Obdachlose in Linz

„Wollt ihr wirklich die ganze Wahrheit hören?“

Zu viel Hitze und Alkohol, zu wenig Schlaf aus Angst, überfallen und beraubt zu werden. Auch im Sommer ist das Leben auf der Straße hart. Doch die Obdachlosen in Linz halten zusammen.

Es ist noch nicht einmal Mittag, schon knallt die Hitze erbarmungslos auf den Asphalt. Sebastian (32) nimmt einen Schluck von seinem Bier und zündet sich eine Zigarette an. Er und sein Kumpel Gerald (35) schlagen gemeinsam die Zeit tot. „Ich lebe seit drei Jahren auf der Straße. Im Winter schlafe ich in der Fahrradgarage hier am Hauptbahnhof, im Sommer im Park. Aber da bin ich schon beklaut worden. Da war dann alles weg, mein Rucksack, meine Dokumente, die paar Dinge zum Anziehen“, schüttelt Gerald den Kopf. 

Die demente Mutter gepflegt und dann ist auch der Bruder gestorben
„Ich verstehe das nicht. Wir kämpfen doch alle nur für eine Sache. Es geht ums Überleben“, sagt sein Freund Sebastian. Der genauso wie all die anderen Obdachlosen eine schwere Zeit hinter sich hat. „Ich hab’ mich drei Jahre um meine demente Mutter gekümmert, dann ist auch noch mein Bruder gestorben. Und jetzt sitze ich hier, trinke Bier und rede über Gott und die Welt.“

Die Welt hat es nicht gut mit den beiden gemeint. „Wir müssen wieder aufstehen, mit dem Alkohol aufhören, uns eine Wohnung und wieder einen Job suchen“, zeigt sich Gerald kämpferisch.

„Es ist fast unmöglich, da rauszukommen“
Ein Mensch, der den beiden dabei hilft, aus der Obdachlosigkeit rauszukommen, ist Isolde. Sie arbeitet als Streetworkerin beim Verein B37 und versorgt ihre Schützlinge täglich mit Gewand, Hygieneartikeln und Wasser. Dazu regelt sie Dinge wie Behördengänge.

„Man trinkt ja nicht aus dem Nichts heraus. Das gehört aufgearbeitet. Aber der Zugang zu psychologischer Unterstützung ist schwierig, weil es nur wenige Anlaufstellen gibt. Ohne Einkommen, ohne Krankenversicherung ist es fast unmöglich aus so einer Situation rauszukommen“, weiß Isolde.

Notschlafstelle Sozialverein B37 

Die Notschlafstelle in der Anastasius-Grün-Straße 2 ist in den Sommermonaten von 19 – 7.30 geöffnet. Es stehen 59 Betten zur Verfügung; die Nacht kostet 4,80 Euro. Obdachlose können hier bis zu vier Wochen Unterschlupf finden, individuelle Verlängerung ist möglich. Es gibt Schlaf-, Koch- und Duschmöglichkeit.

„Sonst wären wir komplett verloren“
Auch Christian und Sigi leben auf der Straße, nutzen aber anders als Gerald und Sebastian für die Nacht die Notschlafstelle. „Wollt ihr die Wahrheit hören? Wir können froh sein, dass wir so eine Unterkunft haben, sonst wären wir komplett verloren“, schnappt sich Sigi ein Handtuch und verschwindet in die Dusche.

Eine Abkühlung nach einem elendslangen Tag auf der Straße tut gut. Der 41-Jährige saß wegen Drogenhandels im Gefängnis, ist jetzt auf dem Weg der Besserung. „Das Leben auf der Straße übersteht man nur mit Drogen, aber ich will nicht mehr dealen. Und nicht mehr in den Knast.“

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