40 Jahren John, Paul, George und Ringo ihre Pilzköpfe striegelten, stehen jetzt Kinderzelt, Plastikrutsche und Spielwiese. Die ehrenwerte Pariser Olympia Hall beherbergt heute nicht nur den gesamten Tour-Tross von Nelly Furtado und ihrem Vorprogramm Reamonn, sondern auch einen kleinen, quirligen Gast, der sich erkundungsfreudig durch die dunklen Gänge, vorbei an den Garderoben und Interview-Räumen der Backstage-Area schieben lässt. 

Nevis Furtado hat die Augen ihrer Mutter, und obwohl sie erst vier wird, quasselt sie mindestens so viel wie Mama. Tourstress kennen die beiden nicht. „Es kann sehr lustig sein, mit einer Dreijährigen in einem Bus durch die Welt zu reisen“, sagt Nelly Furtado lachend. „In jeder Stadt gibt es neue Spielplätze und viel zu entdecken – auch für mich.“ Wenn sie Zeit hat, spaziert sie selbst mit ihr durch die Straßen, heute sind wir zu Gast und Nellys ältere Schwester kümmert sich um Nevis.

„Ich mag Live-Konzerte. Sie sind die einzigen Gelegenheiten, bei denen du deine Fans richtig spüren kannst. Sie singen deine Songs mit und du kannst aus den Gesichtern herauslesen, wie sehr sie die Musik bewegt“, sagt sie wenige Stunden vor dem Konzert. Schlag 21 Uhr. Die Olympia Hall ist restlos ausverkauft. Nellys Band betritt die weiße Bühne, die nur durch das Licht der Scheinwerfer gefärbt wird und startet mit „Say It Right“, der neuen Single, die bei uns am 2. März rauskommt – knapp 3.000 Franzosen singen mit. „Die Menschen haben viele Gründe, warum sie zu Konzerten gehen. Sie wollen sich ausleben, ein paar wollen entspannen oder tanzen. Und die anderen wollen sich vielleicht einfach nur betrinken“, kichert Nelly. 

Mit „Loose“ hat die 28-jährige Kanadierin im Juni letzten Jahres ordentlich aufhorchen lassen. Ganz anders als „Folklore“, ganz anders als „I’m Like A Bird“, aber auf jeden Fall noch „Whoa!“. Mit zwei Schlagzeugern, ein paar Gitarren und jeder Menge Keyboards verwandelt Nelly ihre alten Hits wie „Powerless“ und „Turn Off The Light“ in waschechte Powernummern und das Olympia in einen Dancefloor. Sie kommt im schrillen Paillettenkleidchen und dann in dunkelblauer Abendrobe. Singt Gnarls Barkleys „Crazy“ mit dem Publikum und sorgt bei ruhigen Songs wie „Try“, „In God's Hands“ und „All Good Things Come To An End“ (mit Unterstützung von Reamonn-Sänger Rea Garvey) auch für ein bisschen Gänsehaut. 

„Du weißt nie, welches Publikum dich erwartet. Manchmal diktiert die Musik die Stimmung, ein anderes Mal, sind die Leute so aufgekratzt, dass du dich ihnen fügen musst“, sagt Nelly. Die Ausgelassenheit greift dann nicht selten auch auf den Star des Abends über. Da kann es schon mal vorkommen, dass Nelly die neonfarbene Perlenkette aus der Hand rutscht und einem Fan in der ersten Reihe voll ins Gesicht schleudert. „Irgendjemand hat mich beworfen und ich hab aus Reflex reagiert. Ich dachte: ‚Oh, mein Gott. Die verklagt mich jetzt!’“

Das Pariser Publikum hätte sie für schuldig befunden. Schuldig, fürs Entfachen eines Lauffeuers. „Ne-lliii, Ne-lliii, Ne-lliii“, klingt es, wenn Franzosen Nelly Furtado bejubeln. Bei jeder noch so kleinen Pause, in der die portugiesisch-stämmige Sängerin, die neben Gitarre auch Zugposaune spielen kann, hinter der Bühne verschwindet und die vier Tänzer das Publikum auf den neuen Block an Songs einstimmen, blühen die Chöre erneut auf. Der bunte Haufen gefällt ihr. „Ich habe eine Menge schlechter Angewohnheiten. Ich bin unorganisiert, zerstreut und lasse Dinge einfach am Boden liegen. Ich bin sehr sprunghaft und liebe das Durcheinander.“ Alles Dinge, für die dich ein normaler Arbeitgeber in einem normalen Job feuern würde. „Aber zum Glück kann ich ja singen, ein bisschen wenigstens“, lacht Nelly.

