Mittwochabend, 18 Uhr. Kurt Hauenstein steht vor dem Wiener Roomz-Hotel, ganz in Leder mit Harley-Davidson-Pullover - und raucht. Ah ja, der Nichtraucherschutz - geht nix mehr drinnen? Hauenstein winkt ab, deutet eine Mattscheibe an.
Kurt Hauenstein feiert heute seinen Sechziger mit einem Konzert vor etwas mehr als 1.000 Fans und Gästen im Wiener Gasometer. Vor wenigen Monaten spielten "Supermax" eine Show in Bulgarien vor 60.000 Besuchern. Hauenstein hätte heute auch im Osten, wo er viele Jahre lebte, "was machen" können - aber es soll Wien sein. Immerhin ist er nach Jahren im Exil nun seit 2004 wieder in Österreich.
"I bin net da Supermax", stellt Kurt Hauenstein gleich zu Beginn des Interviews klar. "Max", das weiß der Fan, hat freilich nichts mit Maximilian oder Markus zu tun. "Supermaximum", wenn man’s so will; vergleichbar damit, dass Mick Hucknall ja auch nicht "Simply Red" heißt, aber es eigentlich ist. "I bin halt da geboren", meint Hauenstein zum Austragungsort der "Night of Supermax". Erfolge feierte er mit "Supermax" aber ausschließlich woanders. USA, Südamerika und auch Afrika, wo er 1981 als erster Künstler mit einer gemischt-rassigen Band durch Südafrika tourte und dafür auf der Blacklist der UNO landete. Zwei Jahre später spielte er als erster weißer Künstler beim "Sun Splash"-Festival auf Jamaika. Ein ganz Großer ist Hauenstein auch in Osteuropa und auch Russland. Vor allem weil er als einer der Ersten - diesmal als einer der ersten westlichen Künstler - hinterm eisernen Vorhang spielte. Seine Bekanntheit lässt sich dort ungefähr mit der der Austropop-Musiker in Österreich vergleichen. "Das is halt so, sie behandeln di überall besser, als im eigenen Land", meint der Jubilar, der vier Jahre nach seiner Rückkehr jetzt in Niederösterreich wohnt. Er lacht: "I mein, da fahrst ans Ende der Welt, spielst drei Töne und die kennen jedes Lied. Und daham? Na ja, 'Lovemachine' und das war's dann." Aber er ist dem Land nicht gram, z.B. für das Airplay, das man ihm in den wilden Zeiten "bei gewissen Radiostationen" verwehrte, weil er Dinge gesagt und möglicherweise auch getan hat "die net so passt hab'n". "Is alles vergangen und vergessen, das war die Zeit damals", meint Hauenstein. "Irgendwann kommst halt einmal drauf, dass'd im Libanon oder in Venezuela CDs verkaufst, während deine Plattenfirma in Wien sie noch net einmal ausgepackt hat."
Apropos CDs. Hauenstein unterschrieb vor einiger Zeit bei Universal Music Austria. Österreichs Musikfans bekommen zum Hauenstein-Sechziger und "Supermax"-Dreißiger - eigentlich sind‘s schon dreiunddreißig Jahre, korrigiert er - jetzt die Gelegenheit, die Musik des Kurt Hauenstein neu kennenzulernen. Einen großen Teil seiner veröffentlichten Songs hat man als 30th-Anniversary-Edition neu kompiliert. Die insgesamt 10 CDs sind dabei nach Genres zusammengestellt. "Rhythm Of Soul", "Spirits of Africa", "Save The World" und "Reggaesize It" heißen die Alben. Oder "Radical Phonetic", auf dem sich die visionären Songs des "Supermax"-Lebenswerks finden, mit denen Hauenstein seiner Zeit weit voraus eilte. Bei der Amadeus-Verleihung letztes Jahr nahm er den Preis für sein Lebenswerk mit einem simplen "Danke" entgegen. "Was hätt i sonst sagen sollen? Es is an dem Abend eh so viel geredet worden. I hab mi nur bedanken können. Es is ja schön, dass man da noch irgendetwas kriegt bevor man stirbt, das einem dann als Schokoladenkugel verkauft wird."
Hauenstein hat sich - viele andere österreichische Musiker auch - mit der Tatsache abgefunden, dass man in der Heimat als Künstler nicht überleben kann, wenn man nicht auch im Ausland erfolgreich ist. Wenn man noch dazu seinen eigenen Kopf hat und sich, zu Recht, aber auch gar nichts sagen lassen will, endet es so wie bei "Supermax"; nämlich, dass einen "praktisch kana kennt", wie es Hauenstein auf den Punkt bringt. Der 60-Jährige erzählt von einem Auftritt auf einem Hügel bei Graz in den Achtzigern. "Na, do könnt's mit de Laster net auffi", bekam man gleich bei der Anfahrt zu hören. Der schöne Schotterweg könnte ja drunter leiden. Die "Supermax"-Crew musste alles auf kleine Pritschen umladen, zig-mal fahren. Und wofür? Hauenstein: "Dann spielst da oben vor zwölfhundert Leut' und beim Runterfahren kommst drauf, dass unten in einer Halle dreitausend Menschen einer Ziehharmonika zug‘hört hab'n."
