"Ich hasse es, wenn ich das sagen muss - aber 'Last Night' ist ein Konzeptalbum. Darin ist eine ganze Nacht auf der Tanzfläche verpackt. Eine ganze Nacht in New York City", sagt Moby. Und im stressigen Big Apple kommt man mit halben Sachen nicht durch - also hat der 42-jährige "Stadtneurotiker" seine Erinnerungen an durchzechte Nächte und DJ-Jobs in Lower Manhattan hervorgekramt und sie mit seinen über die Jahre herangereiften Spezialitäten - eingängige Melodien, flache Beats und ständig wiederkehrende Samples - neu vertont.
Das Ergebnis ist ein mit kleinen Überraschungen durchsiebtes Klangerlebnis. Der sonst mit allen Geschmäckern kompatible Stil Mobys ist auf einmal stark fokussiert. Oktavierte Basslines, breite Synthie-Flächen, viel zu groovige Vocals - die ehemals als Grundprinzip vorherrschende Monotonie ist fast verflogen. "Ich hätte entweder etwas sehr Progressives machen können - oder etwas, das ich mag. Und das tat ich dann auch", erklärt Moby die Festlegung auf das Disco-Thema.
Erkennbar bleiben die Songs aber trotzdem, denn auch wenn die Beats etwas flotter als gewohnt sind, schafft es der gefeierte DJ und Produzent, den Songs seinen Trademark-Sound aufzustempeln bzw. pickt er zwischendurch altbekannte Muster auf. Zum Beispiel den Zufall: Die dröhnende Bassline auf "Alice" entstand durch eine Panne, als während den Aufnahmen ein Distortionpedal durchbrannte, mit "Degenerates" streut er einen improvisierten Lo-Fi-Instrumental-Track ein, der an sein Hitalbum "Play" erinnert, auf das auch der jazzig-einschläfernde Titeltrack "Last Night" gut gepasst hätte, bei dem er Jazzschlagzeuger und Saxophon spielen lässt. Ad. Spontaneität: "Oo Yeah" war ursprünglich ein Instrumentaltrack, den der für seine Sprunghaftigkeit und seine Studio-Disziplin gleichsam bekannte 42-Jährige in einer eilig zusammengestrickten Neuauflage auf das bereits fertige Album draufpackte.
Die vornehmlich weiblichen Vocalisten durften für die "Last Night"-Sessions nicht allzu vorbereitet sein. "Wenn ich Sänger in mein Studio einlade, sind sie mir die halbe Zeit eigentlich nur im Weg. Mit den meisten habe ich alles kurzfristig per E-Mail erledigt", sagt Moby. So bekam Luci Butler, die für den Gehirnwäsche-Track "Oo Yeah" die Vocals beisteuerte, das Demo gerade einmal eine Stunde vor ihrer Studiosession. Der Old-School-Hip-Hop-Rap zu "I Love To Move Here" mit Grandmaster Caz als MC entstand ebenfalls "on the spot" im Studio.
Nur Sängerin Shayna Steele, die auf "Last Night" die erste Single "Dance Lies" singt - einen nervösen, billig klingenden Track, zu dem Moby das Eingangs erwähnte "Hühnerfleischvideo" drehte - widmete sich der Meister länger. "Ich war von Anfang an begeistert - sie hätte 1978 Disco-Songs singen sollen", schwärmt er. Moby selbst beschreibt "Last Night" als "Spätsiebziger-Frühachtziger-Downtempo-Disco", oder: "Das, was du dir anhören würdest, bevor du ins Studio54 gehst." Also eine Platte, die man sich reinziehen kann/muss, ohne die Nase schon voll Koks und das Hirn voll Amphetamine zu haben? Es trifft wohl den Kern der Sache...
7,5 von 10 Disco-Erinnerungen
Von Christoph Andert
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