Bedrohliche Keime

Langzeitfolgen von Lebensmittelvergiftungen

Wissenschaft
15.02.2008 16:34
Nicht immer enthalten Lebensmittel lediglich die gewünschten Nährstoffe. Manchmal bergen sie auch bedrohliche Keime. Diese Bakterien verursachen meist akute Beschwerden wie Durchfall und Magenkrämpfe. Aber unter Umständen können Lebensmittelvergiftungen einem Menschen noch Jahrzehnte später schwerste Schäden zufügen. Erst jetzt wendet sich die Medizin einem Problem zu, das jahrzehntelang vernachlässigt wurde.

"Viele Leute glauben, dass eine Infektion nach der Genesung vorbei ist und das Leben normal weitergeht", sagt Robert Tauxe von der US-Gesundheitsbehörde CDC. Aber mitunter lösen die Keime Veränderungen aus, deren Konsequenzen sich erst nach Monaten oder gar Jahren zeigen. Dazu zählen etwa Arthritis durch Salmonellen, Nierenversagen durch Kolibakterien oder Atemlähmung durch Campylobacter. Diese Langzeitfolgen seien "ein kaum untersuchtes, aber wichtiges Thema von Lebensmittelvergiftungen", sagt Tauxe.

Zwar machen derart drastische Spätwirkungen vermutlich nur einem kleinen Teil jener 76 Millionen US-Bürger zu schaffen, die sich jedes Jahr durch Lebensmittel mit Keimen infizieren. Aber wie viele Menschen wirklich betroffen sind, weiß niemand. Und offen ist auch, für welche anderen Krankheiten Keime die Grundlage schaffen.

Diabetes 
"Wir unterschätzen gewaltig, wie stark Lebensmittelvergiftungen die Gesellschaft belasten", sagt Donna Rosenbaum von der Verbraucherschutz-Initiative STOP (Safe Tables Our Priority). Woche für Woche melden sich bei der Organisation Menschen, die akute Gesundheitsprobleme auf lange zurückliegende Infektionen zurückführen. Wie jene Frau, die mit acht Jahren eine Kolibakterien-Infektion überlebte und der im Erwachsenenalter der Darm entfernt wurde. Oder Menschen, die nach einer bakteriell verursachten Entzündung der Bauchspeicheldrüse an Diabetes erkranken. "Wir können diesen Leuten niemanden nennen, der in der Lage ist, ihnen Auskunft zu geben", sagt Rosenbaum.

325.000 Menschen kommen in den USA pro Jahr wegen Lebensmittelvergiftungen ins Krankenhaus, 5.000 Patienten sterben daran. Manche Langzeitfolgen sind bei den Überlebenden von Anfang an absehbar. Einige werden wegen Darmschäden ständig an Verdauungsproblemen leiden, andere eine neue Niere brauchen. Aber die meisten Patienten erholen sich zunächst. Bekommen sie später Beschwerden, so lässt sich kaum nachweisen, ob diese eine Hinterlassenschaft der früheren Vergiftung sind oder nicht.

Nierenversagen 
Eine der wenigen Studien dazu stammt von der Universität von Utah. Mediziner der Hochschule verfolgten das Schicksal von Kindern, die mit Kolibakterien infiziert waren. Etwa jedes Zehnte entwickelte zunächst das lebensbedrohliche hämolytisch-urämische Syndrom (HUS), das zum Versagen von Nieren und anderen Organen führt.

Von den HUS-Überlebenden tauchten bei 30 bis 50 Prozent zehn bis 20 Jahre nach der Genesung erneut Nieren-bedingte Probleme auf, wie der Infektiologe Andrew Pavia berichtet. Dazu zählten etwa Bluthochdruck oder auch Nierenversagen mit anschließender Dialyse. "Das heißt nicht, dass jeder Infizierte sich sorgen muss", sagt Pavia. Kolibakterien verursachen offenbar erst dann dauerhaft Probleme, wenn die Nieren geschädigt sind. "Bei den Patienten ohne Komplikationen haben wir bisher keine Hinweise auf weitere Folgen", sagt Pavia.

Guillain-Barre-Syndrom
Aber auch andere Lebensmittelkeime verursachen Probleme: Etwa der vor allem durch rohes Geflügel übertragene Campylobacter. Einer von 1.000 Infizierten entwickelt in der Folge das wesentlich schlimmere Guillain-Barre-Syndrom. Dabei greift der Körper die eigenen Nerven an, was zu Lähmungen führt, die mitunter eine Beatmung erfordern. In der Vorgeschichte von etwa jedem dritten amerikanischen Guillain-Barre-Patienten findet sich eine Campylobacter-Infektion. Bei diesen Patienten verläuft die Erkrankung generell wesentlich gravierender.

Nach einer Salmonellenvergiftung entwickelt ein kleiner Teil der Patienten Monate später eine sogenannte reaktive Arthritis. Die dafür typischen Gelenkschmerzen können mit Entzündungen der Augen oder schmerzhaftem Harnfluss einhergehen und chronisch werden. Auch Shigellen und Yersinien können laut Tauxe eine reaktive Arthritis auslösen.

STOP hat nun damit begonnen, erstmals Opfer von Lebensmittelvergiftungen, die langfristig Beschwerden entwickeln, landesweit zu registrieren. Die Patientengeschichten, so hofft Rosenbaum, sollen dabei helfen, ein drängendes medizinisches Problem wissenschaftlich zu erforschen.

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