Kosovo-Abspaltung

Serbien zieht Botschafter aus Österreich ab

Ausland
20.02.2008 18:12
Serbien will aus Protest gegen die angekündigte Anerkennung des Kosovo seine Botschafter aus Österreich und Deutschland abziehen. Das sagte der serbische Außenminister Vuk Jeremic (im Bild) am Mittwoch in einer Pressekonferenz in Straßburg. Serbien werde weitere Botschafter abziehen, sobald auch andere Länder den Kosovo anerkennen, sagte Jeremic auf Journalisten-Fragen. Die österreichische Regierung hat am Mittwoch die Anerkennung des Kosovo beschlossen. Bundeskanzler Alfred Gusenbauer sagte nach der Regierungssitzung, man werde Bundespräsident Heinz Fischer "die Aufnahme diplomatischer Beziehungen und die Anerkennung der Unabhängigkeit des Kosovo" vorschlagen.

Der serbische Botschafter in Wien, Dragan Velikic, werde erst nach der formellen Anerkennung des Kosovo durch Österreich einen offiziellen Protest im Außenministerium einbringen. Danach werde er innerhalb von 48 Stunden abberufen und nach Belgrad zu Konsultationen zurückbeordert, hieß es in der serbischen Botschaft in Wien. Dabei handle es sich um keinen Abbruch der diplomatischen Beziehungen, sondern um eine Geste der Unzufriedenheit Belgrads wegen dem Vorgehen Österreichs in der Kosovo-Frage, betonte ein serbischer Diplomat.

Protest Serbiens auf diplomatischer Ebene
Serbien wird weiterhin vor allem auf diplomatischer Ebene gegen die Unabhängigkeit des Kosovo protestieren. "Wir werden nicht militärisch intervenieren", hat der serbische Vizeverteidigungsminister am Mittwoch festgestellt. Zugleich unterstrich er, dass seine Regierung "mit aller Kraft" gegen die "illegale" Unabhängigkeitserklärung des Kosovo protestiere. Aus jenen Ländern, die den Kosovo anerkennen, wurden die Botschafter abberufen.

Erste Schritte zur Anerkennung im Ministerrat
Im österreichischen Ministerrat wurden am Mittwoch die ersten Schritte in Richtung Anerkennung gesetzt. Ein von Außenministerin Ursula Plassnik vorgelegtes Schreiben wurde von der Regierung beschlossen. "In Übereinstimmung mit der österreichischen Rechtslage schlägt die Bundesregierung dem Bundespräsidenten vor, mich als Außenministerin zu ermächtigen, das Anerkennungsschreiben an die kosovarische Regierung zu richten", hieß es in einer Aussendung des Außenministeriums. Damit wird dem Bundespräsidenten vorgeschlagen, "die Aufnahme diplomatischer Beziehungen und die Anerkennung der Unabhängigkeit des Kosovo" vorzunehmen. 

Präsident Fischer stimmt erst nächste Woche zu
Bundespräsident Heinz Fischer wird sich allerdings erst nach seiner Rückkehr aus Afrika nächste Woche mit der Kosovo-Anerkennung beschäftigen und dann der Außenministerin Ursula Plassnik die Ermächtigung erteilen, das offizielle Anerkennungsschreiben auszufertigen, teilte Präsidentensprecher Bruno Aigner am Mittwoch mit. Der Ministerrat treffe nur eine politische Entscheidung. "Dies ist aber noch keine formelle Anerkennung", betonte der Sprecher.

Serben demolieren Grenzposten
Etwa 1.000 aufgebrachte Serben zerstörten am Dienstag zwei UN-Grenzposten, woraufhin die Kosovo-Schutztruppe KFOR eingriff. Die Serben marschierten zu den Grenzübergängen Jarinje und Banja und zerstörten die dortigen Kontrollpunkte der Kosovo-Polizei. Die Gebäude seien in Brand gesetzt bzw. gesprengt worden, hieß es. In Jarinje hissten die Demonstranten die serbische Flagge. Augenzeugen berichteten über in Brand gesetzte Autos der Polizei und umgekippte Bürocontainer. Die Organisatoren sprachen von 10.000 Demonstranten. Französische KFOR-Soldaten fuhren mit Panzern auf, um die Ordnung wiederherzustellen.

