„Krone“-Interview

Böhmermann: „Österreich brunzt gegen Stromzaun“

Als spitzzüngiger Satiriker setzt sich das deutsche Show-Multitalent Jan Böhmermann gerne mit Österreich auseinander. Wie er die kürzlich über die Bühne gegangene Nationalratswahl verfolgt hat, was das für seinen geplanten Auftritt in Wien bedeutet und weshalb er sich Österreich so nahe fühlt, das erzählt er der „Krone“ und der APA im Doppeltalk.

„Krone“: Herr Böhmermann, Ihren vergangenen Konzertauftritt 2023 in Österreich haben Sie im Vorfeld als eine Art „politische Entwicklungshilfe“ bezeichnet. Die hat ja wohl eher nicht gefruchtet, oder?
Jan Böhmermann: Das war damals der letzte Versuch, die wilden Österreicher mit der Magie meiner zauberhaften Musik zu zähmen. Es hat leider nicht funktioniert. Das ist bitter, ich übernehme dafür gerne meinen Teil der Verantwortung. Ich bin aber fest im Glauben an die Mündigkeit der österreichischen Wählerinnen und Wähler. Die Scheiße habt ihr euch selber eingebrockt. Jetzt müsst ihr schauen, wie ihr damit klarkommt. Und mit Scheiße meine ich nicht nur die braune Scheiße, sondern auch die bestehende Fast-Unmöglichkeit jetzt eine vernünftige, stabile Regierung zu bilden. Es ist der absolute Wahnsinn. Wie kann es sein, nach all dem ausgerechnet auf Herbert Kickl hereinzufallen? Wurdet ihr alle geblitzdingst wie bei „Men In Black“? Wie gut ist das Gedächtnis der Wählerinnen und Wähler in Österreich? Offenbar nicht sehr gut.

Auch „Was macht eigentlich Frau Kneissl?“, fragt sich Jan Böhmermann. (Bild: AFP )
Auch „Was macht eigentlich Frau Kneissl?“, fragt sich Jan Böhmermann.

Woher kommt Ihre genaue Kenntnis und Ihr großes Interesse an den innenpolitischen Entwicklungen in Österreich? Das ist aus deutscher Perspektive ja keine Selbstverständlichkeit.
Ich empfinde eine tiefe Zuneigung zum Land. Ich mag die Österreicherinnen und Österreicher einfach gerne und bin seit meiner Kindheit oft in ihrem Land – mehrmals im Jahr, manchmal beruflich, manchmal privat. Ich habe eine große Nähe zu österreichischem Humor oder österreichischer Literatur. Viele Kolleginnen und Kollegen aus meiner Redaktion kommen aus Österreich. Entsprechend persönlich berührt bin ich, was für eine Katastrophe sich da politisch in Österreich entwickelt. Aber mal einen Schritt zurück: Die Herausforderung, vor der Deutschland steht, mit der russischen Aggression umzugehen, dieser Herausforderung hat sich Österreich als „neutraler Staat“ früher stellen müssen. Österreich war immer ein klein bisschen näher dran am russischen Einfluss. Deshalb kann man an Österreich immer schon sehr gut absehen, was einmal in Deutschland relevant wird. Kurz eine ganz andere Frage: Was macht eigentlich Frau Kneissl? Ich habe gelesen, sie ist jetzt Tigerbotschafterin. Gibt es noch Kontakt zur ehemaligen Außenministerin der Republik Österreich oder ist er abgerissen, um keinen Ärger von den Amerikanern zu bekommen?

Wie hat sich ihr Blick auf Österreich über die Jahre verändert?
Ich bin ein kleines bisschen verdutzt darüber, dass das Urteilsvermögen der Österreicher derart getrübt ist. Gerade der rechtsextreme Herbert Kickl, der als Innenminister furchtbare Dinge mit den österreichischen Sicherheitsbehörden, dem Verfassungsschutz und ganz generell seinem Heimatland veranstaltet hat. Österreich brunzt gegen den Stromzaun, kriegt einen Schlag und brunzt dennoch immer und immer wieder dagegen.

