Die – wenn man es so will – Erfolgsgeschichte von „Garish“ begann im Jahre 1997. Man gewann zwar den heute noch bestehenden Bandwettbewerb „America Is Waiting“ nicht, löste sich mit der Aufmerksamkeit aus dem Publikum aber quasi das Ticket zur ersten Plattenaufnahme.
Das erste Album kam drei Jahre später und fortan sollte Garish zum geläufigen Begriff im Independent-Pop für Österreich und seine Nachbarländer werden. Die Brüder Thomas und Christoph Jarmer, Gitarrist Julian Schneeberger, Kurt Grath am Bass und Schlagzeuger Markus Perner kamen mit jedem Album länger ins Gerede, drängten mit jedem Festival-Auftritt tiefer ins Gehör des Publikums und weckten mit jedem Zeitungsartikel, der über sie geschrieben wurde, mehr und mehr das Interesse großer Plattenfirmen.
Die Furcht vor dem Großen Berüchtigten
Für viele Bands kann der Moment gar nicht früh genug kommen, an dem sie ein Vertreter einer der vier großen Labels (Universal, SonyBMG, EMI, Warner) anspricht – meistens kommt er gar nicht. Für Garish muss das Wort „Majordebüt“ in all den Jahren jedoch wie eine Drohung übelster Sorte geklungen haben. Sie zierten sich nicht nur einmal vor dem großen Marketing-Bollwerk der „Big Labels“.
Christoph Jarmer: „Wir hatten schon beim letzten Album ‚Absender auf Achse’ Gespräche mit Universal - wir kannten einander also. Das ist damals aber nicht zustande gekommen, aufgrund verschiedener Probleme - hauptsächlich zeitlicher. Wir haben uns aber die Option offen gelassen, sich beim nächsten Album rechtzeitig noch einmal zusammenzusetzen und über eine Zusammenarbeit zu sprechen.“ Da is’ sie wieder – die Koalitionserklärung, die für den ausgewachsenen Musikhörer, der den Unterschied zwischen Ö3 und FM4 einzig an der Zahl auf dem Frequenzband festmacht und keinerlei Wert darauf legt, ob das gemochte Gehörte nun zur Kategorie der „Conventionalos“ oder doch der „Alternativos“ zählt, völlig aus heiterem Himmel kommt.
Sei’s drum! Major, minor, independent oder doch abhängig, wovon auch immer; gut is’ es geworden! Garish haben dieses Majordebüt gemacht und bekommen jetzt Radio- und TV-Spots für ihr neues Werk „Parade“, das in keinster Weise unter dem angeblich so verzerrenden Einfluss des großen Record-Labels gelitten hat, frei Haus geliefert. „Parade“ ist vielleicht das beste und stabilste Eisen geworden, das die fünf Musiker aus dem kleinen Mattersburg je geschmiedet haben. „Wir haben uns dieses Mal so weit gefühlt“, sagt auch Thomas Jarmer. Der Schritt, da sind sie überzeugt, war der richtige. Zumal die Plattenfirma, schon allein ihrer Reputation wegen, nach Garishs Pfeife tanzen musste.
„Parade“-Erfolg durch Konsens im Studio
Garishs Schublade ist das schmale Sideboard, das an der Seite des Küchenkastens vom obersten Fach fürs sonntägliche Silberbesteck bis ganz nach unten zum Stauraum für große Email-Töpfe und die dunklen Teflonpfannen reicht. Die Texte der „Parade“-Songs reichen vom verbalen Kopfstoß („Aller Welt“) bis zum verschrobenen Liebesgedicht („Nach dir benannt“), die Musik geht vom lieblichen Glockenspiel („Duell“) zum Gitarrenpopsong („Sagst du auch nein“), bei dem die Adaption auf den synkopierten Beat Minuten braucht, und wieder zurück zur westernhaften Slide-Gitarre („Keiner außer dir“).
„Im Ärmel meiner linken Hand“, nennt sich die Single-Auskoppelung. Geistreicher Text, Reime mit Wörtern, die viel zu selten gereimt werden und ein Refrain, bei dem dir schon allein ob seines hämischen Untertons ein Lächeln übers Gesicht huscht. Thomas Jarmer nennt die „Parade“ ein „durchaus fröhliches Album“ bei dem die Band bewusst auf den „Konsens im Studio“ (sie stehen auf den ZiB-2-Slang…) zwischen den Mitgliedern gesetzt hat. Die Melancholie der letzten Werke ist noch zu finden, aber weniger in der Musik als tief in den Lyrics vergraben.
Garish vereinen auf „Parade“ ein Kleinod an pop-atypischen Instrumenten zu einem gefälligen Ganzen, das ihr breites Verständnis des Begriffs Pop diesmal so richtig allen Ohren hörbar macht und ihrer 10-jährigen Erfahrung auch abseits der Bühne Tribut zollt. Xylophon, Oboe, Analog-Synthesizer, Trompete, zwischendurch die Harmonika, Thomas Perner greift an der richtigen Stelle zum Schüttelsand statt zum fetten Backbeat und selbst bei den elektrischen Gitarren ist für eine Differenzierung von der neubritischen Rickenbacker („Zufall“) zur Tex-Mex-Telecaster („Du bist wo“) noch ausreichend Raum geblieben.
„Edelpop“
Es liegt nicht nur an den Anzughosen und den „Kassabrillen“ (für die man ihnen ernsthaft ein Endorsement anbieten sollte…), dass Garish so intelligent wirken – der im Vorfeld jeder Note durchdachte Einsatz von Instrumenten und melodischen „Hooks“ macht ihre Musik zu etwas, für das man in Österreich die Kategorie „Edelpop“ erschaffen sollte.
Wenn ich 60 bin, möchte ich in die Wiener Stadthalle gehen und Garish mit der Präsentation ihres zehnten Albums hören. Danke für diese „Parade“ - und möge sie möglichst zum „Mainstream“ werden.
10 von 10 g'scheit ausverhandelten Koalitionsverträgen
Christoph Andert
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.