Belgrad unterstützt die Gewalt
Die serbische Regierung hat die gewaltsamen Proteste von radikalen Kräften der serbischen Minderheit im Kosovo begrüßt. Kosovo-Minister Samardzic sagte, mit den Zollposten werde das Ziel verfolgt, eine Staatsgrenze zu errichten. "Wir werden das nicht zulassen", sagte der Minister in einem Interview des Fernsehsenders B92. Er kündigte an, dass seine Regierung die Zollstellen im Norden des Kosovos übernehmen wolle. Die Kontrollstellen werden bislang von den Vereinten Nationen betrieben. Nach den gewaltsamen Aktionen vom Dienstag sperrten NATO-Truppen die Straßen zu den Kontrollstellen an der Grenze.

Klage vor dem Internationalen Gerichtshof
Serbien wird vor dem Haager Internationalen Gerichtshof (IGH) Klagen gegen jene Staaten einreichen, die den Kosovo anerkennen. Belgrad will auch deshalb vor der internationalen Justiz vorgehen, um das Eigentum des serbischen Staates, seiner Bürger, der serbisch-orthodoxen Kirche und der Privatwirtschaft im Kosovo zu schützen. Dies erklärte der serbische Handelsminister Predrag Bubalo am Mittwoch für den staatlichen TV-Sender RTS.

Keine gemeinsame EU-Linie
Bereits am Montag hatte die EU beschlossen, jedem der 27 Mitgliedstaaten selbst die Entscheidung zu überlassen, ob er den Kosovo anerkennt oder nicht. "Der Rat stellt fest, dass die Mitgliedstaaten über ihre Beziehungen mit Kosovo entscheiden in Übereinstimmung mit ihren nationalen Praktiken und Völkerrecht", heißt es in einer am Montag gemeinsam angenommenen Erklärung der Außenminister in Brüssel.

Eine Minderheit der EU-Staaten hatte bei dem Außenministertreffen gegen die Anerkennung der Unabhängigkeit des Kosovo Front gemacht. Insgesamt wollen rund 19 EU-Staaten den Kosovo anerkennen. Griechenland, die Slowakei, die Niederlande, Portugal und Tschechien wollen eine Anerkennung zunächst genau prüfen beziehungsweise knüpfen Bedingungen daran. 

Spanien, Rumänien und Zypern gegen Anerkennung
Spanien, Rumänien und Zypern lehnen eine Anerkennung ab, weil sie eine Destabilisierung des Balkan sowie Auftrieb für den Separatismus in ihren Ländern befürchten. So sagte der spanische Außenminister Miguel Angel Moratinos, die am Sonntag erfolgte Unabhängigkeitserklärung sei nicht im Einklang mit dem Völkerrecht erfolgt und werde von seinem Land nicht anerkannt. Die slowenische EU-Ratspräsidentschaft hatte sich bemüht, eine gemeinsame Linie der EU-Staaten zu finden.

Kosovo-Parlament beginnt mit Beschluss von Gesetzen
Das kosovarische Parlament ist am Dienstag in Pristina zusammen gekommen, um zehn von insgesamt 34 Gesetzen zu erlassen, die sich aus dem vorjährigen Status-Vorschlag des UNO-Vermittlers Martti Ahtisaari zur "überwachten" Unabhängigkeit ergeben.