Lässt sich dieser Kreislauf durchbrechen?
Vielleicht muss man dem Gefühl, das viele Menschen berechtigterweise haben, dass sich Dinge in einer Geschwindigkeit und Radikalität verändern, dass manche vielleicht nicht mehr hinterherkommen, mit konstruktiven Ideen und seriösen Erklärmodellen begegnen. Erzählungen, die neu sind, optimistisch und reizvoller als die der rechtsextremen Schreckenspropheten. Politik, die nicht einfach der Angst nachgibt und einen Sündenbock sucht. Diese gegenwärtige, aufs Ekelhafteste eingekochte Debatte, dass Ausländer an allem Schuld seien – das ist so dumm, so reduziert und eine ganz neue Qualität von Gruppenwahn – in Österreich und in Deutschland.

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Diese gegenwärtige, aufs Ekelhafteste eingekochte Debatte, dass Ausländer an allem Schuld seien – das ist so dumm, so reduziert und eine ganz neue Qualität von Gruppenwahn.

Jan Böhmermann

Sie haben vor Kurzem den Song „Faschismus Is Back“ veröffentlicht. Bringt zugespitzte Satire aus Kunst und Kultur noch was oder verläuft man sich selbst im Kreis?
Wenn man glaubt, dass Kunst die Lösung ist, dann ist man schief gewickelt. Kunst begleitet Gegenwart. Politische Kunst ist jetzt viel wichtiger als zuvor. Bis hierhin war politische Kunst oft Warnung, jetzt heißt es politische Kunst mit der gleichen Konsequenz in einem feindseligeren Klima zu machen. Das macht doch viel mehr Spaß, das spritzt doch noch mehr. Es ist viel herausfordernder, man landet noch schneller vor Gericht, es gibt noch lauteren, blöderen Ärger. Mit 30 Prozent Rechtsextremen im Parlament wird widerständige Kunst doch erst richtig interessant!

Gibt es Momente, in denen Sie sich ängstlich zeigen, wie es für die Gesellschaft bzw. die Welt weitergehen soll?
Wir haben es in Europa geschafft, uns aus dem finstersten Mittelalter in Aufklärung und freie und liberale Demokratien hochzuarbeiten. Nie konnten Menschen so sehr sein, wie eben sie möchten. Und bei allem Pessimismus sind wir noch weit davon entfernt, wieder in die totale Finsternis zurückzufallen. Und selbst wenn: Wenn es uns einmal gelungen ist, uns aus finstersten Zeiten herauszuarbeiten, dann kann uns das auch wieder gelingen. Es enttäuscht natürlich trotzdem, wie dumm die Menschen sind. Andererseits: Wenn man mal selber in sich hineinschaut und merkt, wie dumm man selber ist, wundert es einen auch nicht.

Am 28. Jänner kommen Sie mit dem Tanzorchester Ehrenfeld nach Wien in die Stadthalle. Das Konzert findet gegen Ende Ihrer Tournee statt. Auf welchen Jan Böhmermann trifft man da? Müde und genervt oder doch noch voller Spielfreude?
Wenn uns Österreich ausgezehrt von den Regierungsverhandlungen mit großen Augen und blassen Gesichtern in der Hoffnung anstarrt, dass wir mit einem Konzert die Erlösung bringen, dann spielen wir nur nach Vorschrift. Bitte nicht so einen Druck! Weg mit dem Wunsch nach einem allmächtigen Erlöser! Stürzen wir uns zur Not lieber gemeinsam in fröhlichen Fatalismus. So habe ich Österreich auch kennengelernt. Das hat doch Österreich Deutschland voraus. Ihr müsst den Karren schon selbst aus dem Dreck ziehen. Wir machen nur die Musik dazu.

Beeinflusst der Wahlausgang das Programm?
Wir hoffen, dass wir im Januar noch einreisen dürfen, obwohl wir Ausländer sind.

Sie als Showdinosaurier gefragt: Wie verfolgen Sie das Comeback von Stefan Raab?
Ich habe Stefan Raab wirklich von Herzen dafür respektiert, dass er wusste, wann Schluss ist mit Fernsehen. Das fand ich wirklich bewundernswert.

Live in der Wiener Stadthalle
Am 28. Jänner kommt Jan Böhmermann mit seinem Rundfunk-Tanzorchester Ehrenfeld erstmals in die Wiener Stadthalle. Im Krone Ticketshop unter ticket.krone.at gibt es noch Karten für das Großevent zu Jahresbeginn.

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