Österreich sei zu sehr von der Klassik geprägt, meint Hauenstein, Sohn eines Wienerlieder-Komponisten. Die "Supermax"-Disco-Kracher definieren sich durch das prägnante Basspiel des Multiinstrumentalisten Hauenstein. Sein Bass sei ihm am liebsten, "das ist das Fundament, das Grundfest eines Grooves", meint er. Was man in Österreich "voll net packt" sei, dass in seiner Musik der Bass oft monoton spielt. Das heißt, das "Fundament" bleibt starr, nur die Melodieinstrumente vom Synthesizer bis zur E-Gitarre machen die Abwechslung im Song. Ein Paradebeispiel dafür ist "Lovemachine", wo der Bass vom Grundton praktisch nie abweicht. Acht Minuten durch dasselbe. "Wenn du in Österreich net nach 3 Sekunden den Akkord gewechselt hast, hab‘n di die Leut‘ schon schief ang‘schaut", meint Hauenstein.
Seit seinem 15. und bisher letzten Studioalbum hat sich Hauenstein vor allem als Produzent betätigt - früher hatte er auch schon bei Falco, Chaka Khan und Boney M. mitgemischt -, aber auch als Maler und Bildhauer. Eine Ausstellung zu Letzterem läuft noch bis Anfang Februar im Wiener Q19. Den musikalischen Rat des 60-Jährigen nahmen etwa das deutsche Hip-Hop-Kollektiv "5 Sterne Deluxe" an. Andere Künstler zu unterstützen, ist dem 60-Jährigen mitunter ein Anliegen geworden. Seit einiger Zeit arbeitet er aber auch an eigenem Material, "Supermax"-Material. Verraten möchte Hauenstein nichts, kann er wahrscheinlich auch noch gar nicht: "I schreib ja keine Songs und geh dann ins Studio. Ich sitz im Aufnahmeraum, steck an und spiel los. Was rauskommt, aus dem mach ma was." Beim neuen Longplayer ist er diesmal auch für Österreich zuversichtlich. Bestimmte Dinge aus den Siebzigern und Achtzigern, die Hauenstein "eine herrliche Zeit" findet, kämen jetzt wieder. "Der Boom kommt daher, dass die ganzen Jungen, die die letzten Jahre so a bisserl kopflos durchs Leben g'angen sind, wieder draufkommen, dass das eine Wahnsinnszeit war, wo irrsinnig viel Kreatives passiert is. Die ganze Rebellion der Jugend gegen das System und die Eltern, afoch, dass das Kind net unbedingt das werden muss, was der Vater will, sondern auch eigene Ideen hat. Das hat sich alles in diesen Jahren abgespielt und geht über tausend Facetten. Das war eine sehr konstruktive Zeit, leider is es danach abgeflacht. Aber die nächste Generation geht jetzt wieder in diese Richtung. Man sieht's an der Mode, daran, was die Jungen jetzt an Musik hören. Wenn einer mit Techno aufgewachsen ist, dann war das eine zeitlang sicher super - aber irgendwann geht‘s ihm auch auf‘n Nerv und er horcht si‘ um und kommt drauf, dass es eigentlich noch was anderes auch gibt." Macht ihn das zufrieden? Hauenstein lacht verschmitzt, natürlich tut es das - aussprechen will er's aber nicht. Für den kritischen Weltenbummler, der in seinem Leben unzählige Orte, politische Systeme und Kulturen gesehen hat und dazwischen wohl keine Versuchung ausließ, sehen die Dinge immer anders, differenzierter aus. "I hör mir bei uns immer die Nachrichten an. Am nächsten Tag flieg ich nach Moskau, dort hör ich dieselben Nachrichten - nur is es dort a völlig andere Aussage. Die Leut' glauben halt das, was ihnen erzählt wird und die in den anderen Ländern glauben wiederum das, was ihnen erzählt wird. So is des."
Wir fragen Kurt Hauenstein zum Abschluss, ob er sich nicht überlegt, eine Autobiografie zu schreiben. Mit all dem, was er erlebt hat... "Ja, geh. Da ärgern‘s mi eh schon seit Jahren", lacht er. "I hab ka Zeit für das. Es stimmt schon, i hab viel erlebt in meinem Leben." Aber er sei halt nicht der geborene Redner, meint Hauenstein - wie man ja unschwer bei der Amadeus-Verleihung letztes Jahr erkennen konnte. Dass es in einem Werk über ihn nicht nur um Musik gehen dürfte, sei aber klar. "Es geht im Leben net nur um Musik. Wie in. Es gibt halt auch viele scheiß Typen, die schlecht... naja, lass ma des", lacht Hauenstein. "Kurtl", wie er von Branchenkollegen liebevoll genannt wird, sagt die Dinge so wie er sie sieht. Zum Schluss meint er: "I bin net der Typ, der mit einer Banane nach Afrika fliegt, sie dort einem Kind gibt und dann sagt, er hätt' geholfen." Ehrlicher kann man‘s wohl nicht ausdrücken.
Von Christoph Andert
Fotos: Andreas Graf
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