Auf der Tagesordnung standen Gesetze über das Außenministerium, dessen Bildung Premier Hashim Thaci am Sonntag angekündigt hatte, ferner die Polizei, Reisedokumente, aber auch die Benutzung von Staatssymbolen und die Kommunalverwaltung. Das Parlament hatte am letzten Freitag beschlossen, alle 34 Gesetze im Eilverfahren zu erlassen. Am Sonntag hatte sich die unter UNO-Verwaltung stehende Region für unabhängig von Serbien erklärt.

"Plan von Ahtisaari" soll Frieden sichern
Pristina verpflichtet sich in der Erklärung zur "vollen Umsetzung" des im Vorjahr präsentierten Plans von Ahtisaari zu einer "überwachten Unabhängigkeit" der Provinz. Dieser Vorschlag, der unter anderem Schutzmechanismen für die serbische Volksgruppe im Kosovo vorsieht, war im UNO-Sicherheitsrat zuletzt am Widerstand Russlands gescheitert. 

In der Unabhängigkeitserklärung, in der der Kosovo als demokratischer und multiethnischer Staat beschrieben wird, wird die Europäische Union eingeladen, eine Mission in den Kosovo zu entsenden, und die NATO zum Verbleib im Kosovo aufgefordert. Die von der EU "EULEX" getaufte Mission soll schon in den nächsten Tagen mit der Entsendung von Experten beginnen. Außerdem verpflichtet sich der neue Staat zur Achtung der im Ahtisaari-Plan festgelegten Grenzen, zur UNO-Charta, der Helsinki-Schlussakte sowie zur Europäischen Menschenrechtskonvention.

"EULEX"-Entsendung soll in den nächsten Tagen beginnen
Die Entsendung von bis zu 2.200 Polizisten, Richtern, Staatsanwälten, Zöllnern und Verwaltungsexperten im Rahmen der EU-Mission im Kosovo soll schon in den nächsten Tagen beginnen. Österreich hat 33 Experten für die bisher größte zivile EU-Mission angemeldet. Ihre Arbeit soll die Mission unter dem Namen "EULEX" nach einer viermonatigen Aufbauphase übernehmen. Bis zu diesem Zeitpunkt soll die bisherige UNO-Verwaltung im Kosovo (UNMIK) ihre Aufgaben vollständig auf die EU übertragen haben.

Staat ohne Hilfe von Außen derzeit nicht überlebensfähig
Leicht wird es der neue Staat Kosovo - sofern ihn Serbien und seine Verbündeten bestehen lassen - nicht haben. Nicht zuletzt weil das Land von Armut geprägt ist, eine hohe Arbeitslosenrate aufweist und der Grad der Alphabetisierung fast Dritte-Welt-Ländern ähnelt. Dazu kommen noch massive Probleme mit organisierter Kriminalität und einem Image als Drehscheibenland des Waffenschmuggels in Europa. 

Zudem ist das Land o bereit erklärten. Die schwierigste Hürde für einen unabhängigen Kosovo wird jedoch Serbien, das bereits am Tag der Unabhängigkeitserklärung mit Protestmaßnahmen drohte und vor der UNO mithilfe seines Verbündeten Russland wohl klagen wird.

Kosovo soll "multiethnische Gesellschaft" sein
Der Kosovo werde eine "multiethnische Gesellschaft" sein und sich auf den Prinzipien Fortschritt, Toleranz und Solidarität gründen, betonte Thaci. Er begann seine Rede auf Albanisch, richtete sich aber im Mittelteil auch in Serbisch an seine Mitbürger. Kosovarische Medien berichteten, dass auch der albanische Premier Sali Berisha nach Pristina gekommen war, um an den Feierlichkeiten nach der Unabhängigkeitserklärung teilzunehmen.

Tausende Menschen feierten bereits in der Nacht auf Sonntag mit albanischen Nationalflaggen im Zentrum der Hauptstadt. Nach der Unabhängigkeit müssen sie dann eigentlich blaue Flaggen schwenken. "Das ist der Wille des Volkes", sagte Thaci.

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