Gletscher in Gefahr

Hitzewelle lässt ewiges Eis schmelzen

Wissenschaft
13.08.2003 07:54
Von wegen ewiges Eis – in den Bergen ist die große Schmelze im Gange! Aus Gletscherseen drohen Sturzfluten, Sommerskigebiete schließen: Die hohen Temperaturen dieses Sommers lassen das ewige Eis in den Alpen dahinschmelzen. Die Hitze wird die Gletscher nach Ansicht von Forschern schwer schädigen.
Die Folge: Bisher von Eis gehaltenes Geröllliegt lose, die Hänge werden instabil. Mehr Steinschlag undMurenabgänge sind die Konsequenz. Was das Verschwinden derGletscher langfristig für Umwelt und Menschen bedeutet, wirdvon Experten unterschiedlich beurteilt.
 
Die Nullgradgrenze liegt derzeit auf 4600 Metern,an der über 3500 Meter hoch gelegenen Messstation am Jungfraujochwurden in diesen Tagen 8 Grad plus gemessen. «Es ist sehrviel zu warm, und dies vor allem über eine lange Zeit»,resümiert der Schweizer Gletscher- und PermafrostexperteDaniel Vonder Mühll. «Von 120 Gletschern in der Schweizwaren es zuletzt nur noch 6 bis 7, die weiter vorstießen»,sagt der Permafrost-Delegierte der Glaziologischen Kommissionder Schweizerischen Akademie der Naturwissenschaften. «Ichbin gespannt, wie es dieses Jahr aussieht, aber es könntesein, dass kein einziger der beobachteten Gletscher mehr gewachsenist.»
 
Im Kanton Wallis füllt sich der über 2800Meter hoch gelegene obere See des Grubengletschers am Fletschhornimmer mehr mit Schmelzwasser. Demnächst könnte er überlaufen,im schlimmsten Fall könnte der See den Eisdamm wie einenEisberg anheben und unter dem Gletscher ausbrechen. Eine Sturzflutaus tausenden Kubikmetern Wasser, Eis und Geröll würdefrei. Der Ort unterhalb des Gletschers habe nichts zu befürchten,heißt es dennoch beim Kanton. «Die Situation ist unterKontrolle, es gibt absolut kein Risiko.» Denn auch eineSturzflut würde sich in einen tiefer gelegenen Moränenseeergießen, der nach früheren Flutwellen als Rückhaltebeckenausgebaut wurde.
 
Wie schon in Österreich haben inzwischen auchdie Titlis-Bahnen im Kanton Obwalden den Wintersportbetrieb beendet- der Freestyle-Park für Snowboarder sollte ursprünglichden ganzen Sommer geöffnet bleiben. In den Skigebieten beiSaas Fee und Zermatt wird weiter gewedelt, nicht zuletzt trainierenhier die Skiprofis. Der Aufwand beim Präparieren der Pistensei allerdings «viel größer» als in anderenJahren, heißt es.
 
In den vergangenen 30 Jahren sind viele kleine Gletscherin der Schweiz ganz verschwunden. Die Bodentemperatur im Permafrostsei binnen 50 Jahren um rund 0,5 Grad gestiegen, erläutertVonder Mühll. Damit verschiebt sich auch die so genanntePermafrostzone, in der der Boden ständig gefroren bleibt,in immer größere Höhen. Liftanlagen, die in derZone des ewigen Frostes auf den seinerzeit eisharten Boden gesetztwurden, geraten ins Ungleichgewicht, Schutzhütten bekommenRisse.
 
Die wissenschaftlichen Erkenntnisse belegten immerklarer, dass tatsächlich ein Zusammenhang zwischen dem CO2-Ausstoßund dem Klimawandel bestehe, sagt der Geschäftsführerder Alpenschutzkommission Cipra Schweiz, Reto Solèr. «Mankann jetzt schon sagen, dass die Häufigkeit von Wetterturbulenzenund damit von Katastrophen zunimmt.»
 
Wenn nach langen Trockenperioden plötzlichsintflutartige Regenfälle herunterprasseln, kann der trockeneBoden die Wassermassen nicht mehr aufnehmen. Es kommt zu Überschwemmungen- oder zu Muren, Schlamm- und Geröllmassen, die mit Wasserden Berg herunterstürzen. Er halte es in Einzelfällenfür möglich, dass bestimmte Häuser in bedrohtenRegionen künftig nicht mehr bewohnbar seien, sagte Solèr.
 
Die langfristigen Konsequenzen der Gletscher- undPermafrostschmelze sind unklar. Die Dörfer in den Tälern,die jetzt von Muren und Sturzbächen bedroht sind, könntenin vielen Jahrzehnten unter Mangel an Trinkwasser leiden, meinenmanche Gletscherforscher. Andere glauben, dass dieses Szenariozu weit greift. Glaziologe Daniel Vonder Mühll sieht darinkeine Gefahr:«In den Alpen wird es immer genug Wasser geben.»
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