Es gab eine Zeit, da kursierten auf YouTube etliche Videos von Furtado-Konzerten, in denen sie mit ihrer Stimme nicht gerade glänzte. Keine Ahnung, wie die entstanden sind. In Paris sitzt jeder Ton, jede Synkope und jeder Paukenschlag, mit dem sie die Zuhörer beim 2004er EM-Song „Forca“ antreibt. Plastikfußbälle segeln durch die Luft, im Stehplatz-Wirrwarr tauchen sogar drei, vier portugiesische Fahnen auf. Sie spielt den Partysong, ohne ihn durch den neuen, kantigen Stil von „Loose“ zu verändern. Ein Zugeständnis an die Fans, die sie mit ihrem Zweitling „Folklore“ erreicht hat. 

Für den Schluss, werden aber andere Saiten aufgezogen. Ein fetter Beat drückt gegen die Oberkörper in den ersten Reihen, für ein paar Minuten macht sie ein Cover von Justin Timberlakes „Sexy Back“, sehr zur Verwunderung oder auch Begeisterung des Publikums. „I like it loud and fast“, sagt sie mit Feuer in den Augen. Laut und schnell. „Ich habe mir in letzter Zeit zwar öfter gedacht, dass ich mit dem neuen Album vielleicht ein paar Fans enttäuscht habe, aber manchmal musst du auch ein bisschen egoistisch sein. Zum Glück denke ich an diese Dinge nicht, wenn wir im Studio sind. Es kommt immer erst danach“, sagt Nelly. Der Erfolg von „Loose“ gibt ihr Recht. Mit keinem Album hat sie mehr CDs verkauft und die Kritiker so fest auf ihre Seite gezogen. 

Die harte Arbeit im Studio ist ihr noch lebhaft in Erinnerung. „Dieses Album ist vor allem durch Schlaflosigkeit entstanden“, erzählt sie von den Aufnahmen mit Timbaland, Juanes, Coldplays Chris Martin und etlichen anderen Kollaborateuren. „Wir kamen einfach nicht zum Schlafen - aber es war bereichernde Schlaflosigkeit. Es ist unglaublich, wie sensibel und kreativ man ist, wenn dein Körper eigentlich gar nicht mehr mitmachen will. ‚Say It Right’ zum Beispiel haben wir um vier Uhr morgens gemacht, nachdem wir uns den Film über Pink Floyds ‚The Wall’ angesehen hatten. Diese Ideen kommen nicht, wenn du wach bist!“ 

Für das Finale taucht sie die Olympia Hall genau in dieses blubbernde Genre-Wechselbad der Songs von „Loose“. „Glow“, „Promiscuous“ und die spanische Reggaeton-Nummer „No Hay Igual“ sollen die Show beenden, aber die Pariser haben noch nicht genug vom Hüpfen, Tanzen und Grooven. Nelly Furtado kommt noch mal raus, schnallt sich die E-Gitarre um (dieselbe, die Angus Young von AC/DC immer benutzt!) und fackelt die Hütte mit „Maneater“ ab. „Ja, ich will laut, energisch und wild sein. Ja, ‚Maneater’ ist aggressiv und aufregend. Und ja, manchmal musst du übertreiben“, lacht Nelly Furtado. Übrigens: Nellys Gasometer-Konzert in Wien ist bereits ausverkauft.


Christoph Andert, Paris
 

Loading...
00:00 / 00:00
Abspielen
Schließen
Aufklappen
Loading...
Vorige 10 Sekunden
Zum Vorigen Wechseln
Abspielen
Zum Nächsten Wechseln
Nächste 10 Sekunden
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
Loading
Kommentare

Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.

Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.

Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.



Kostenlose Spiele
Vorteilswelt