Als studierter Maschinenbautechniker wird Tschechiens Premierminister die Expertenstellungnahme zu Temelín schon verstehen. Und den Brief, den er am Montag aus Wien bekommen hat, auch. Denn bei aller diplomatischen Notwendigkeit hat Österreich diesmal eine klare Botschaft an die Nachbarn geschickt.
"Vertragswidriges Verhalten..."
In dem Schreiben von Gusenbauer und Pröll an den tschechischen Regierungschef heißt es unter anderem: "Was die beiliegende Expertenstellungnahme jedoch belegt, wurden die zitierten Sicherheitsziele und -maßnahmen bis jetzt noch nicht erreicht bzw. gesetzt. Österreich ist daher der Auffassung, dass die Tschechische Republik ihre Verpflichtungen aus dem gegenständlichen Abkommen nicht erfüllt hat. Österreich lädt die Tschechische Republik daher ein, in Verhandlungen mit dem Ziel einzutreten, ihr vertragswidriges Verhalten zu beenden, Nichtwiederholung zuzusichern sowie den rechtmäßigen Zustand durch Erfüllung der eingegangenen Verpflichtungen herzustellen. Hochachtungsvoll..."
Experten sprechen von Unklarheiten
Der Brief könnte als Rechtsgrundlage für spätere (Völkerrechts-)Verfahren gegen die Tschechische Republik notwendig werden. Zumal laut dem Bericht der Expertenkommission in sieben sicherheitsrelevanten Bereichen nunmehr unbefriedigende Ergebnisse beziehungsweise offene Fragen bestehen. Und die Unklarheiten reichen von der "Reaktordruckbehälterintegrität und Schockbelastung" über die "Qualifikation von sicherheitsrelevanten Komponenten" bis zur "Erdbebengefährdung des Standortes".
Dass die tschechische Seite sich diesmal einsichtig zeigt, ist nach den bisherigen Erfahrungen nicht zu erwarten. Wie berichtet, hatte zuletzt Außenminister Schwarzenberg die Kritiker des Atomkraftwerks Temelín ziemlich pauschal als "Spinner" bezeichnet. Das könnte bei Schwarzenberg allerdings auch andere Ursachen haben.
Der Brief nach Prag war längst überfällig. Möglicherweise haben die jüngsten Provokationen des tschechischen Außenministers Schwarzenberg die Entwicklungen beschleunigt. Auffällig ist das Fehlen der Unterschrift von Schwarzenbergs österreichischer Amtskollegin, Ursula Plassnik. Aber das ist im Grunde nicht weiter wirklich wichtig. Viel entscheidender ist, dass sich der Bundeskanzler und der Umweltminister jetzt zu einem gemeinsamen Vorgehen entschlossen haben.
Claus Pándi, Kronen Zeitung
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