Zwangsverheiratet

Achtjährige setzt im Jemen Scheidung durch

Ausland
16.04.2008 14:22
Zwei Monate lang hat Nujud Nasser alles ertragen - die Schimpfwörter, die Schläge, den erzwungenen Sex. Dann hielt es die achtjährige Jemenitin nicht mehr aus. Sie lief davon. Weg von ihrem 22 Jahre älteren Ehemann, weg von ihrem Vater, der sie wenige Wochen zuvor gegen ihren Willen verheiraten ließ. Sie zog vor Gericht und erkämpfte ihre Scheidung. Damit entfachte sie eine landesweite Diskussion über Hochzeiten im Kindesalter.

"Ich bin erleichtert, jetzt geschieden zu sein und wieder zur Schule gehen zu können", sagte die achtjährige Nujud am Dienstag nach der Verkündung des Urteils durch ein Gericht in der Hauptstadt Sanaa. Sie werde nun zu ihrem Onkel mütterlicherseits ziehen, sagte Nujud. Ihren Vater (ganz rechts im Bild) wollte sie nach der Verhandlung nicht sehen. Der Mann sagte während der Anhörung, er habe sich zur Verheiratung seiner Tochter gezwungen gesehen. "Ich habe sie mit ihrer Einwilligung verheiratet, weil ich Angst um sie und meine anderen Kinder hatte."

Mädchen heiraten durchschnittlich mit 14,7 Jahren
In dem unterentwickelten Land im Südwesten der arabischen Halbinsel gehören arrangierte Hochzeiten von Kindern und Jugendlichen zum Alltag. Zwar stieg das durchschnittliche Heiratsalter von Mädchen laut einer Studie des "Gender Development Research and Studies Center" in den vergangenen drei Generationen um mehr als vier auf 14,7 Jahre. Die Befragung von rund 1.500 Paaren durch ein Forschungszentrum zeigte aber auch, dass in ländlichen Regionen Kinderhochzeiten noch oft vorkommen.

Bis zu vier Ehefrauen erlaubt
Laut Gesetz dürfen Männer im Jemen bis zu vier Ehefrauen haben. Eine Heirat ist offiziell erlaubt, sobald die Braut 15 Jahre alt ist. Doch wenn der Vater als gesetzlicher Vormund einwilligt, ist eine Hochzeit auch früher möglich. Die traditionelle Regel, dass der Ehemann mit dem Vollzug der Ehe bis zum Ende der Pubertät warten muss, werde heute immer öfter gebrochen, berichtet Najat Sajam, Psychologieprofessorin an der Universität Sanaa.

Väter bekommen meist Geld für die Heirat
Oft schauen die Väter laut Sajam bei der Einwilligung mehr aufs Geld als auf das Wohlergehen des eigenen Kindes. Denn der Koran sieht für die Frau ein Brautgeld vor. Eigentlich soll es der finanziellen Absicherung der Ehefrau dienen, in der Realität landet es oft im Geldbeutel der Brautfamilie. Auch bei Nujuds Zwangsheirat dürfte Geld eine Rolle gespielt haben. So soll sich der Vater der Achtjährigen vor der Hochzeit seiner Tochter nach Angaben eines Verwandten als Bettler durchgeschlagen haben.

Für die jemenitischen Mädchen hat die frühe Heirat oft gravierende Folgen. So berichtete Nujud von den "schlimmen Dingen", die ihr Mann ihr angetan habe. "Immer, wenn ich im Garten spielen wollte, hat er mich geschlagen und gesagt, ich soll mit ihm ins Schlafzimmer kommen." Oft bekommen die Minderjährigen bald das erste Kind. "Die Körper der Mädchen sind einfach noch nicht weit genug entwickelt für eine Schwangerschaft", empört sich Psychologin Sajam. Auch mental seien viele Mädchen noch nicht in der Lage sich vernünftig um ihren Nachwuchs zu kümmern. "Sie sind ja selbst meist noch Kinder."

Zwangsheirat war legal
Nujuds Vater und ihr Ehemann haben trotz allem gegen kein jemenitische Gesetz verstoßen. "Das ist alles legal", sagt Sajam - "leider". Gerade in ländlichen Regionen rechtfertigen viele Jemeniten die frühe Hochzeit mit dem Verweis auf den Propheten Mohammed. Er heiratete seine Lieblingsfrau Aischa, als sie etwa sechs Jahre alt war. Und das jemenitische Parlament lehnte einen Gesetzentwurf ab, das Mindestalter für Hochzeiten auf 18 Jahre anzuheben.

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