Electro-Dreier

Kosheen: “Wir sind gar nicht sooo depressiv…”

Musik
13.04.2007 13:42
Ein Kornfeld, irgendwo in England. Blauer Himmel, zartes Lüftchen – und links im Eck ein riesiger Sprung in der Scheibe. Die Welt hat einen Knacks bekommen, denkt man sich. Wer sein neues Album „Damage“ nennt und es mit einem derartigen Cover ziert, muss wohl mit der Gesamtsituation etwas unzufrieden sein. Kosheen melden sich nach fast vier Jahren Pause mit ihrem dritten Studioalbum zurück, das nicht nur düster ist sondern wieder voll Weltschmerz und Liebeskummer. „Aber wir sind nicht sooo depressiv“, sagt Keyboarder/DJ Dareen Decoder im Krone.at-Interview.
(Bild: kmm)

„Das neue Album fühlt sich gut an“, meint Darren. „Es ist eine Menge Zeit seit dem letzten vergangen und wir haben so verdammt viele Gigs gespielt, uns mit Labels geprügelt und Stress gehabt, dass der Gang ins Studio eine echte Erlösung war.“ 

Trauer und Schmerz waren immer schon (Haupt-)Bestandteil von Kosheen-Songs. Wenn man angefangen mit ihrem fulminanten Debüt „Resist“ einen Graphen aus Runterzieh-Faktor und Karriereverlauf zeichnen würde, wäre nach dem etwas optimistischeren Zweitling „Kokopelli“ mit „Damage“ der bisher maximale Tiefpunkt erreicht. 

Look at the damage we have done / I thought you were the one, singt Frontfrau Sian Evans, die bei Live-Auftritten stets die Bühne schrittvermessen darf, während ihre zwei Kompagnons dazu verdammt sind, hinter ihren Keyboards und Apple-Läppis am Stand abzuhotten. I’m not guilty anymore / you are, you are. Sian Evans' Zeilen sind nicht nur von Tristesse geprägt, es ist vielmehr mehr eine „Anti-Hoffnung“.

„Sian erzählt uns nicht, worüber sie bei diesem oder jenem Song geschrieben hat. Wir versuchen immer herauszulesen, was sie damit meinen könnte. Das kann manchmal echt nervig sein – meistens gibt es aber einen durchgehenden Unterton, an dem wir den Charakter der  Musik festmachen können“, erzählt Darren Decoder. „Die Leute denken sich oft, dass wir alles ein wenig schwarz malen – wir sind jetzt aber nicht sooo depressiv.“ 

Das Cover der neuen Platte wird diese Gerüchte aber kaum zerstreuen. Darren Decoder: „Wir wollten etwas Zerstörerisches, es sollte aber auch zum Album passen. Vorher hatten wir einen Autounfall probiert, das erschien uns aber dann doch etwas zu unpassend. (lacht) Der Albumtitel klingt auf den ersten Blick zwar sehr negativ, wir sehen dahinter aber auch Positives. Das Foto, das es dann schlussendlich aufs Cover schaffte, passte uns, weil es auch etwas Positives ausstrahlt. Es zeigt doch die Schönheit unseres Planeten.“ 

Gegensätze gehören bei Kosheen (Sian Evans stammt aus Bristol, Darren Decoder und Markee Substance aus Glasgow, der Bandname setzt sich aus den japanischen Worten für alt und neu zusammen) zum Tagesprogramm. Sie wurde mit Jazz groß, Markee und Darren waren Kinder des Punk-Movement. Gemocht werden sie vor allem wegen ihrer nahtlosen Integration von handmade Music in Drum’n’Bass-lastige Electro-Arrangements. So verwundert es auch nicht, dass – um noch einmal das Album-Cover zu bemühen – „Damage“ eine Landschaft ziert, wo andere vielleicht etwas mehr metallisches hinassoziieren würden. Darren: „Wir sind auf dem Land aufgewachsen. Kosheen ist vielleicht die letzte Electronic-Band, die einen Computerchip aufs Albumcover drucken würde! Dass wir mit Synthesizern arbeiten, heißt nicht, dass nichts Organisches an uns ist.“

„Damage“ ist erdig, obwohl die noch auf „Kokopelli“ sehr präsenten Gitarren ein Stück weit in den Hintergrund getreten sind. Die Single „Overkill“ erklärt ein gescheitertes Tête-à-tête mit der Metapher des kalten Krieges, „Same Ground Again“ handelt von festgefahrenen Situationen, in denen wir nicht ändern können was wir sind – nämlich Menschen, die nicht das sagen können, was sie fühlen und umgekehrt. Das beste an der neuen Platte: Sian Evans wandelt auf „Damage“ zwischen Rap, Blue Notes und Ausdrucksgesang und steht mehr im Mittelpunkt als je zuvor, da ihre zwei Kollegen musikalisch wenig Schräges, und fast zu wenig Kantiges fabrizieren. Organisch, halt.

Kosheen gastieren übrigens am 21. April im Wiener WUK!

7 von 10 zersprungenen Landschaften


Christoph Andert

Loading...
00:00 / 00:00
Abspielen
Schließen
Aufklappen
Loading...
Vorige 10 Sekunden
Zum Vorigen Wechseln
Abspielen
Zum Nächsten Wechseln
Nächste 10 Sekunden
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
Loading
Kommentare

Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.

Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.

Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.



Kostenlose Spiele
Vorteilswelt