US-Rotkreuz-Affäre
Hunderte Millionen für Haiti-Hilfe verschwunden
Bei dem Beben der Stärke 7 waren am 12. Jänner 2010 bis zu 316.000 Menschen ums Leben gekommen, 300.000 weitere wurden verletzt. 1,2 Millionen Haitianer wurden obdachlos, von ihnen leben nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration immer noch mehr als 79.000 in den 105 Auffanglagern des Landes. Ein großer Teil der nach dem Beben in Aussicht gestellten Hilfszahlungen in Höhe von rund neun Milliarden Dollar (7,6 Milliarden Euro) ist laut Regierung nie bei den Opfern angekommen. Bis heute gibt es demnach kaum größere Projekte für eine nachhaltige Infrastruktur.
Journalisten verfolgten Weg der Spendengelder
Zwei US-Journalisten, Justin Elliott, Reporter bei ProPublica, und Laura Sullivan vom National Public Radio, brachten in diesem Zusammenhang jetzt das US-amerikanische Rote Kreuz in Erklärungsnot. Ihren Recherchen zufolge habe die Hilfsorganisation damals fast eine halbe Milliarde US-Dollar an Spendengeldern für Haiti gesammelt - und versprochen, dass von jedem Dollar 91 Cent nach Haiti fließen würden.
Dies bezweifeln die beiden US-Journalisten jedoch stark. Die Kritik könnte härter nicht sein, schreibt auch die deutsche "Zeit" über die Spurensuche der Reporter nach den gespendeten Millionen. Elliott und Sullivan besuchten für ihre Recherchen Haiti und machten sich vor Ort selbst ein Bild von mehreren Hilfsprojekten des amerikanischen Roten Kreuzes.
"Keinen Beitrag, welcher Art auch immer"
Statt angekündigten 700 Häusern, eines der größten Vorhaben der Hilfsorganisation in dem Inselstaat, sei am Ende kaum mehr dabei herausgekommen als der Bau von sechs Häusern. Auch ein weiteres Projekt habe internen Dokumenten zufolge "keinen Beitrag, welcher Art auch immer, zum Wohlergehen der Haushalte" geleistet.
"Unser Bericht zeigt, dass weniger Geld bei den Bedürftigen ankam, als das Rote Kreuz sagte", so das ernüchternde Fazit der Journalisten. Anders als versprochen, gebe die Organisation auch keine detaillierte Auskunft über die Verwendung der Mittel. Die beiden Reporter schätzen, dass statt der versprochenen 91 höchstens 60 Prozent der Spenden bei den Erdbebenopfern in Haiti angekommen sind - unter anderem, weil das Rote Kreuz Aufträge an lokale Organisationen vergab, die wiederum Geld für ihren eigenen Verwaltungsaufwand abzweigten. Geld, das letztlich der Katastrophenhilfe fehlte.
Hilfsorganisation sanierte vor allem eigene Finanzen
Damit nicht genug, kritisieren Elliott und Sullivan neben Missmanagement in der Zentrale in Washington, wo manchen Verantwortlichen die Publicity für die Organisation wichtiger gewesen sei als effektive Hilfe, vor allem die Beweggründe des amerikanischen Roten Kreuzes für den Haiti-Spendenaufruf. Demnach habe die Hilfsorganisation die haitianische Katastrophe von Anfang an als Chance gesehen, ihre eigenen Finanzen zu sanieren.
Das Erdbeben schien "eine spektakuläre Möglichkeit, Geld einzusammeln", zitieren die Reporter eine anonyme Quelle, die früher beim Roten Kreuz der USA gearbeitet habe. Während Hilfsorganisationen wie Ärzte ohne Grenzen nach einer gewissen Zeit aufhörten, um Spenden für Haiti zu bitten, habe das Rote Kreuz immer weiter gesammelt. Die Spenden "halfen der Gruppe, ihr mehr als 100 Millionen Dollar großes Defizit auszuradieren".
Wohin mit dem Geld?
Am Ende, als die Projekte nicht so funktionierten wie gedacht, wusste die Organisation offenbar gar nicht mehr wohin mit dem Geld. "Das Projekt im Norden bricht zusammen, und wir haben immer noch 20 Millionen Dollar an zweckgebundenen Mitteln. Irgendwelche Ideen, wie der Rest davon auszugeben ist?? (Außer der wundervollen Idee mit dem Hubschrauber?)", schrieb Rotkreuz-Chefin Gail McGovern im November 2013 in einer Mail. Auch dieses Schriftstück ist von ProPublica dokumentiert.
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